20 Feb

Dampfbetrieb GySEV (3)

von José Banaudo

Nun folgt der letzte Teil der Fotos von unserem Ausflug an die österreichisch-ungarische Grenze. Es ist immer noch der 1. April 1975, und wir begegnen im Bahnhof Ebenfurth wieder der 520.018. Wir sind hier 27 km von der Grenze entfernt, rund 40 km von Wien und rund 60 km von Bratislava. Die GySEV mündet hier in die sogenannte Pottendorfer Linie, die östlich der wichtigen «Südbahn»-Hauptstrecke zum Semmering ebenfalls Wien und Wiener Neustadt miteinander verbindet.

Auf dem untern Bild stehen wir vor dem langgezogenen, sehr einfachen Aufnahmegebäude von Ebenfurth. So wie auf vielen Strecken Mitteleuropas, die früher zur Donaumonarchie gehören, fehlten damals auch in Ebenfurth eigentliche Zwischenperrons. In den Bahnhöfen lagen die Gleise einfach in einer sorgfältig planierten Anlage.

Am gedeckten GySEV-Güterwagen fällt die UIC Immatrikulation mit der Nummer 43 auf, was seinen internationalen Austausch ermöglichte.  Zu jener Zeit gab es nur wenige Privatbahnen, die dem internationalen Eisenbahnverband UIC angehörten, etwa die BLS, die Mailänder Nordbahn FNM und das nordfranzösische Kohlenbahnnetz «Réseau des Houillères du Bassin du Nord et du Pas-de-Calais».

Als Parallelstrecke zur Semmeringbahn wurde die Pottendorfer Linie Wien–Wiener Neustadt ab 29. April 1974 (einen Monat vor unserem Besuch) von den ÖBB elektrisch betrieben. So war es nun möglich, in Ebenfurth Vertreter aller drei Traktionsarten zu begegnen. Die vierachsige 1040.02 gehört zu einer Serie von 16 Maschinen, die 1950–1955 gebaut wurden, die vierachsige 2143.04 ist eine von 77 Diesellokomotiven, die 1964 –1977 in den Dienst gestellt wurden und zusammen mit der sehr ähnlichen Baureihe 2043 als Universallokomotiven das Rückgrat des ÖBB-Triebfahrzeugparks für nicht elektrifizierte Strecken bildeten.

Auf Bild unten rangiert die 520.018 im Güterbahnhof von Ebenfurth, um ihren Zug zurück nach Ungarn zu formieren. Links sind eine weitere Diesellok der Baureihe 2143 und eine vierachsige elektrische Lok der ÖBB-Baureihe 1042 zu sehen, die in 257 Exemplaren zwischen 1963 und 1977 beschafft wurden. Rechts ein Propangas-Kesselwagenzug aus der Sowjetunion, dessen Drehgestelle am Grenzbahnhof Tschop gewechselt wurden, zusammen mit dem Austausch der halbautomatischen russischen Zentralkupplung gegen die konventionelle Kupplung. Die kyrillischen Anschriften beschreiben den Inhalt der Wagen.

Nun folgen Bilder von der GySEV, (nur) drei Monate später, während einer Reise, die uns in die Südtürkei führte, um dort die letzten ehem. SNCF-150 X (deutsche BR 44, 1’E-h3) bei der türkischen Staatsbahn TCDD zu sehen. Unsere Reise am 30. Juni 1975 durch Österreich ging über Ebenfurth–Sopron. Doch das Wetter war noch schlechter als im Frühjahr !

Hier sehen wir die 520.030 der GySEV in Wulkaprodersdorf. 1943 gebaut von Krauss-Maffei als 52.3535 der DR, wurde sie 1945 in der Sowjetunion zur TÄ 3535, dann 1963 in Ungarn zur 520.030. Heute ist sie südöstlich von Sopron im ungarischen Bahnhof Fertőboz aufgestellt, am Ausgangort einer touristischen 760 mm-Schmalspurbahn.

Im kleinen Heizhaus von Wulkaprodersdorf wird die 520.083 mit Wasser versorgt. Der Wannentender mit selbsttragendem, rahmenlosen Kasten (nach dem Vorbild der Kesselwagen) hat eine Kapazität von 30 m3 und ist typisch für die deutschen «Kriegslok» der Baureihe 52.

