22 Mrz

Generationswechsel bei der Stuttgarter Zahnradbahn „Zacke“

Stuttgart Marienplatz, willkommen bei der Stuttgarter Zahnradbahn mit Ziel Degerloch.

Ende der siebziger Jahre machte ich in Stuttgart meine Ausbildung. Damals fuhren noch die alten Esslinger Triebwagen aus den dreissiger Jahren mit ihren zweiachsigen Vorstellwagen auf der „Zacke“, wie die Stuttgarter liebevoll ihre Zahnradbahn vom Marienplatz nach Degerloch nennen. Die aktuell eingesetzten Triebwagen ZT 4 1001 bis 1003 stammen aus dem Jahre 1982. Sie waren ein Gemeinschaftswerk der SLM Winterthur, welche die Zahnradantriebe lieferte und MAN, die die Wagenkästen erstellte. Damals bekam ich diesen Generationswechsel hautnah mit. Alles war auf einmal modern. Jetzt nach genau 40 Jahren werden die in die Jahre gekommenen Meterspur Triebwagen durch drei neue Fahrzeuge von Stadler/Bussnang ersetzt. Der erste Triebwagen mit der Nr. 1101 wurde im Oktober 2021 abgeliefert. Nachts ab 21.00 Uhr, wenn der Planbetrieb ruht, werden mit dem neuen Fahrzeugen Probe- und Einstellfahrten durchgeführt. Mitte Februar 22 wurde das zweite Fahrzeug Nr. 1102 abgeliefert.

Wir hatten das grosse Glück, bei unserem Abschiedsbesuch für die alten Triebwagen am 10. März 22 den neuen Triebwagen 1102 auf seiner ersten Probefahrt tagsüber erleben zu dürfen. Er fuhr am Morgen vom Depot am Marienplatz nach Degerloch und kurz vor Mittag wieder zurück ins Depot. Der dritte Triebwagen soll in den nächsten Monaten abgeliefert werden. Nach weiteren Abnahmefahrten sollen die drei neuen Triebwagen im Laufe diesen Jahres die Fahrzeuge aus den achtziger Jahren ersetzen. Die Fa. Steck in Bowil liefert der Zacke drei neue Vorstellwagen für den Fahrradtransport.

Die Triebwagen 1001 und 1002 werden abgebrochen, der 1003 soll im Strassenbahndepot in Bad Cannstatt museal erhalten bleiben. Dort befindet sich seit 1984 der alte Esslinger Triebwagen 104 und der Vorstellwagen 120. Gehen Sie mit mir nun auf eine Reise vom Marienplatz zum Depot, dann über die neue Weinsteige bis nach der „Bergstation“ Degerloch.

Bei der Ausfahrt aus der Talstation Marienplatz geht es steil bergan in Richtung Liststrasse. Links grüsst der bekannte Stuttgarter Fernsehturm.

Links hinter dem Triebwagen befindet sich die Weiche zum Depot.

Auch nach 40 Jahren befindet sich der Innenraum in einem ordentlichen Zustand.

Hier ein Blick in das alte Depot. Dieses wird Nachts zum Abstellen der Triebwagen und als Veranstaltungsraum für das in diesem Gebäude ansässige Theater benutzt. Im Depot ist Triebwagen 1003 abgestellt.

Im modernen Werkstattraum steht der neue Triebwagen 1102. Innen sind die Techniker der Stuttgarter Strassenbahn AG und von Stadler an der Arbeit.

Nach der Haltestelle Liststrasse geht es weiter bergan in Richtung neue Weinsteige. Im Hintergrund ein Teil der Stadt Stuttgart.
Auf der neuen Weinsteige geht es sehr beengt zu. Obwohl Einbahnstrasse, kommen immer wieder Autos aus beiden Richtungen daher gefahren. In Kürze erreicht der Triebwagen die Ausweiche Wielandshöhe.
In der Wielandshöhe kreuzen sich planmässig die beiden Triebwagen. Die Strecke ist 2,1 km lang. Für eine Fahrt werden zehn Minuten benötigt. Es herrscht von 5 Uhr bis 21 Uhr der 15 Minutentakt. Abends fährt der Bus.

Von der neuen Weinsteige hat der Fahrgast einen wunderbaren Blick auf den Stuttgarter Talkessel.

An der Haltestelle Haigst, Schwäbisch „Höchst“ – der höchste Punkt der Weinsteige, hat es wunderschöne Jugendstilgebäude.
Die gleiche Szenerie wie oben mit dem Blick auf die Stuttgarter Innenstadt.

Weiter geht die Bergfahrt zur Nägelestrasse. Dabei wird die Bundesstrasse vom Stuttgarter Talkessel nach Degerloch überquert.

Jungfernfahrt für den neuen Triebwagen 1102. An der Nägelestrasse befindet er sich gerade auf Talfahrt ins Depot.

Auf Bergfahrt kurz vor der Haltestelle Nägelestrasse.

Ein letzter Frühling für die Triebwagen von 1982. Bald werden sie aufs Altenteil geschickt.
Kurz vor der Haltestelle Degerloch Zahnradbahnhof wird eine größere Strasse mittels Lichtsignal überquert.

Endstation Degerloch. Nach fünf Minuten Pause geht es wieder talwärts zum Marienplatz.
An den Seitenflächen haben die neuen Triebwagen ein stilisiertes Zahnrad. Bald werden sie den Betrieb auf der Zacke übernehmen.

Bei unserem Besuch am 10. März befand sich der im Oktober 21 gelieferte Triebwagen 1101 aus Platzgründen in der Hauptwerkstätte Stuttgart-Möhringen. Wenn die Umstellung auf die neuen Triebwagen erfolgt, werden die alten Triebwagen vom Zahnradgleis entfernt, um für die neuen Triebwagen im Depot Platz zu schaffen. Da keine durchgehende Gleisverbindung zwischen der Endstation Degerloch und der Hauptwerkstätte besteht, müssen die Überfuhren über die Strasse mit einem Tieflader durchgeführt werden.

Reisetipps:

Stuttgart lässt sich von der Schweiz aus bequem mit den durchgehenden IC`s ab Zürich besuchen. Vom Hauptbahnhof aus fährt es sich bequem mit der Stadtbahnlinie 5 in ca. 10 Minuten zur Haltestelle Haigst. Von dort aus sind es bis zur Zahnradbahnstrecke nur ca. 300 Meter Fußweg. Am Vormittag bietet sich an, mit dem Fotografieren auf der neuen Weinsteige zu beginnen. Nachmittags ab ca. 15 Uhr ist das Licht an der Liststrasse ideal. Die neuen Triebwagen werden wahrscheinlich ab Herbst planmässig verkehren. Solange sind noch die alten Triebwagen in Betrieb.

