28 Jan

Winterferien im Illertal im Allgäu

Der Klassiker im Illertal ist der Dorfblick von Altstädten. In der Dorfmitte ragt der Zwiebelturm der Kirche Peter und Paul aus den typischen Allgäuer Häusern heraus. Im Hintergrund thront der “Wächter des Allgäus”, der Berg Grünten über allem. Im letzten Sonnenlicht des 21. Januars 22 beschleunigt die 218 429 mit ihrem IC 2085 auf dem Weg nach Oberstdorf.
Einmal um 180 Grad zum oberen Bild gedreht geht der Blick in Richtung Westen. Ob der dicken Wolkenbänder bangte ich lange um das obige Sonnenbild. Zum Schluss hat es doch noch geklappt. Glück muss man einfach haben.

Winterwandern im Allgäuer Illertal

Manchmal tut eine kleine Auszeit der Seele gut. Wenn dann noch ein bisschen interessanter Eisenbahnbetrieb herrscht, glitzernder Schnee liegt und die Sonne scheint, dann ist das Glück des Fotografen perfekt.

So fuhr ich mit der Bahn von der Ostschweiz über St. Margrethen, Bregenz, Lindau bis nach Immenstadt im Allgäu. Von dort sind es noch ca. 15 km bis nach Fischen im Illertal. Streckenende ist in Oberstdorf, welches als Austragungsort der Vierschanzentournee recht bekannt ist. Von Fischen aus lässt es sich auf bequemen Winterwanderwegen entlang des Flusses Iller entweder in Richtung Langenwang – Oberstdorf oder in die entgegengesetzte Richtung nach Altstädten und Sonthofen recht gut wandern. Immer wieder mal kreuzen die Wanderwege die Stichstrecke, welche interessanten Bahnbetrieb aufweisen kann.

Allmorgendlich kurz vor 10 Uhr starten in Oberstdorf die beiden IC 2012 nach Dortmund und der IC 2084 nach Augsburg. Sie bieten den Urlaubsgästen aus dem Norden und dem Ruhrgebiet eine umsteigefreie Anreise nach den Allgäuer Urlaubsorten. Seit dem letzten Fahrplanwechsel werden die beiden IC durch Dieselloks der Baureihe 218 des Betriebshofes Kempten bis Stuttgart bzw. bis Augsburg befördert. Die Rückkehr des IC 2085 aus Augsburg ist in Oberstdorf kurz nach 16 Uhr und der des IC 2013 aus Dortmund kurz nach 18 Uhr.

Jetzt während der eher kurzen Sonnenzeit im Winter lassen sich am Vormittag beide IC bereits gut mit Licht aufnehmen. Am Nachmittag passt es für den IC 2085 ganz gut im weichen Nachmittagslicht, während es für den IC 2013 bereits schon dunkel ist. Die Regionalzüge nach Augsburg und München werden durch die bewährten Regioswinger der BR 612 gefahren, die Züge nach Ulm mit den neuen Pesa Link Triebzügen der BR 633 aus polnischer Produktion. Der Fahrplan ist relativ engmaschig. Alle 30 Minuten kommt ein Zug daher gefahren und bietet die eine oder andere Fotomöglichkeit.

So sind meine Ferientage recht schnell vorüber gegangen. Wenn man dann noch ein nettes Hotel mit Sauna hat, dann kann man sich abends vom laufen entspannen und von der Kälte wieder aufwärmen. 