Die 520.083, hier am Fuss des Kohlenkrans, hat wie ihre Schwestern eine bewegte Geschichte: Sie wurde 1943 von Schichau in Elbing in Ostpreussen gebaut, heute Elbląg (Polen). Kürzere Zeit trug sie bei der DR die Nr. 52.5595, wurde dann 1945 zur TÄ 5595 der SZD, 1963 zur 520.083 der MÁV.

Dieser lange Güterzug nach Ebenfurth wird in Wulkaprodersdorf formiert, mit der 520.030 an der Spitze und der 520.083 als Schiebelok.

Ausgangs Wulkaprodersdorf erkennt man links hinter der 520.030 die Gleise der ÖBB-Strecke nach Eisenstadt–Parndorf (an der Hauptstrecke Wien–Budapest), die sogenannte «Pannoniabahn» oder «Leitha-Gebirgsbahn».

Die 520.083 schiebt mit voller Kraft in der Ausfahrt des Bahnhofs Wulkaprodersdorf.

Unter erbärmlichem Fotowetter dampft die 520.030 bei Müllendorf ein Kohlfeld entlang.

Unter dem Regen nähert sich der Güterzug Neufeld an der Leitha.

Die 520.030 fährt im Bahnhof Neufeld an der Leitha ein, wo Tausende von Rundholzstämmen auf den Verlad warten.

Mit diesem letzten Bild von der 520.030, kurz vor Ankunft in Ebenfurth verabschieden wir uns von der damaligen GySEV.

Was ist seither in rund 45 Jahren geschehen? Diese Strecke wurde 1987 elektrifiziert, die Neusiedlerseebahn 2004 und zwar mit «ungarischer Spannung», 25 kV Einphasen-Wechselstrom 50 Hz, welche damit diskret ins ÖBB-System mit 15 kV 16,7 Hz eindringt. Die GySEV hat den Betrieb aller Strecken in Westungarn übernommen, wo ihre Hausfarben gelb/grün nun auf den modernen Fahrzeugen des 21. Jahrhunderts zu sehen sind, auf den «Flirt» von Stadler und Siemens-Lokomotiven (Baureihe wie «ÖBB-Taurus» und «Vectron») Die Zeit der urtümlichen Dieseltriebwagen Bamot und ABbmot, der kräftigen 520er und der zierlichen Tenderlokomotiven liegt weit zurück in unseren jungen Jahren und gibt den Bildern trotz Mangel an technischer Perfektion und miserablem Wetter historischen Wert!

Alle Fotos: J. Banaudo

Übersetzung: C. Ammann

18 Feb

Dampfbetrieb GySEV (2)

von José Banaudo

Kehren wir zurück an die Grenze zwischen Österreich und Ungarn am 1. April 1975. Auch in Schattendorf an der Strecke Sopron–Ebenfurth war der «Eiserne Vorhang» ernste Realität, mit Grenzzaun, Stacheldraht und einem Wachtturm. Nachdem der Soldat mitbekommen hatte, dass wir keinen Grenzübertritt beabsichtigten, inspizierte er wieder die Wagen des zu seinen Füssen passierenden Güterzugs Sopron–Ebenfurth.

Die Rauchfahne weit hinten lässt auf eine Schiebelokomotive am Schluss des sehr langen Zugs schliessen. Hinter der Zuglok wird ein zweiachsiger Wagen für den Zugführer und allfälliges Rangierpersonal mitgeführt.

Die Spitzenlok 520.020 hat nun schon Österreich erreicht, der Zugschluss ist noch in Ungarn (Bild unten). Die Farbe des Schotters verrät die Grenze! Diese «Kriegslok» wurde 1944 von MBA Schwartzkopff als 52.3897 der Deutschen Reichsbahn gebaut. Erbeutet von der Sowjetunion und bezeichnet als TÄ TE 3897 kam sie 1963 nach Ungarn und erhielt die Nummer 520.020. Bei der GySEV stand sie 1964–1976 im Einsatz.