An Sonntagen bietet sich ausserdem der Besuch des Stuttgarter Strassenbahnmusums in Bad Cannstatt an. Von dort aus verkehren jeden Sonntag drei Kurse auf der letzten Meterspur Strassenbahnstrecke von Bad Cannstadt über den Charlottenplatz/Innenstadt bis Ruhebank-Fernsehturm. Eingesetzt werden alte Strassenbahn Triebwagen aus verschiedenen Epochen bis zum Stuttgarter Klassiker, dem GT4 Triebwagen.

09 Mrz

Ukraine vor 8 Jahren …

Von Johannes Läubli, EMF St. Gallen

Stille im Normal-/Breitspurbahnhof Vynohradiv

Gerne schliesse ich mich dem Blog von Christian Ammann an. Eine Gruppe von Eisenbahnfreunden folgte der Einladung von Migu Schneeberger (Verein Ostgleis, www.ostgleis.ch), vom 1. – 7.März 2014 durch Ungarn und den südwestlichen Teil der Ukraine zu reisen. Täglich wurden aber auch die Nachrichten über den Vorstoss der Russen auf die Krim und den Südosten verfolgt.

In Transkarpathien, also unmittelbar jenseits der ungarisch-ukrainischen Grenze, besuchten wir die Borzhatalbahn, ein einstmals ausgedehntes Netz in Schmalspur von 750 mm. Wir hatten das Vergnügen, an einem Markttag von Vynohradiv nach Chmilnyk mitzufahren.

Auf der Schmalspurseite dagegen das volle Marktleben- und über die Weiche im Vordergrund wird nach der Rückkehr umfahren !

Der bereitstehende Zug…

…bringt die Einkäufe ins Dorf Oleschnyk zurück

Für Hoffnung auf Obst und Beeren wurde ebenfalls gesorgt.

Beschauliche Dorfpassage in Shalanky. .. Übrigens: Die Wagen sind blau, das Schwärzliche ist aus der Lok „entflogenes“ Dieselöl.

Der Lokführer ist immerhin froh, dass seine Maschine läuft.

Und wir fahren vorne mit.

Die zwei letzten Passagiere vor der einsamen Endstation Chmilnyk.

Umfahren in Chmilnyk.

Für die nachmittaglichen Marktrückkehrer braucht es eine dritten Wagen – einen ölfreien.

Auf dem Rückweg macht der Fahrplanzug für uns einen Fotohalt.

Verladen auf freier Strecke.

Zurück im Markt – die Lok hat bereits vorgezogen und sollte nun über das linke Gleis zurück.
Ausserhalb des Dorfes erwischen wir den Triebwagen auf Breitspur.

Im Güterbahnhof Berehove (noch immer russisch angeschrieben: Beregovo) gähnender Stillstand – ausser ein paar Bahnliebhabern.

Am nächsten Tag noch einmal ein Blick auf die Schmalspurbahn – ist aber nichts passiert …

Nächstes Ziel war Korolevo, wo der Baudienst im Einsatz war…

… aber auch das Triebwagendepot liegt – hier das Personalhaus.

Und hier das saubere Gleisfeld.

Ein Blick ins Innere des D1 769-3.

Dann führt man uns eine halbe Stunde durch die ganze Werkstätte – hier nur ein Bild.

Weiterfahrt nach Kolotschawa – abseits jeder Bahn, aber mit einem Freilichtmuseum mit einigen Metern Schmalspurgleis und der einzigen in Transkarpatien erhaltenen Dampflok auf 750 mm. (sh. NiK, EA 6/21)

Auch eine Sanitätsdraisine steht dort, vermutlich von einer Waldbahn.

Habe ich «Waldbahn» geschrieben ? Unsere Reise geht über die Karpaten nach Vyhoda, Dort steht nicht nur ein solides Denkmal mit Schmalspurlok PT4 274, sondern auch noch aktive Gefährte, unter anderen ein TU6P.

Mit diesem Gefährt befahren wir eine Strecke von 21 km, erst über Land, dann durch ein unwegsames Tal zu den Holzverladeplätzen…

…wo sich seltsame Rückefahrzeuge tummeln.

Einfahrt eines Leerzuges mit einer TU8 und einer Ladung neuer Schwellen, nicht imprägniert …

… und mit einem Caboose.

Vor der Talfahrt ergibt sich ein kompliziertes Wendemanöver über ein Gleisdreieck.

Diesen Bahnhof kennen unterdessen alle, allerdings jetzt voll mit flüchtenden Menschen: L’wiw.

Auf Gleis 1 ist der Zug 86 nach Simferopol auf der Krim angezeigt.

Hier ist der Zug – am 5. März 2014 – ob er sein Ziel noch erreicht hat ?

Unsere Gruppe hatte das Glück, dass wir uns der Sonderfahrt einer literaturbegeisterten Gruppe (wohl Studenten und Professoren) anschliessen konnten, die den 200. Geburtstag des ukrainischen Nationaldichters Taras Shevtchenko feierten.

Wir erlebten die ukrainische Liebe zur Literatur,

aber auch die Liebe zu alter Technik.

Die Lok L 3535 (Achsfolge 1E) zeigte sich von der besten Seite.

Unsere kleine Gruppe durfte anschliessend auf dem Tender bis ins Lokomotivdepot mitfahren und sich dort vom edlen Zugpferd verabschieden.

Eine Extra-Strassenbahn holte uns am Bahnhof ab.

… und brachte uns zum Depot, wo wir den wenige Monate alten Prototyp 1179 besichtigten, der von einem Hersteller in L’wiw (Elektrotrans, sh. auch EA 8/13) stammt.

Am gleichen Abend nahmen wir im Nachtzug nach Budapest Abschied von der Ukraine.

Text und Fotos: Johannes Läubli, EMF St. Gallen

03 Mrz

Schytomyr vor 29 Jahren

Dzherelo-Extrazug mit P36 0050 am 12. 9. 1993 in Schytomyr

Im schrecklichen Invasionskrieg in der Ukraine geraten kaum bekannte Städte in die beängstigenden Schlagzeilen: Russische Raketen auf Schytomyr, eine Stadt 120 km westlich von Kiew.

Meine persönlichen Erinnerungen an die Ukraine sind mit den Hotelzugreisen verbunden, die das ukrainische Reisebüro Dzherelo zur letzten Jahrtausendwende anbot. 1992 hatte man interessierten Reiseveranstaltern einen Hotelextrazug präsentiert, mit dem eisenbahnkundliche Reisen durch die damals vor einem Jahr unabhängig gewordene Ukraine unternommen werden konnten. Der Zug aus Schlaf-, Speise- und Barwagen war nicht nur Unterkunft und Transportmittel. Für Fotos, z.B. Scheinanfahrten spannte ihm Dzherelo auf landschaftlich interessanten Strecken auch eigene oder gemietete Dampflokomotiven vor.