Vormittags gegen 10 Uhr starten die beiden IC 2084 und 2012 von Oberstdorf in Richtung Augsburg und Dortmund. Am kleinen Fluss, der durch den Kurpark von Fischen fliesst, fährt der IC 2012 mit zwei Dieselloks der BR 218 vorbei. Wegen der Kälte schweben über dem Fluss noch ein paar Nebelschwaden.
Bei Langenwang/Schwaben begegnet uns ein neuer Triebwagenzug der BR 633 Pesa Link aus polnischer Produktion. Diese Triebwagen verkehren meist zwischen Ulm und Oberstdorf.
Gerade erst vor einigen Minuten kam die Sonne hinter den hohen Allgäuer Bergen hervor. Der IC 2012 durchfährt den Bahnhof von Langenwang/Schwaben.
Eines Vormittags hielten sich dicke Wolkenbänder an den hohen Bergen. Mit etwas Kreativität sind auch bei solchen Lichtstimmungen besondere Aufnahmen möglich. Der IC 2084 durchfährt gerade den Malerwinkel bei Unterthalhofen.
Die Regioswinger der BR 612 verkehren meist von Oberstdorf mit Ziel Augsburg und München. Hier kurz nach dem Sonnenuntergang bei Unterthalhofen.
Kurz vor Sonnenuntergang kommt der IC 2085 ganz pünktlich von Augsburg angefahren. Den Grünten umhüllt bereits ein Wolkenband. Dem Fotograf ist das Glück vergönnt, den IC im letzten Licht aufzunehmen. Kurz nach Langenwang.
Um 18 Uhr hält der IC 2013 von Dortmund nach Oberstdorf zum Ausstieg für die Feriengäste in Fischen. Nur noch wenige Kilometer, und der Zug hat sein Tagesziel erreicht.
15 Jan

Eine Regenfahrt ins Centovalli

Margrit, ihr Mann Rene und ich sitzen gemütlich im Ristorante della Statione in Ponte Brolla unweit von Locarno. Jeder von uns hat eine grosse Pizza auf seinem Teller und ob der Grösse sind wir beim Essen schon am Kämpfen. Draussen regnet es dicke Bindfäden. Typisch Tessin, denn wenn es dort einmal zu regnen beginnt, dann hört es nicht mehr auf. Die fetten Wolken verharren zwischen den hohen Bergflanken und erleichtern sich um ihr Nass. Heute ist so ein Tag. Von der „Tessiner Sonnenstube“ ist nichts zu spüren.

Rene kann sich auf seine Pizza Prosciutto gar nicht richtig konzentrieren, denn bald einmal müsste der Nostalgietriebwagen der FART (Ferrovie autolinea regionali ticinese) von seiner Vormittagsfahrt aus Camedo zurückkehren. Als sich die Barrieren senken, stürmt er mit dem Foto bewaffnet nach draussen zum Perron. Der Triebwagen ABDe 6/6 31 hat Einfahrt in die Station Ponte Brolla. Nach einer Weile kommt Rene wie ein begossener Pudel wieder in die Gaststube zurück. Margrit und ich schauen uns schmunzelnd an.

Bis zur Nachmittagsfahrt haben wir noch zwei Stunden Zeit. Wir plaudern über unser Hobby und trinken noch in Ruhe einen Kaffee. Draussen wird der Regen zum Glück etwas schwächer, allerdings hängen die Wolken ganz tief in den Bergen und es ist sehr dunkel. An das Fotografieren von schnell fahrenden Zügen ist im Moment nicht zu denken. Nach dem Bezahlen begeben wir uns auf die kleine Station. Laut Fahrplan kreuzt der Nostalgiezug auf seiner zweiten Fahrt in Ponto Brolla einen planmässigen Regionalzug.

So langsam wird es Zeit und die Züge sollten anrollen. Die beiden Barrieren senken sich und der Extrazug fährt ganz langsam in die Station. Die drei grossen Frontscheinwerfer spiegeln sich auf den nassen Schwellen des Übergangs zum Mittelperron. Ein paar mit Regenschirmen bewaffnete Frauen warten auf den Regionalzug. Schade, dass es heute so ein Sauwetter hat. Wir können uns den Tag leider nicht aussuchen, da wir gerade am Lago Maggiore Ferien machen. Wir werden das Beste daraus machen.

Unterhalb von Intragna.