Hier die Schiebelok 520.075, 1943 gebaut von Borsig. Sie war erst die 52.464 der DR, dann TÄ 464 der , dann 520.075 der MÁV. Offiziell ausrangiert 1981 ist sie eine der wenigen ungarischen «Kriegslok» die noch existieren, aufgestellt im Depot Hatvan im Nordosten von Budapest.

Die langgezogene Kurve von Baumgarten ermöglicht den Überblick auf den Zug mit etwa 40 Wagen mit der Schiebelok.

Wenn man den Zug von oben betrachtet, begreift man, warum der ungarische Grenzsoldat auf seinem Wachtturm den Zug aufmerksam nach allfälligen Flüchtlingen kontrolliert hat, die sich in der Ladung hätten verstecken können.

In der Kurve von Drassburg, mit schweren Gleisen auf gutem Schotterbett verlegt, wird der Unterschied zur in der Folge 1 gezeigten Neusiedlerseebahn offensichtlich.

Im Bahnhof Wulkaprodersdorf kreuzt unser Güterzug nach Ebenfurth ohne Halt die 520.018, die – Tender voran – an der Spitze eines Gegenzugs Richtung Ungarn zurückfahren wird. Wir sind dieser Maschine bereits in der Folge 1 begegnet. Sie wurde 1944 von Škoda als 52.7443 für die DR gebaut, wurde TÄ 7443 der SZD und dann 520.018 MÁV, bevor ihre Karriere 1979 bei der GySEV endete.

In Müllendorf verläuft die Strecke in weiten Kurven am Fuss der Hügelkette, die das Leithatal vom Neusiedlersee trennt.

Die ungarischen 520er haben aus ihrer sowjetischen Zeit eine Rauchkammertüre mit kleinerem Durchmesser behalten, typisch für die russischen Dampflokomotiven und inspiriert aus Nordamerika.

Der Zug fährt am typischen österreichischen Formsignal von Neufeld an der Leitha vorbei. Dies ist der letzte burgenländische Bahnhof, bevor Niederösterreich beginnt. Nicht weit davon verläuft die Leitha, Zufluss der Donau, welche bis 1918 die beiden Reichshälften trennte, «Cisleithanien» (Kaiserreich Österreich) und «Transleithanien» (Königreich Ungarn).

Nun kommen wir bald nach Ebenfurth, Endpunkt der GySEV. Dies wird das Ziel der 3. und letzten Folge dieses Reiseberichts von 1975.

Alle Fotos: J. Banaudo

Übersetzung: C. Ammann

16 Feb

Die Vorortspendelzüge der RhB – Teil 2

Im ersten Teil haben wir auf den grundlegenden Aufbau der Vorortspendelzüge der Rhätischen Bahn geschrieben. Dieser erweiterte Artikel widmet sich hauptsächlich den elektrischen Ausrüstungen dieser Fahrzeuge.

Be 4/4 511 am 26.03.1971 in Landquart (Foto: Gian Brüngger)

Elektrische Ausrüstung

Die Grundeinheit der Vorortszüge besteht aus Triebwagen, Zwischenwagen und Steuerwagen (Dreiwagenzug) mit einem Totalgewicht von 86 t (inklusive Nutzlast). Bis drei Dreiwagenzüge können in Vielfachsteuerung verkehren. Der Einsatz im Vorortsverkehr bedingt häufige Anfahrten und Verzögerungen. Die maximal zulässige Streckengeschwindigkeit soll raschmöglichst erreicht werden. Um den Verschleiss an Bremsscheiben und -klötzen auf ein erträgliches Mass zu beschränken, ist eine leistungsfähige elektrische Bremse unumgänglich. Von der elektrischen Ausrüstung wird bei dieser Betriebsart in kurzer Zeiten die maximale Leistung verlangt. Für die Sportzüge anderseits wird eine mittlere Leistung während längerer Zeit verlangt. Auch für diesen Betriebsfall ist eine wirkungsvolle elektrische Bremse notwendig.