Zwischen 1993 und 2008 wurden jährlich zahlreiche Fahrten mit englischen, deutschen, niederländischen, tschechischen, österreichischen und schweizerischen Organisatoren durchgeführt, beispielsweise 15 Fahrten 1995, je 13 Fahrten 1996 und 1997. Ab 2000 zeichnete sich ein Rückgang ab, 2007 waren es noch zwei Reisen. Vom 16.–23. Februar 2008 fand die letzte Reise statt, mit rund 120 Teilnehmern in 13 Wagen (EA 6/08). Danach verkaufte Dzherelo die eigenen Dampflokomotiven.

Die nachfolgenden Fotos entstanden am 12. September 1993. Schytomyr war nach unserer Ankunft in Kiew der erste Zwischenhalt mit dem Hotelzug. Wir besuchten die damals eher heruntergekommene ukrainische Provinzstadt wegen ihrem meterspurigen Tramnetz und auf dem Weg zum wichtigen Eisenbahnknotenpunkt Korosten.

Die fast 30-jährigen Fotos zeigen nicht das heutige Schytomyr und sie geben auch nur einen subjektiven Eindruck vom damaligen Schienenverkehr mit Fokus auf verkehrsgeschichtlich interessante Fahrzeuge. Sie sollen Schytomyr aber etwas herausholen aus der Anonymität der Kriegsmeldungen.

Ausfahrender Riga-Dieseltriebwagenzug in Schytomyr, 12. 9. 1993
Die aus Weissrussland angemietete P 36 0050 vor dem Dzherelo-Hotelzug in Schytomyr 12. 9. 1993
Diese Tatra-Trams besorgten damals den meterspurigen Tramverkehr von Schytomyr. Im Depot interessierten uns aber natürlich besonders die älteren und abgestellten Fahrzeuge.
So begegneten uns auch verschiedene Überreste von Gotha-Wagen, welche die DDR in die Sowjetunion geliefert hatte.
Natürlich waren auch die urigen Dienstfahrzeuge ein Foto wert…
Auf weniger Begeisterung bei den „Touristen“ stiess dieser „historische“ Tramwagen 1, hier noch hellblau angepinselt.
Doch nun ging es hinter der gewaltigen P36 0050 Richtung Korosten, mit Scheinanfahrt an der Irsabrücke und weiteren Fotohalten.

Alle Fotos: Christian Ammann, 12. 9. 1993

12 Dez

Links fahren – rechts abbiegen

Im Artikel über die «Interurbane» in Mailand (EA 10/21) ist auf Seite 446 oben rechts die spezielle Abzweigung vor der Via Farini abgebildet, wo der Tramzug auf einer Weiche nach links oder rechts fährt, um aber schlussendlich in die genau entgegengesetzte Richtung abzubiegen.

Dank S. Jacobi und Chr. Jaquier entdeckten wir, dass eine ähnliche Abzweigung zwischen 1910 und 1964 auch in Neuchâtel an der Croix-du-Marché, am westlichen Ende der Rue de l’Hôpital bestand. Das historische Bild befindet sich im EA 12/21 auf S. 572 unten rechts.

Die Züge der Linien 1 (bis 1957), 2 (1940), 6 und 7 fuhren nach rechts die Rue du Seyon hinuter Richtung Place Pury. Die Züge der Linien 3 und 4 (1949) fuhren nach links die Rue du Seyon Richtung Vauseyon und Corcelles/Valangin hinauf. Diese enge Abzweigung war auch der Grund, warum die Neuenburger «Standartwagen» 81 – 83 kürzer ausfielen als in andern Städten.

Der Zufall führte zur Entdeckung einer weiteren solchen «Anlage» in Magdeburg an der Linie 10 nach Rothensee–Barleber See. Die zweigleisige Wendeschleife nach der Haltestelle Zoo mündet an der Robert-Mayer-Strasse kurz in ein eingleisiges Stück, worauf eine Weiche ermöglicht, stadtauswärts oder stadteinwärts in die Pettenkofer Strasse einzubiegen.

Diese Wendeschleife am Zoo wird vor allem von den hier endenden und beginnenden Fahrten der Fahrschule genutzt.

Nachdem wir die Anlage ausreichend bestaunt und fotografiert haben, ist auch der Fahrschulwagen bereit, um rechts auszuholen und stadteinwärts nach links in die Pettenkofer Strasse einzubiegen.

Selbstverständlich gab es und gibt es immer noch in andern Städten solche Abzweigungen. Vielleicht entdecken wir bald die nächsten?

Alle Fotos vom 26. November 2021

13 Dez

Tram und Metro Madrid

von José Banaudo

Nachdem mir meine erste Reise in die Region Madrid im Januar 2018 (sh. Blog vom 6. März 2018) sehr gefallen hatte, freute ich mich, im März 2020 nochmals dorthin zurückkehren zu können. Ein Grund dafür war, dass wir für unseren «Train des Pignes» auf den Chemins de fer de la Provence (Verein GECP) in Valencia eine Mallet-Dampflokomotive abholen konnten.

Wir flogen am 3. März 2020 von Nizza nach Madrid. Am dortigen Flughafen Barrajas ist alles vorzüglich organisiert: Im Terminal 4 kann man ein Verbundsbillett für 5 Tage für die Region Madrid (Zug, Metro, Tram und Autobus) kaufen und dann mit der Linie C 10 der Vorortsbahn in etwa einer halben Stunde direkt ins Stadtzentrum fahren.

In Madrid-Atocha fahren im Bahnhofteil Puerta de Atocha die normalspurigen AVE-Hochgeschwindigkeitszüge ab (AVE (Alta Velocidad Española). Das Gepäck kommt auf Rollbänder, man bekommt eine Platznummer und begibt sich erst kurz vor der Abfahrt auf den Perron. Es ist ähnlich wie mit dem Flugzeug, und dieser Ablauf wurde wohl nach den schlimmen Attentaten von 2004 auf das Madrider Bahnnetz eingeführt. Glücklicherweise darf man zum vorderen Perronende gehen, und so mache ich rasch ein Foto. Die kühle Atmosphäre steht im Kontrast zum entspannten Leben in Madrid.

Unser Zug ist ein «S 112» der RENFE aus einer Serie von 30 Zügen mit einer v-max von 330 km/h, die 2010 für die Hochgeschwindigkeitsstrecke Madrid–Valencia geliefert wurden. Die beiden Triebköpfe mit dem charakteristischen Entenschnabel («pico de pato») wurden von Bombardier gebaut. Zwischen ihnen sind 12 Talgo-Wagen gereiht.

Nach einer Reise von 1 Std. 45 Min. durch eine häufig wüstenartige Landschaft kamen wir im Endbahnhof Joaquin-Sorolla in Valencia, auch hier ein eher unbehaglicher Bahnhof, den wir rasch Richtung Station Jesus der meterspurigen Metro von Valencia verlassen.

Damit machen wir einen kleinen fotografischen Abstecher nach Valencia oder gar zu den portugiesischen Schmalspurbahnen.