Da wir den Zug mit der bergigen Landschaft des Centovalli fotografieren möchten, steigen wir nicht in den Zug. Als der Triebwagen die Station Ponto Brollo verlassen hat, setzen wir uns ins Auto und fahren ihm in Richtung Camedo nach. Die Kantonsstrasse folgt weitgehend der Bahnstrecke. Vor Intragna haben wir den Triebwagen überholt. Gemächlich rumpelt er mit seinem vierachsigen blau-creme lackierten Anhänger über die grosse Stahlbrücke. In Intragna kreuzt der Nostalgiezug mit einem Personenzug.

Die FART umrundet Intragna in einem weiten Bogen.

So haben wir die Chance auf ein zweites Bild mit Sicht auf das Dorf Intragna. Oberhalb des Ortes hat es eine tolle Fotostelle mit Blick auf die Kirche San Gottardo. Tief unten überquert die FART ein in einer Kurve liegendes Steinviadukt. Wie schön muss die ganze Szenerie wohl bei Sonnenschein sein? Daran darf ich gar nicht denken. Trotz des bescheidenen Wetters warten hier noch weitere Fotografen auf den Zug. Ganz langsam fährt er quietschend durch die engen Bögen. Es gelingen uns fast mystische Aufnahmen. Die Scheinwerfer stahlen weit nach vorne und leuchten alles in warmen Gelbtönen aus.

Die Strasse wird immer kurviger und schmäler. Sie schmiegt sich an den steilen Bergverlauf. Mit vielen engen Kurven und durch einige kürzere Tunnels gewinnt die Bahnlinie zügig an Höhe. Bei Km. 13 ab Locarno folgt die Grenzstation Camedo. Danach führt die Strecke weiter nach Italien. Bis Domodossola sind es insgesamt 46 Km.

Unser Nostalgiezug endet heute in Camedo. Nach dem Abkuppeln muss der Triebwagen den Personenwagen umfahren. Der Anhänger C 120 ist aus den zwanziger Jahren. Innen ist er mit Holzbänken und historischen Deckenlampen ausgestattet. Bei der kalten Witterung sind die Scheiben durch die hohe Luftfeuchtigkeit beschlagen. Trotz des trüben Wetters herrscht bei den Mitreisenden eine ausgelassene Stimmung. Unter dem Dach des Stationsgebäudes steht ein „Empfangskomitee“ von Einheimischen. Ein älterer Mann gibt mit seiner Ziehharmonika und unter tatkräftigem Singen seiner Unterstützerinnen folkloristisches Liedgut zum Besten.

In der Station Camedo.
Fabrikschild am ABDe 6/6 31.

Der Bahnhof ist natürlich nicht mehr durch örtliches Personal besetzt. So muss der Wagenführer zum Umfahren des Personenwagens den Triebwagen nach der Ausfahrtweiche anhalten und zu Fuss zum Stationsgebäude gehen. In der Wand des Stationsgebäudes befindet sich in einem Schaltschrank das Stellwerk. Dort stellt der Wagenführer die Weichen für die Rangierfahrt auf Ablenkung. Zurück im Triebwagen wird erstmal laut gepfiffen. Dann setzt sich der Triebwagen langsam in Fahrt und rumpelt über die Weiche durch das Ausweichgleis. Bevor er den Personenwagen wieder Ankuppeln kann, muss er nochmals zum Stellwerk laufen und die beiden Weichen wieder umstellen. Nachdem die Rangierarbeiten erledigt sind, hat das Personal eine halbe Stunde Pause.

In Camedo muss der Wagenführer das örtliche Stellwerk bedienen.
Folkloristische Einlage für die Reisenden in Camedo.