Um die vorerwähnten Anforderungen erfüllen zu können, ist eine Stundenleistung von 1000 PS notwendig. Mit dieser Leistung ist genügend Reserve vorhanden, um im Vorortsverkehr gegebenenfalls einen weiteren Wagen mitzuführen. Die maximale Anfahrzugkraft wurde unter Berücksichtigung der Adhäsion so festgelegt, dass der Pendelzug (Dreiwageneinheit) auf den für den Vorortsverkehr vorgesehenen Strecken mit maximal 08. m/s2 beschleunigt werden kann. Auch im Gefälle von 45 ‰ ist es möglich, den vollbelasteten Zug mit der elektrischen Bremse in Beharrung zu halten oder zu verzögern.

Der Triebwagen ist als Thyristorfahrzeug konzipiert, das heisst, die Zugkraftreglung erfolgt stufenlos. Durch die Anwendung dieser modernen Technik ergeben sich verschiedene Vorteile wie zum Beispiel ruckloses Beschleunigen durch den Wegfall der Schaltstufen, volle Ausnutzung der Anfahrzugkraft, günstiges Verhalten im Bezug auf das Schleudern, kein Unterhalt der Schaltapparatur usw. Im weiteren ist zu bemerken, dass bei dieser Leistung und der gewählten Schaltung der Hauptstromkreise die Störung der Telephon- und Radioeinrichtungen durch Oberwellen sehr klein ist.

Einen weiteren wichtigen Teil eines modernen Traktionsfahrzeuges stellt die elektronische Steuerausrüstung dar. Die Vorteile eines Hochleistungs-Thyristortriebfahrzeuges, wie es die Vorortstriebwagen der Rhätischen Bahn darstellen, können überhaupt erst mit Hilfe der elektronischen Steuereinrichtung voll zur Geltung gerbacht werden.

Bei der bereits erwähnten häufigen Anfahrten und Beschleunigungen im Vorortsverkehr muss der Lokführer von der manuellen Bedienung des Fahrzeuges weitgehend entlastet werden, damit er sich voll und ganz der Streckenbeobachtung widmen kann. Durch die automatische Beschleunigungs- und Verzögerungskontrolle ist Gewähr geboten, dass die vorgeschriebenen Geschwindigkeiten möglichst rasch erreicht werden und damit kürzeste Fahrzeiten überhaupt erst möglich sind.

Der Steuerwagen 1711 des modenern Pendelzuges am 26.03.1971 in Landquart (Foto: Gian Brüngger)

Die Pendelzüge erhielten eine Geschwindigkeitsregelung mit vorwählbarer Geschwindigkeit, Beschleunigungs-, Verzögerungs- und Stromregelung, Schleuder- und Gleitschutz und Wirkung auf die elektropneumatische Bremse des ganzen Zuges. Im normalen Fahrbetrieb stellt der Lokführer den Fahrhebel auf die gewünschte Geschwindigkeit. Die elektronische Steuereinrichtung beschleunigt das Fahrzeug unter Einhaltung der vorgegebenen Werte für Beschleunigung und Strom auf die vorgewählte Geschwindigkeit. Diese Geschwindigkeit wird nun vom Regler konstant gehalten, bis der Führer eine andere Geschwindigkeit vorwählt. Die Automatik kann durch eine im Fahrhebel eingebaute Drucktaste ausgeschaltet werden, was gestattet, bei genügender Fahrzeit den Zug ausrollen zu lassen.

Beim Bremsen, das heisst bei Talfahrt im Gefälle oder beim Vorgeben einer kleineren Geschwindigkeit bzw. Anhalten (durch Stellen des Fahrschalters auf 0), wird zuerst durch die Automatik die elektrische Bremse eingeschaltet. Genügt ihre Bremswirkung zur Erzielung der verlangten Verzögerung nicht, oder nimmt ihre Bremskraft bei kleinen Geschwindigkeiten ab (bedingt durch die Charakteristik), so wird automatisch die pneumatische Bremse zusätzlich betätigt.