Denn der 4. März ist der grosse Tag: Um 8 Uhr sind wir im ehemaligen Depot Torrent  der Ferrocarrils de la Generalitat Valenciana (FGV), welche das Metronetz und die meterspurigen Bahnen der Agglomeration von Valencia betreiben. Wir sind mit dem Besitzer der portugiesischen Mallet-Lokomotive E 182 verabredet, einer (1’B)C2 von Henschel, 1923, «fast» identisch mit unserer E 211 und doch verschieden, weil sie ihre Karriere auf der damals noch 900 mm-spurigen Linha do Porto à Póvoa e Famalicão (PPF) begann. Ein ehrwürdiger Dodge-Transporter zieht die Lokomotive aus der Remise, wo sie seit 5 Jahren stand. Nun beginnen die Verladearbeiten zum Transport nach Puget-Théniers (EA NiK 5/20). Aus Profilgründen wurde das Kamin wegen des Lichtraumprofils demontiert.

Nach allen Abklärungen und Vorbereitungen für den Transports geht es am späteren Nachmittags wieder zum Bahnhof Joaquin-Sorolla und mit dem AVE zurück nach Madrid.

Am 5. März scheint in Madrid nicht die Sonne wie in Valencia. Es ist grau und windig, also ein idealer Tag um die städtischen Verkehrsbetriebe zu besuchen, von meinem Hotel an der Puerta del Sol fahre ich nun in den Westen der Hauptstadt. Nach einigem Umsteigen erreiche ich die Tramlinie ML 3, mit der ich bis zur Endstation Puerta de Boadilla fahre. Sie ist 13,7 km lang und die längste der drei «Leichtmetro-Linien» (=Metro Ligero) von Madrid.

Auf der Rückfahrt kann ich an der Haltestelle Boadilla Centro einen «Citadis 302» von Alstom in einer fast winterlichen Regenstimmung fotografieren. Für das neue Tramnetz hat Madrid 2007 70 Fahrzeuge dieses Typs bestellt. Aber weil während der Wirtschaftskrise nicht alle geplanten Linien gebaut wurden, behielt man nur etwa die Hälfte dieser Wagen und verkaufte die überzähligen dem benachbarten Netz von Parla, nach Jaén, Murcia nach Adelaide (Australien), ein Wagen wurde sogar für einen Versuchsbetrieb in Buenos-Aires (Argentinien) ausgeliehen. Die 27 Wagen 101–127 stehen auf den Linien ML 2 und 3 im Westen von Madrid im Einsatz.

Noch immer bei Regen steige ich in Colonia-Jardin in die Metrolinie M 10 Puerta del Sur–Hospital Infanta Sofia Richtung Stadtzentrum um. Auf dieser in Etappen zwischen 1961 und 2002 eröffneten Strecke folgt die Metro während einigen Kilometern dem Waldpark von Casa del Campo, einem traditionellen Erholungsgebiet von Madrid. Zwei Stationen sind hier oberirdisch, mit richtigem Bahnhofgebäude, hier Batan…

… und hier Lago, unweit des Sees von Casa de Campo, mit einem Glockentürmchen auf dem Dach, wie ein richtiger Vorortsbahnhof. Auf der Linie M 10 stehen 30 Züge der Serie 7000 von Ansaldo-Breda im Einsatz, geliefert von 2001 bis 2004. Sie bestehen aus 6 Elementen, d.h. zwei Triebwagen mit Führerstand an den Enden, dazwischen zwei Triebwagen und zwei Wagen.

Mittags geht es dann zur Tramstrecke ML 1 Pinar-de-Chamartin–Las Tablas, 5,4 lang und in Betrieb ebenfalls seit 2007. In der Endstation Las Tablas kann ich endlich bei freundlicherem Wetter einen Alstom «Citadis 302» fotografieren, der das Gleis wechselt. 8 Wagen mit den Nummern 128-135 sind dieser isolierten Strecke im Nordosten der Stadt zugeteilt.

Unterirdisch geht unsere Entdeckungsreise nun weiter. In der Gemeinschaftsstation Pinar de Chamartin des Trams ML 1 und der Metrolinien M 1 und M 4 steht eine Erinnerung an die alten städtischen Trams von Madrid, die 1972 verschwunden sind: Der Wagen 477 wurde 1921 in Belgien gebaut.

Die Metrostation Chamartin, nahe des gleichnamigen Bahnhofs, beherbert einen wahren Schatz. Auf einem nicht mehr benötigten Bereich wurden im letzten Jahr zwei Gleise gelegt, wo seither als permanente Ausstellung alte Züge der 100jährigen Madrider Metro gezeigt werden. Diese war am 17. Oktober 1919 vom spanischen König Alfonso XIII. eingeweiht worden. Sechs verschiedene Züge dokumentieren die verschiedenen Fahrzeuggenerationen und sind an zwei Perrons so aufgestellt, dass sie auch besucht und gut fotografiert werden können. Ein sehr schönes Beispiel auch für andere europäische Grossstädte !

Der herrliche Zug M 9 + R 9, geschmückt mit dem königlichen Wappen, vertritt die älteste Fahrzeuggeneration der Madrider Metro. Diese Züge, genannt «Cuatro-Caminos» wurden 1919 von Carde y Escoriaza zur Eröffnung der Linie 1 Puerta del Sol–Cuatro Caminos geliefert, unter dem Patronat von König Alfonso XIII, der selber Privataktionär der Metrogesellschaft war. Der Zug rechts ist aus zwei Fahrzeugen gebildet, die bei der etappenweisen Verlängerung der Linie 2 geliefert wurden: Der Motorwagen M 122 «Quevedo», gebaut 1927 von der Sociedad Española de Construccion Naval und der Wagen R 103 «Ventas», gebaut 1924 von Euskalduna in Bilbao.

Die M 1121 und 1122 wurden 1965 von CAF gebaut. Mit ihrer typischen grün-crèmefarbenen Lackierung gehören sie zum «vormodernen» Rollmaterial der Madrider Metrolinien des Kleinprofilnetzes (Linien 1–5). Von dieser Serie 1000 standen einige Einheiten noch bis 2002 im Einsatz.  Links erkennt man den Zug «Salamanca» M 65 + R 65, gebaut 1943 von CAF für die Eröffnung Linie 4 im darauffolgenden Jahre

Der Zug links, M 6 + R 6 ist ein ehemaliger «Cuatro-Caminos» von 1919, der modernisiert wurde. Obwohl er ähnlich aussieht, wurde der Zug «Legazpi» M 504 + M 505 in der Mitte 1956 in der Metrowerkstätten gebaut.

Wer sich für die Geschichte der Madrider Metro interessiert, findet dazu auch noch einige Bilder und Infos im erwähnten Blog vom 6. März 2018. Am nächsten Tag (und im nächsten Blog) besuchen wir nochmals die Schmalspurbahn der Cercedillas, wo noch Schweizer Schmalspurbahnzüge fahren.