Jetzt ist die Zeit für Standfotos und Gespräche mit dem freundlichen Personal. Der Triebwagenführer und sein Kondukteur führen die Nostalgiefahren in ihrer Freizeit ehrenamtlich aus. Die FART stellt dafür die Fahrzeuge zur Verfügung. Nur auf dieser Basis können diese nostalgischen Extrafahrten angeboten werden. Der Triebwagen ABDe 6/6 31 wurde 1962 von Schindler Waggon in Pratteln erbaut. Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre beschaffte die FART und ihr Italienisches Pendant SSIF (societa subalpina di imprese ferroviarie) mehrere Triebwagen in zweiteiliger und dreiteiliger Ausführung.  Sie bildeten lange Jahre das Rückgrat des Personenverkehrs im Centovalli. In den neunziger Jahren wurden sie durch modernere Triebwagen abgelöst. Noch dient unser Nostalgietriebwagen als eiserne Reserve. Ende kommenden Jahres wird Stadler der FART acht neue behindertengerechte Triebwagen liefern. Je vier drei- und vierteilige Triebwagen. Ob die nostalgischen Extrafahrten weiterhin mit dem alten Triebwagen angeboten werden können, ist noch nicht bekannt. Es wäre natürlich schön, wenn aus der Epoche der sechziger Jahre weiterhin dieser schmucke Triebwagen für Sonderfahrten zur Verfügung stünde.

Der AB 110 ist mit Baujahr 1923 eines der ältesten Fahrzeuge der FART.

Die Abfahrtszeit für die Rückfahrt nach Locarno naht. Langsam gehen wir zum Auto zurück. Nach Camedo überquert die Bahn das grosse Ruinacci Stahlviadukt. Dieses überspannt ein tiefes Seitental. Unten fliesst friedlich der Fluss, hoch oben überquert der blau-creme Zug diese Schlucht. Wir fahren über die Kantonsstrasse weiter talwärts. Nach einer engen Kurve führt ein hohes Steinviadukt direkt über die Strasse. Wie eine Miniaturbahn fährt die nostalgische Komposition mit höchstens 40 km/h darüber. Nach dem Haltepunkt Carcapole gelingen uns weitere Bilder. Die Strasse und Bahn kleben an den steilen Wiesenhängen.

Das Ruinacci Stahlviadukt unterhalb Camedo.

Der Regen hat mittlerweile zum Glück aufgehört und ganz hinten im engen Bergtal lockert die Wolkendecke sogar auf. Unser Zug ist nun zügig talwärts unterwegs. Ein letztes Fotomotiv gelingt uns bei Tegna mit der Kirche S. Maria Assunta.

Mit einigen guten Bildern fahren wir zufrieden nach Locarno zurück. Margit und Rene verabschieden sich von mir. Unser Wunsch ist, die ganze Fahrt bei sonnigem Wetter nochmals zu wiederholen. Wer weiss, vielleicht gibt es in diesem Jahr wieder Gelegenheit dazu. Dann freuen wir uns auf die Tessiner Sonnenstube und das südliche Flair des Centovalli Tals. Und natürlich auf ein Wiedersehen mit dem netten Zugpersonal.

Steinbogenviadukt.
Ein letztes Bild gelingt uns bei Tegna mit der Kirche S. Maria Assunta.

Die Konzession/Genehmigung für die Fahrten in diesem Jahr sind beim BAV in der Genehmigungsphase. Sie finden einmal im Monat an einem Sonntag statt. Es wird jeweils eine Fahrt am Vor- und am Nachmittag von Locarno nach Camedo angeboten. Näheres unter www.vigezzinacentovalli.com/de

Alle Bilder wurden am 19. September 2021 aufgenommen.

Von Herrn R. Schulter aus Basel haben wir zu diesem Blog in verdankenswerter Weise die folgenden historischen Bilder erhalten:

 

ABFe 4/4 Nr. 17 der SSIF; Einfahrt in Santa Maria Maggiore. Foto 1974, R. Schulter
“ABFe” 4/6 (so angeschrieben) Nr. 32 der FART in Camedo (ohne Musik-Empfang…). Foto 1974, R. Schulter
SSIF ABFe 4/4 Nr. 13 neben einem ex Tram aus Locarno (ex Rheintalische Strassenbahn). Foto 1972, R. Schulter