Triebwagen des Zuges mit dem zweiten Führerstand am 26.03.1971 in Landquart (Foto: Gian Brüngger)

Die elektronische Steuereinrichtung ist weitgehend aus integrierten Schaltkreisen aufgebaut. Die einzelnen Komponenten sind auf steckbaren Prints aufgebaut. Eine Verklinkung sichert die einzelnen Einheiten gegen das Herausfallen. Die einzelnen Prints werden in normalisierten 19 Zoll Einschüben zusammengefasst. Diese robuste und platzsparende Bauart hat sich auf vielen Traktionsfahrzeugen bereits bestens bewährt.

Wie bereits erwähnt, können drei Dreiwageneinheiten zusammen in Vielfachsteuerung verkehren und von einem Führerstand aus bedient werden.

Die Steuer- und Heizleitungen werden dabei durch die auf der automatischen +GF+-Kupplung montierte Sécheron-Vielfachkupplung selbstätig verbunden.

Führerstand des neuen Zuges am 26.03.1971 in Landquart (Foto: Gian Brüngger)

Die Pendelzüge weisen automatische Türen auf, wobei der Fahrgast die entsprechende Türe durch eine Drucktaste vorwählt. Die Öffnung oder Schliessung erfolgt erst durch den entsprechenden Befehl des Lokführers. Zusammen mit der Lautsprecheranlage mit Innen- und Aussenlautsprechern trägt die Türsteuerung zu einem raschen Fahrgastwechsel und somit kurzen Aufenthaltszeiten bei.

Wie dieser kurze Überblick zeigt, weisen die Fahrzeuge einige wichtige Neuerungen auf. Die Entwicklung eines derart neuen Triebfahrzeuges, das vielfältige Anforderungen genügen muss, setzt naturgemäss eine enge Zusammenarbeit zwischen den entsprechenden Dienststellen der Bahn sowie den betreffenden Erstellerfirmen voraus, welche im vorliegenden Fall zufriedenstellend funktionierte.

Die Inbetriebsetzung von drei der neuen Vorortszügen bei der RhB erfolgte offiziell auf den Beginn des Sommerfahrplans vom 23. Mai 1971. Der vierte Zug folgte etwas später.

(Quelle: Archiv RhB, Archiv EA, Franz Skvor und Gian Brüngger)

14 Feb

Dampfbetrieb GySEV (1)

von José Banaudo

Im Frühling 1975 besuchte ich mit zwei Freunden Österreich. Noch immer waren dort Dampflokomotiven in Betrieb. Und es kamen auch Dampfloks der östlichen Nachbarbahnen nach Österreich. So begegnete man tschechoslowakischen Dampfloks in Gmünd und Summerau, jugoslawischen in Spielfeld-Strass sowie ungarischen in Neusiedl am See und Ebenfurth, ohne Gefahr zu laufen, danach wegen eines «strategisch hoch gefährlichen» Fotos auf einem Polizeiposten zu landen!

Ende März war es erst auf dem Kalender Frühling. Der Himmel war grau, es war kalt und nass, als wir – etwa 60 km südlich von Wien – im Burgenland ankamen. Geographisch gesehen ist das Burgenland der äusserste, westlichste Teil der ungarischen Tiefebene. Unter der Donaumonarchie gehörte es zu Ungarn, Transleithanien. Nach dem Ersten Weltkrieg beanspruchte Österreich den deutschsprachigen Teil Westungarns. Das Gebiet des heutigen Bundeslands Burgenland kam aber nach längeren Konflikten erst 1921 an Österreich.

Die so entstandene neue österreichisch-ungarische Grenze zerschnitt das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter ungarischer Verwaltung gewachsene burgenländische Bahnnetz. Seine 118 km lange Hauptachse führte von den ungarischen Städten Győr und Sopron nach dem österreichischen Bahnhof Ebenfurth, wo  Anschluss Richtung Wien und Richtung Semmering besteht. Diese Strecke war zwischen 1876 und 1879 durch eine Privatbahn mit zweisprachigem Namen entstanden: Die Győr–Sopron–Ebenfurti Vasut (GySEV) / Raab–Oedenburg–Ebenfurther Eisenbahn (ROeEE).

Eine weitere Verbindung entstand 1897 mit der 49 km langen Nebenbahn Fertőszentmiklós–Neusiedl am See, die 1897 eröffnete Fertővidéki Helyiérdekű Vasút (FHEV) / Neusiedler See Bahn (NSB), gebaut und betrieben von der GySEV. Hier beginnen wir mit unserem Besuch.