Alle Fotos: J. Banaudo, März 2020

Übersetzung: C. Ammann

25 Okt

Besuch Tram Milano – Limbiate

Von José Banaudo, Nizza,

Gemeindegrenze Limbiate/Varedo, Corso Milano

Auf der Rückreise von unserer Fahrt durch Mitteleuropa im September haben wir Freitagabend, 11. und Samstagmorgen, 12. September 2020 in Milano die ATM-Vorortstramlinie 179 Comasina–Limbiate besucht. Sie wird nach wie vor mit den altvertrauten «treni bloccati» betrieben. Es handelt sich dabei um 6 Kompositionen, die zwischen 1961 und 1964 aus zwei Steuerwagen (ehemalige Serie 300 von 1950) und einem in der Mitte gereihten Triebwagen (Serie 500 von 1953) für die «linea celere Milano–Gorgonzola» gebildet wurden. Ab Anfang der 1970-er Jahre kamen sie auf der Strecke Milano Piazza Sire Paul–Vimercate zum Einsatz, nach deren Einstellung 1981 mit nochmaliger Modernisierung auf den „Tranvie della Brianza» Milano Via Valtellina–Carate und Limbiate.

Limbiate, Via Monte Bianco

Der Betrieb beschränkt sich auf Montag bis Samstagmorgen, jeweils morgens bis 9.30 Uhr und nachmittags/abends zwischen 16.30 und 20 Uhr. Fotografieren ist damit im Winter kaum möglich. Die Strecke nach Limbiate beginnt an der Metrohaltestelle Comasina (Endstation Linie 3). Sie bedient das Vorstadtgebiet von Varedo und Limbiate und besitzt keinen Anschluss mehr an das städtische Tramnetz. Die Stadtstrecke bis Via Valtellina war 1999 geschlossen worden.

Brücke über den Villoresi-Kanal
Kreuzung Varedo Scambio, Via Saronno
Haltestelle Paderno Reali, Via dei Giovi
Cassina Amata, bei der Kirche Sant’Ambrogio
Depot der Linie 179 in Varedo

Wir trafen auf ein sehr sympathisches Personal, das sich über unser Interesse freute. So konnten wir auch einen Blick auf den historischen Triebwagen 92 (EA 2/18) im Depot Varedo werfen. Die Linie wird in ihrer heutigen Form im Oktober 2021 geschlossen, modernisiert und danach mit neuem Rollmaterial betrieben werden. Siehe EA 4 und 5/19. Der Artikel ist vor allem mal ein bildlicher Eindruck von dieser faszinierenden Linie, die nur noch ein Jahr lang so aussehen wird.

Kreuzung Varedo Scambio, Via Saronno
Varedo, Corso Milano

Alle Fotos: J. Banaudo

Übersetzung: C. Ammann

Es folgen noch ein paar historische Schnappschüsse von C. Ammann an der Endhaltestelle Via Valtellina in Milano.

Treni bloccati nach Limbiate Ospedale und Carate anfangs der 1980er-Jahre an der Via Valtellina
Triebwagen 46 (CaTo, CGE, 1926) mit Schienentransportwagen an der Via Messina, 30.10.1984
Überlandtriebwagen 122 (OEFT/TIBB 1937) im Mai 1997 an der Via Valtellina.
Überlandtriebwagen 124 (OMS/TIBB 1942) im Mai 1997 an der Via Valtellina.
Züge nach Limbiate Ospedale und Carate am 19.5.1978 an der Via Valtellina.
Rollmaterial der Linie nach Milanino am 19.5.1978 an der Via Valtellina.
Zug aus Carate mit Triebwagen 109 (OM, TIBB, 1931) am 19.5.1978 an der Via Valtellina.
21 Jul

Daugavpils – als noch die RVZ-6 fuhren

Der vorherige Blog über die Trams von Daugavpils hat mich motiviert, in meinem Bildarchiv nach eigenen Bildern zu suchen, die bei einer Korrespondentenreise von «Today’s Railways» am 17. Mai 2008 entstanden sind. Damals waren auf den drei Linien in Daugavpils nicht nur die T3D aus Schwerin, die klobigen KTM-5A mit ihren Schiebetüren (…), sondern auch noch die RVZ-6 im Einsatz.

Ganz typisch war bei den RVZ-6, dass meistens der Stangenstromabnehmer des vorderen Fahrzeuges unten und jener des hinteren Fahrzeugs oben war, im Gegensatz zu den T3D-Zügen aus Schwerin und den Tatra-Zügen in Rīga.

Die meisten dieser Bilder entstanden im romantischen Abschnitt in der Maizes iela, unweit des Bahnhofs Daugavpils
Tramwagen 64 fährt aus der Maizes iela in die Bahnhofstrasse Stacija iela ein…
…und hier geht es wieder zurück in der Wendeschlaufe Richtung Maizes iela hinunter.

Wer sich für die Thematik der von den amerikanischen PCC-Wagen abgeleiteten oder inspirierten Trams interessiert, findet dazu einige Angaben und Fotos im Bericht Tramverkehr über den «grossen Teich» im EA 7/11.

Alle Fotos: C. Ammann

21 Jul

Lettland (6) – Tram Daugavpils

Von José Banaudo, Nizza

Endlich finde ich Zeit, um die Fotoreportage über Lettland mit den Trams von Daugavpils abzuschliessen. Daugavpils (frühere Namen Dünaburg und Dwinsk) ist mit 95’000 Einwohnern die zweitgrösste Stadt Lettlands und liegt im Südosten, nahe der Grenze zu Litauen und Weissrussland. Die erste Tramlinie wurde zur sowjetischen Zeit am 5. November 1946 in russischer Breitspur ( 1524 mm) eröffnet; 1950 folgte die zweite Strecke, weitere Verlängerungen in den 1950er Jahren, dann 1965 und 1990. Heute umfasst das Netz 3 Linien von rund 25 km Länge und wird von Daugavpils Satiksme (DS) betrieben.

Vor dem Nebendepot 18. Novembra iela (in Erinnerung an den lettischen Unabhängigkeitstag vom 18. November 1918) steht dieser RVZ-6-Tramwagen als Denkmal. Er ist ein klassisches Produkt der Waggonfabrik Rīga, Rīgas Vagonbūves Rūpnīca (RVR), gebaut von 1960 und 1987 und in Daugavpils vor wenigen Jahren aus dem Verkehr gezogen.  Weil  der Wagen zwar von der Strasse aus zu sehen, aber durch ein Gitter nur ungünstig zu fotografieren war, haben wir am Eingang geläutet. Die Pförtnerin kam und rief einen Verantwortlichen,  der verschiedene Sprachen beherrschte, auch französisch, und uns sehr freundlich begleitete, damit wir dieses Foto machen  konnten.