Unsere erste Begegnung mit der GySEV fand am 31. März 1975 im Bahnhof Neusiedl am See statt (Bild unten). Links ein ungarischer Dieseltriebwagen Bamot der Serie 701-702, gebaut 1962 durch Rába in Győr  für die Staatsbahn Magyar Államvasutak (MÁV), übernommen 1971 von der GySEV. In der Mitte und rechts zwei Dieseltriebwagenzüge der OBB-Baureihe  5045 / 5145, die zwischen 1952 und1957 durch SGP gebaut wurden. Sie begannen ihre Karriere als «Blauer Blitz» im nationalen und internationalen Schnellzugsverkehr, etwa von Wien nach Berlin und Venedig, fanden aber nach zunehmender Elektrifizierung schliesslich im Regionalverkehr, etwa im Burgenland und im Weinviertel Verwendung.

Am nächsten Tag, dem 1. April 1975 waren wir bei tief verhangenem Himmel in Pamhagen. Der «Eiserne Vorhang», gekennzeichnet mit der Warntafel «Achtung Staatsgrenze» und neben dem Gleis mit zwei weissen Grenzsteinen mit dem Buchstaben Ö war brutale Realität. Auf ungarischer Seite beobachteten uns vom Wachtturm aus bereits die Grenzsoldaten mit Feldstechern. Doch keine Angst, wir blieben auf österreichischem Gebiet!

Nach der kommunistischen Machtübernahme 1949 in Ungarn blieb der internationale Status der Strecken nach Ebenfurth und Neusiedl am See überraschenderweise erhalten. Die GySEV blieb eine privatrechtlich organisierte Aktiengesellschaft, befand sich aber durch die Zwangsenteignung der Eigentümer in ungarischem Staatsbesitz. Trotz allen Spannungen im «Kalten Krieg» blieb der grenzüberschreitende Personen- und Güterverkehr erhalten. Hier sehen wir den morgendlichen Güterzug Fertőszentmiklós–Neusiedl am See auf dem damals charakteristischen schwachen Oberbau mit Kiesbett.

Die 1’C1′-Tenderlok 123 ist eine von 6 Maschinen dieses Typs der GySEV. Gebaut 1925 von Magyar Királyi Állami Vas-, Acél- és Gépgyárak (MÁVAG) Budapest. Sie gehört zu 4 Lokomotiven, die neu an die GySEV geliefert wurden, die weiteren zwei übernahm die GySEV von der MÁV. Diese eleganten Tenderloks sind mit einer maximalen Achslast von 11 t für den Nebenbahnbetrieb auf leichtem Oberbau ausgerichtet. Sie entsprechen der Baureihe 375 der ungarischen Staatsbahn, von der von 1907 bis 1959 während mehr als einem halben Jahrhundert 596 Exemplare gebaut wurden. Man begegnete ihnen aber nicht nur in Ungarn. Dutzende von ihnen beendeten ihren Einsatz auch in der Tschechoslowakei, Polen, Rumänien und Jugoslawien.

Nach Ende des planmässigen Dampfbetriebs auf der GySEV im Jahre 1979 wurde die Lokomotive 123 bis zum Ablauf der Kesselfrist im März 1988 für Nostalgiezüge eingesetzt, danach als Lokdenkmal im burgenländischen Rohrbach bei-Mattersburg nahe der ungarischen Grenze aufgestellt.

Grenzbahnhof Pamhagen (Bild unten). Im Gegensatz zu den andern Grenzbahnhöfen endeten die Züge aus dem «Osten» nicht hier, sondern sie setzten ihre Fahrt noch 39 km auf österreichischem Staatsgebiet mit verschiedenen Zwischenhalten weiter. Für die österreichischen und ungarischen Eisenbahner, die sich täglich begegneten, öffnete sich bei jeder Fahrt über die Grenze für kurze Zeit der «Eiserne Vorhang».

Der Aufenthalt in Pamhagen verzögert sich, um die Kreuzung mit einem nach Ungarn fahrenden Zug abzuwarten.

Nach der Kreuzung fährt die 123 mit ihrem Zug weiter nordwärts. Am Rand des Dorfs Wallern im Burgenland erinnern ein charakteristischer Ziehbrunnen und vierrädrige Holzkarren an die nahe ungarische Tiefebene.

In Wallern im Burgenland hält der Zug um einen weiteren Güterwagen mitzunehmen.

Mit einem dritten gedeckten Güterwagen am Schluss fährt der Zug nach Neusiedl am See weiter, wo seine Last den ÖBB übergeben wird.

In einer noch winterlichen Landschaft begegnen wir dem Zug nochmals auf seiner Fahrt entlang dem Neusiedlersee. Wir begeben uns nun aber auf die GySEV-Hauptstrecke Sopron–Ebenfurth.

Auf Bild unten sind wir in Wulkaprodersdorf, unweit der ungarischen Grenze entfernt. Hier begegnet ein Dieseltriebwagen ABbmot der Serie 1–8 einem Güterzug mit einer Dampflok der Baureihe 520. Diese fünfachsigen Dieseltriebwagen wurden zwischen 1955 und 1958 von Ganz in Budapest gebaut. Nur zwei wurden direkt an die GySEV geliefert; die andern sechs von der MÁV übernommen.

Über die mit starkem Oberbau ausgerüstete Strecke Sopron–Ebenfurth rollte damals ein lebhafterer Güterverkehr mit ehemaligen deutschen «Kriegsloks» . Von den 2100 von der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg erbeuteten Maschinen wurden 1963 etwa 100 an Ungarn abgegeben, wo sie als Baureihe 520 im Einsatz standen. Von ihnen kamen 8 zur GySEV, wo sie bis 1979 eingesetzt waren. Die 520.018 ist die ehemalige 52.7443 der Deutschen Reichsbahn, gebaut 1944 von Škoda.

Fortsetzung folgt.

Alle Fotos: J. Banaudo

Übersetzung: C. Ammann

11 Feb

Die Vorortspendelzüge der RhB – Teil 1

Der neue Vorortspendelzug der Rhätischen Bahn (Foto: SAAS)

Die ersten Kompositionen der klassischen RhB-Vorortspendelzüge wurden verschrottet. Grund genug, auf die Entwicklung der Züge zurückzublicken. Im EA Nr. 2 1975 ging W. Wegmann auf diese Nahverkehrs-Pendelzüge ein und verfasste einen Artikel dazu. Nachfolgend den Artikel von damals, ergänzt mit Bildmaterial.

Die stetig steigenden Anforderungen an die Kapazität im Personentransport – insbesondere auf dem Stammnetz – veranlasste die RhB in den letzten Jahren zu Untersuchungen über dies zweckmässigste Ergänzung ihres Rollmaterials.

Mit dieser Werbung wurde auf den neuen Schnellverkehr bei der RhB aufmerksam gemacht (Foto: Archiv Franz Skvor)

Aufgrund vorausgehender, eingehender Studien entschloss sich daher die RhB Ende Oktober 1968, vier moderne, leichte, dreiteilige Pendelzüge erstellen zu lassen, die vornehmlich dem Churer Vorortsverkehr dienen sollen.

Den Auftrag für den wagenbaulichen Teil erhielten die Flug- und Fahrzeugwerke AG, Altenrhein (FFA), während die neuartige elektrische Ausrüstung der S. A. des Ateliers de Sécheron, Genf (SAAS), übertragen wurde. Weitere Mitarbeiter an wesentlichen Baugruppen sind: SIG (Drehgestelle), Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon-Bührle AG in Zürich (Druckluftbremse), +GF+ (aut. Kupplungen) sowie Hasler AG, Bern, für die elektrischen Geschwindigkeits- und Wegmessanlagen.