Hier sind wir in der Ventspils iela an einem einspurigen Abschnitt der Linie 2 Butļerova iela–Forštadte, in einem Quartier mit den traditionellen einstöckigen Häusern. Der Triebwagen 101 ist vom Typ KTM5 A des sowjetischen Herstellers Ust-Katawskiy Vagonstroitelny Zavod (UKVZ) in Ust-Kataw, gebaut von 1969 bis 1992 in über 17’000 Exemplaren für zahlreiche sowjetische bzw. russische Städte.

Immer noch auf der Linie 2 verlässt der KTM5 A-Wagen 109 die Endhaltestelle Maizes kombināts im Stadtteil Forštadte (dessen Name vom deutschen Begriff Vorstadt abgeleitet ist) und fährt durch die Andreja Pumpura iela. Alle Fahrzeuge sind Einrichtungswagen und mit einem Stangenstromabnehmer ausgerüstet.

Auf  der Linie 3 Stropi–Cietoksnis (=Zitadelle) fährt der KTM5 A-Wagen 104 an der evangelischen Martin-Luther-Kathedrale der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands vorbei.

Noch ein KTM5 A-Wagen auf der Linie 3, nun  vor der russisch-orthodoxen Boris- und Gleb-Kathedrale, vor der Strassenbrücke, welche das Gleisfeld des Hauptbahnhofs überquert.

Noch ein letztes Bild des für Daugavpils so typischen KTM5 A. Die Nr. 111 nähert sich auf der Linie 3 im Wohngebiet des Waldes von Stropi der Endstation. Hier macht die Strecke seit Februar 2020 einen Umweg, um auch ein Spital zu bedienen. Bei unserem Besuch im September 2019 waren die Bauarbeiten im Gang.  

Der Wagen 114 des Typs KTM8 K, gebaut von 1988 bis 2007, stammt auch aus der Produktion von UKVZ in Ust-Kataw im mittleren Ural. Hier fährt er Richtung Haltestelle Tukuma iela die 18. Novembra iela hoch.

In der 18. Novembra iela begegnen wir dem ČKD Tatra T3D-Wagen 072, unterwegs auf der Linie 1 Stacija (Bahnhof)–Butļerova iela. Diese schönen Fahrzeuge wurden 2002 aus der deutschen Stadt Schwerin übernommen.

Eine halbe Stunde später fährt das gleiche ČKD Tatra T3D-Gespann an der Haltestelle Tukuma iela ab und die 18. Novembra Iela Richtung Bahnhof hinunter. Die vorderen Triebwagen tragen gerade Nummern, die hinteren ungerade, hier also 072 und 073. 

Wir lassen uns nicht aus den Augen… Nochmals begegnen wir dem Gespann ČKD Tatra T3D 072 + 073 an der Endhaltestelle Butļerova iela. Nachdem die Fahrgäste ausgestiegen sind, wird die Wendesschleife beim Depot befahren.  

Die neue Generation russischer Trams aus Ust-Kataw: Hier auf der Linie 1 Butļerova iela–Stacija die Nr. 006 des einteiligen Typs 71-623 mit Niederflur beim der Haltestelle Jelgavas iela, auf einem Abschnitt, der von allen drei Linien befahren wird. Trotz ihrer Ablieferung 2009 haben auch diese 8 Fahrzeuge noch den für Daugavpils tradionellen Stangenstromabnehmer.

Der Wagen 003 (UKVZ 71-623) trifft auf der Linie 1 vom Bahnhof herkommend in der Endstation Butļerova iela an.   

Der Typ UKVZ 71-631 ist eine dreiteilige Gelenkwagenvariante des vorher gezeigten 71-623. Der Wagen 011 ist hier auf der Gemeinschaftsstrecke in der 18. Novembra iela unterwegs. Er ist eines von vier Fahrzeugen, die 2011 aus Ust-Kataw geliefert wurden.

Im Depot Butļerova iela treffen wir auf die neusten Wagen des Typs 71-911 «City Star», die hier noch auf ihre Abnahme warteten (EA 9/19).   Auch die 8 Wagen dieses Typs stammen aus Russland. Sie wurden 2019 durch Tverskoy Vagonstroitelniy Zavod (TVZ) der Transmashholding in Tver gebaut und sind in den traditionellen Hausfarben gelb und dunkelrot lackiert, die sich noch auf den Autobussen erhalten haben. Und als grosse Neuheit für Daugavpils haben sie einen Pantographen statt einen Stangenstromabnehmer!

Alle Fotos: J. Banaudo

Übersetzung: C. Ammann

03 Mai

Lettland (3) Ventspils und das Tram von Liepāja

Von José Banaudo, Nizza

Von Rīga aus geht es nun an die Ostseeküste im Westen Lettlands, ins Kurland, lettisch Kurzeme, mit den beiden Hafenstädten Ventspils (43‘000 Einwohner) und Liepāja (84’000 Einwohner). Diese beiden Häfen sind wichtig für den Export von Erdöl und Kohle aus Russland. Auf den Bahnstrecken herrscht deshalb ein bedeutender Güterverkehr, während der Personenverkehr praktisch inexistent ist. Von Rīga aus fährt nur noch einmal wöchentlich ein Zugpaar nach Liepāja; nach Ventspils wurde der Personenverkehr 2001 eingestellt.

Nach Ventspils (deutsch Windau) kommt man somit nicht mit dem Zug, aber man kann dort trotzdem mit einem Dampfzug fahren! Im Ersten Weltkrieg hatte die deutsche Armee während ihrer Offensive von Ostpreussen aus ins damals russische Baltikum ein grosses 60 cm spuriges Feldbahnnetz errichtet. Einige dieser Strecken, vor allem im Kurland, wurden nach dem Krieg von der lettischen Staatsbahn weiterbetrieben. Als Erinnerung an diese Mazbánítis (kleinen Züge) welche Ventspils mit den Fischerdörfern an der Küste verbanden, besteht im Küstenfreilichtmuseum von Ventspils ein 60 cm-spuriger Feldbahnbetrieb mit einer 1,4 km langen Ringlinie (Riņķa) und einer 3 km langen Bergstrecke (Kalna).