Ansicht der zur damaligen Zeit höchst modernen automatischen Kupplung am 26.03.1971 in Landquart (Foto: Gian Brüngger)

Wagenbauart

Projekt-Typenzeichnung der Pendelzüge. Diese Variante wurde so nie umgesetzt. (Foto: Archiv Franz Skvor)

Mit Rücksicht auf die Einsatzbedingungen der Pendelzüge, die relativ hohe Leistungen, Beschleunigungen und Bremsverzögerungen erfordern, war ein wirtschaftlicher Leichtbau der Wagen zum vornherein gegeben. Demzufolge wurden auch die Mittel- und Steuerwagen als selbsttragende, vollverschweisste Leichtmetallkörper ausgeführt, in Bauart FFA, von welcher die RhB neuerdings bereits eine Reihe von Wagen im Einsatz hat.

Die Triebwagen hingegen sind als Stahl-Schweisskonstruktion gebaut, da hier die Adhäsionsbedingungen (Zugkraft) im Vordergrund stehen. Da der Triebwagen statisch als Neukonstruktion zu betrachten ist, wurden an dessen Rohbau-Wagenkasten eingehende Belastungsversuche und Messungen durchgeführt, um die notwendigen Festigkeitsnachweise zu erbringen.

Ausrüstung

Entsprechend den Betriebsbedingungen der neuen Vorortszüge wurde auch die Ausrüstung derselben modern und zweckentsprechend gestaltet.

Bezüglich Disposition, Innenausstattung, Heizung, Fluoreszenzbeleuchtung usw. ist die Verwandtschaft mit den neueren RhB-Stammnetzwagen undschwer festzustellen, ebenso jedoch eine ganze reihe von zweckbedingten Abweichungen und technischen Verbesserungen.

Unter anderem sind hier zu erwähnen – ausser der nachstehend gesondert beschriebenen elektrischen Ausrüstung – zum Beispiel:

  • Der Einbau von vollautomatischen Mittelpufferkupplungen System +GF+/SAAS zwischen den Wagen und an den Zugsenden (Mehrfachtraktion)
  • Neuartige Übergangseinrichtungen zwischen den Wagen für sicheres Passieren.
  • Türbetätigung pneumatisch – Öffnen und Schliessen – zentral vom jeweiligen Führerstand aus sowie Druckknopfvorwahl bei den Einstiegen auf Wageninnen- und -aussenseite. Ferner als Sicherheit Türschliessautomatik beim Anfahren.
  • Robustere Sitzkonstruktion und Haltestangen mit Rücksicht auf höhrer Anfahrbeschleunigungen und Bremsverzögerungen (mehr Stehplatzpassagiere)

Bremsen

Ausser der leistungsfähigen, modernen elektrischen Bremse (siehe Elektrische Ausrüstung) ist mit Rücksicht auf den Betriebscharakter der Vorortszüge eine elektropneumatische Oerlikon-Bremse EP1 vorgesehen, die bezüglich Ansprechzeit usw. hier die günstigsten Voraussetzungen schafft. Das Prinzip dieser Bremse beziehungsweise deren Funktionsweise muss an dieser Stelle als bekannt vorausgesetzt, beziehungsweise einer gesonderten technischen Beschreibung Oerlikons entnommen werden. Zusätzlich zu vorstehenden Bremsen ist in jedem Führerstand sowie im Mittelwagen noch je eine mechanische Handbremse als vorschriftsgemässe Reserve vorhanden, ferner die üblichen Notbremsanlagen in jedem Wagen.

Ansicht des Drehgestelles aus dem Hause SIG am 26.03.1971 in Landquart (Foto: Gian Brüngger)

Fahrwerke

Sowohl die Trieb- als auch die Laufdrehgestelle sind modern konzipiert, und zwar in technischer Hinsicht als auch komfortmässig (Federung, Laufruhe). Alle Drehgestelle sind beispielsweise mit Scheibenbremsen ausgerüstet und weisen Seitenanlenkung auf (drehzapfenlos), Bauart SIG.

Die Triebdrehgestelle haben ferner gegenläufige Motoren und entsprechende Getriebe – ein weiteres Komfortmerkmal – , womit auch von dieser Seite eine Anzahl Voraussetzungen für guten Wagenlauf der Vorortszug-Kompositionen gegeben sind.

Fortsetzung folgt.

(Quelle: Archiv RhB, Archiv EA, Franz Skvor und Gian Brüngger)