Das sehr schön angelegte Küstenfreilichtmuseum befindet sich in einem Kiefernwald an der Ostsee, deren Wellen man zwar hört, aber die man kaum zu Gesicht bekommt. Gezeigt werden das bäuerliche Leben und die Fischereitradition im Kurland. Man entdeckt viele Holzbauten, alte Bauern- und Fischerhäuser, Werkstätten, Scheunen, sogar eine Windmühle. Die meisten Gebäude sind original und wurden von ihrem ursprünglichen Standort ins Museum geholt. Die Bahnhöfe der Schmalspurbahn sind Kopien typischer Stationsgebäude im Kurland. Der Lokschuppen ist ein Nachbau von Aizpute, und 2018 wurde die Ausstellung durch einem restaurierten Güterschuppen aus Mazirbe ergänzt, das einzige originale Bauwerk der Museumsschmalspurbahn. (sh. Bild unten das rötliche Holzgebäude links im Hintergrund)

Der Abfahrtsbahnhof heisst – natürlich – Muzejs (Museum). Dort gibt auch eine Ausstellung einen Einblick in die Geschichte der kurländischen Schmalspurbahnen. In Lettland erreichten die 60 cm-Bahnen zwischen den beiden Weltkriegen eine maximale Ausdehnung von 536 km und übertrafen damit bei weitem die Bahnen in 75 cm- und Meterspur. Der Museumsdampfzug fährt von Mai bis Oktober, täglich fünfmal auf der Bergstrecke nach Kalns und dreimal auf der Ringstrecke durch den Kiefernwald von Plumdale.

Im Bahnhof Muzejs befährt der Zug nach seiner Rückkehr eine Wendeschleife; im Endbahnhof Kalns wird die Dampflokomotive auf einer Drehscheibe gewendet. Der Triebfahrzeugpark umfasst  zwei Heeresfeldbahn Brigadeloks Brigadelok RIVb, MI-611 (Henschel 14437/1916) und MI-631 (O&K 7999/1915), sowie einen Dieseltraktor.

Bei unserem Besuch stand die Henschel-Brigadelok Ml-611 in Betrieb, die nach dem Ersten Weltkrieg von der lettischen Staatsbahn LDZ, später von der sowjetischen SZD auf den Strecken Ventspils–Stende im Kurland und bis 1973 in Jēkabpils–Viesite im Südosten von Lettland dampfte. Als Objekt des Eisenbahnmuseums Riga kam sie erst 2003 nach Ventspils, wurde 2011/12 in Kolín (Tschechien) hauptrevidiert und erhielt einen neuen Kessel und neue Aufbauten. Danach wurde 2013 auch die Brigadelok Ml-631 in Tschechien bei der «Ersten Koliner Lokomotivgesellschaft für Reparatur und Bau von Dampflokomotiven» aufgearbeitet.

Nach einer herrlichen Fahrt durch den Wald erreicht der Dampfzug über eine Holzbrücke im Stil der Militärbahnen des Ersten Weltkriegs den Endbahnhof Kalns. Die beiden offenen Personenwagen entstanden aus früheren offenen Güterwagen, die beiden Drittklasswagen L 519 und 520 mit offenen Plattformen sind Originalfahrzeuge der lettischen Schmalspurbahnen.

Der Dampfzug im Endbahnhof Kalns, der wie die andern Gebäude des Küstenfreilichtmuseums sorgfältig nachgebaut wurde. Der Heizer hat die Lok abgehängt und die MI-611 wird auf der Drehscheibe gewendet, bevor sie den Zug umfährt.

Nun fahren wir südwärts der Ostseeküste entlang nach Liepāja, deutsch Libau, bevölkerungsmässig die drittgrösste Stadt Lettlands. Zu Zeiten des russischen Zarenreichs kam Libau die Ehre zu, 1899 die erste elektrische Strassenbahn des Baltikums zu eröffnen. Heute betreiben die Verkehrsbetriebe Liepājas sabiedriskais transports die 7 km lange meterspurige Strecke Brīvības Iela–Mirdzas Ķempes Iela, welche die ganze Stadt von Norden nach Süden durchfährt und dabei den Bahnhof, das Zentrum und übrige wichtige Stadtteile bedient. (sh. auch Blog vom 11. 11. 2019)

Der Fahrzeugpark umfasst 16 Gelenkwagen ČKD Tatra KT4. Fünf davon sind von der sowjetischen Version SU, neu geliefert von 1983–1988 und elf von der ostdeutschen Version D, übernommen 2000–2005 aus Cottbus, Gera und Erfurt. (Bestellung neuer Fahrzeuge sh. EA 4/19, NiK). Auf dem obigen Bild sehen wir den rosaroten Wagen 246, übernommen 2005 aus Erfurt. Er wartet als Extrawagen für eine Hochzeit in der Wendeschleife der nördlichen Endstation Brīvības Iela auf die Gäste.

Der Wagen 239, erkennbar an seinen viereckigen Scheinwerfern, ist der einzige KT4D, der 2001 in Gera erworben wurde. Er hält vor dem Bahnhof von Liepāja, der heute vor allem als Autobusbahnhof dient. Denn pro Woche kommt hier aus Rīga der einzige Personenzug am Freitagabend an und fährt am späten Sonntagnachmittag wieder zurück; erstaunlich für eine Stadt von 84‘000 Einwohnern!

Der Wagen 233 biegt unweit des Hauptbahnhofs an der Rīgas iela (Riga-Strasse) ins Depot ein. Es handelt sich um einen KT4SU, also gebaut für die Sowjetunion, der 1988 neu nach Liepāja geliefert wurde. Zuvor standen in Liepāja auch die in der DDR gebauten Gotha-Trams im Einsatz, gefolgt von den klassischen T4SU.

Der Wagen KT4D 243 aus Erfurt fährt Richtung Stadtzentrum die Riga-Strasse hinunter, geprägt vom typischen altem Strassenpflaster, Bäumen und alten Holzhäusern.

Südlich des Tirdzniecības kanāls (Handelskanals), der die Lagune von Liepāja mit der Ostsee verbindet, durchquert das Tram die Innenstadt. Hier begegnen wir dem Wagen KT4D 240, 2003 übernommen aus Erfurt, in den Farben des Fussballvereins von Liepāja.

Der KT4SU 235 ist der letzte Tatrawagen, der 1988 unter sowjetischer Verwaltung nach Liepāja geliefert wurde. Hier verlässt er die Haltestelle Pētertirgus (Peter-Markt) bei der römisch-katholischen Kathedrale St.Josef.

Der südliche Teil der Tramlinie durchquert ruhige Wohngebiete, geprägt von traditionellen Holzbauten. Hier der Wagen KT4D 237, übernommen 2000 aus Cottbus, in der Krišjāņa Valdemāra iela.

Der KT4D 245 aus Erfurt erreicht die Haltestelle Jūrmalas iela in der Krišjāņa Valdemāra iela. Dieser Strassenname erinnert an Krisjanis Valdemars (1825-1891), einen lettischen Journalisten, Schriftsteller und Förderer der Seefahrt zur Zeit des russischen Zarenreichs.

Auch der KT4SU 231 gehört zur Lieferung der 22 Trams (216–235), die zu sowjetischen Zeiten 1983–1988 abgeliefert wurden. Wir begegnen ihm hier in einem südlichen Vorstadtgebiet an der Klaipēdas iela (Memel-Strasse), also an der Verbindung zum rund 100 km südlich gelegenen litauischen Hafen Klaipėda.

Die Werbung von Air Baltic kündigt neue Direktflüge nach Lettland an, auch Nizza–Riga, gute Idee für die nächste Reise. Klar, erst nach der COVID-19-Krise…

Alle Fotos: J. Banaudo

Übersetzung: C. Ammann

02 Mai

Les tramways de Rīga

de José Banaudo, Nice

Anmerkung für die deutschsprachigen Leser: Weil bereits ein ausführlicher, deutschsprachiger Blog «Trambummel in Rīga» vom 18. Februar 2019 besteht, veröffentlichen wir die 7. Folge des Berichts über die Baltikumreise vom 1.-15. September 2019 von José Banaudo in der französischen Originalversion.

Après les tourbières, nous revenons en ville à Rīga, la capitale de la Lettonie, qui possède un réseau de tramways très intéressant à voie large de 1,524 m composé de huit lignes, dont deux ne sont que des renforcements sur le trajet d’axe principaux. Son extension est officiellement de 182 km, mais en déduisant les troncs communs le développement total du réseau est de l’ordre de 60 km. L’exploitant est la régie municipale des transports Rīgas Satiksme.

D’abord le matériel moderne. Le réseau de Rīga possède vingt-six rames de construction tchèque Škoda « For City Alfa » à plancher bas. Il y a vingt rames 15T à trois éléments livrées de 2009 à 2011 et six 15T1 à quatre éléments livrées en 2012. Elles sont toutes en service sur la ligne 1 Jugla–Imanta qui traverse la ville du nord-est à l’ouest. La T1 57082 est vue ici sur l’Akmens tilts, le pont de pierre qui franchit le fleuve Daugava né en Russie, avec le clocher de l’église luthérienne St.Pierre qui domine la vieille ville à l’arrière-plan. L’angle est intéressant mais il n’est pas facile de photographier les trams sur ce pont entre les voitures qui déboulent sans arrêt !

Toujours sur la ligne 1 Imanta–Jugla, la rame Škoda 15T 57201 arrive à l’arrêt Nacionālā bibliotēka. Le bâtiment en briques à l’arrière-plan héberge le musée des chemins fer, que nous n’avons pas pu visiter vu ses horaires peu pratiques.

Toujours sur fond du clocher de St. Pierre, la rame Škoda 15T 57114 arrive à l’arrêt Prāgas iela (rue de Prague), juste après le passage sous les voies ferrées des LDZ à l’extrémité de la gare de Rīga.

Le réseau de Rīga possède soixante-deux motrices ČKD Tatra type T6B5 SU construites entre 1988 et 1990, dont une trentaine sont encore service. La firme tchécoslovaque a construit 1064 voitures de la version SU, livrée de 1983 à 1996 à vingt-cinq réseaux de l’ancienne Union Soviétique puis de la Russie. Malgré sa construction relativement récente, ce matériel est muni de perches de prise de courant, une disposition permise par la disposition en boucle de tous les terminus. La motrice 35098 de tête avec une deuxième voiture du même type, ici sur la ligne 7 Ausekļa iela–Ķengarags devant le Nacionālais teātris (théâtre national). 

La motrice T6B5 SU 35032 avec une deuxième voiture du même type vient de croiser une rame de T3 SU devant le SU devant le Centrāltirgus (marché central) avec une deuxième voiture du même type. Construites dans l’entre-deux guerres, les grandes halles réemploient une partie des structures d’ancien hangars à dirigeables Zeppelin installés par les Allemands à Vainode pendant la première guerre mondiale.

Sur la ligne 7 en direction de Ķengarags, la motrice T6B5 SU 35239 marque l’arrêt Lubānas iela. Dans ce faubourg en rive droite de la Daugava au sud-est de la ville, la ligne 7 doublée à certaines heures par les lignes complémentaires 3 et 9 suit sur plusieurs kilomètres la Maskavas Iela (rue de Moscou) bordée de maisons traditionnelles, dont beaucoup de constructions en bois.

Sur la ligne 9 Aldaris–Ķengarags qui fonctionne en renfort aux heures de pointe sur des troncs communs avec les lignes 5 et 7, la T6B5 SU 35250 croise la 35206 sur la 13. janvāra iela (rue du 13 Janvier) qui possède quelques beaux immeubles de style italien. Le nom de la rue commémore la « journée des barricades » du 13 janvier 1991, début des manifestations du peuple de Rīga pour l’indépendance de la Lettonie.

Le matériel emblématique des tramways de Rīga est la motrice à perche ČKD Tatra T3 SU. La firme tchécoslovaque a construit 13991 motrices T3 de 1960 à 1990, soit plus d’une par jour pendant trente ans ! La majeure partie, soit 11368 voitures, était destinée aux réseaux d’Union Soviétique (version SU) où trente-quatre villes en ont compté à leur parc. Rīga en possèderait 190 exemplaires, construits entre 1974 et 1987, comme la 30721 vue sur la ligne 2 Tapešu iela–Centrāltirgus dans la boucle de la station Zasulauka stacijā, proche de la gare de banlieue LDZ de Zasulauks.

La ligne 2, qui s’achève dans une zone peu dense à l’ouest de la ville, est dessertie par des motrices T3 SU isolées comme la 30689 qui passe ici devant la Nacionālā bibliotēka sur la rive gauche de la Daugava. La bibliothèque nationale de Lettonie occupe ce bâtiment inauguré en 2014, l’année où Rīga était capitale européenne de la culture.

Exploitées en rames doubles comme les T6, les T3 SU captent elles aussi le courant par une perche trolley, ce que permettent les terminus en boucle comme celui de la ligne 11 à Ausekļa iela. Les 51275 et 51286 en direction de Mežaparks.

En face de l’ancienne usine textile tekstilrūpnīca Boļševička, utilisée pour des concerts et l’art moderne, la T3 SU 30874 fonce sur la ligne 5 Iļģuciems–Mīlgrāvis peu après l’arrêt 1.trolejbusu parks (dépôt de trolleybus n° 1).

Prête à assurer un service sur la ligne 7 Ausekļa Iela–Ķengarags, la motrice ČKD Tatra T3 SU 30362 sort du dépôt de tramways n° 3 (Fridriķa ielā) dans la Maskavas iela (rue de Moscou). 

Tous les samedis et dimanches, le « Tram Retro » effectue six navettes entre Ausekļa iela et Mežaparks, sur le parcours de la ligne 11. Il est accessible sans supplément au moyen d’un billet ordinaire des transports de Rīga et stationne ici au terminus de Mežaparks qui dessert un parc forestier de loisirs proche d’un lac au nord de la ville.

De retour de Mežaparks vers le terminus urbain d’Ausekļa iela, le « Tram Retro » roule le long de l’allée boisée du Kokneses Prospekt près de l’arrêt Mirdzas Kempes iela. La motrice a été reconstruite en 1982 sur un modèle original de 1909 des tramways de Rīga.

Texte et photos: J. Banaudo

1 2 3 4