Der ZZ 6 am 30.9.23 unterhalb der Zitadelle von Entrevaux
Im EA 9/23 – Neues in Kürze – haben wir über die Inbetriebnahme des restaurierten Renault-Triebwagens auf den Chemins de fer de la Provence berichtet:
CP/GECP Der Autorail Renault ABH1 ZZ 6 wurde während vier Jahren durch Freiwillige in Puget-Théniers betriebsbereit aufgearbeitet. Er machte am 23. Mai 2023 seine erste Probefahrt nach Annot und steht nun nach Erhalt der Betriebsbewilligung für Gruppen-, Fotofahrten und Filmaufnahmen zur Verfügung werden. Sein Äusseres entspricht dem Zustand nach der zweiten Modernisierung 1973 mit kaum sichtbaren Veränderungen des dritten Umbaus von 1984. Der leuchtend blaue Anstrich ersetzte ab Mitte der 1960er-Jahre auch bei den weiterhin eingesetzten Renault-Triebwagen die Farbgebung Braun-Crème.
Die hier gezeigten Bilder hat José Banaudo GECP am Wochenende des Denkmals (Journées européennes du Patrimoine) vom 16./17. September 2023 gemacht, wo die Wiederinbetriebnahme des ZZ 6 und der 100. Geburtstag der portugiesischen Mallet-Dampflokomotiven E 211 und E 182 gefeiert wurde, und danach am 30. September/ 1. Oktober 2023, wo der ZZ 6 für Gruppen unterwegs war. Die Fotos sind nicht durchwegs chronologisch eingereiht.
ZZ 6 und Dampfzug des GECP am 16. 9. 2023 in Annot
Der bergwärts fahrende ZZ 6 zwischen Entrevaux und Agnerc bei den bekannten Aquädukten von Les Cornillons, auch “Elefanten” genannt.
Bei der Talfahrt drückt schon etwas die Sonne durch. 16. 9.2023
Ausfahrt aus dem Tunnel von Entrevaux, 16. 9. 2023.
Am Bahnübergang PN 630 von Le Cians
Ein klassisches Bild des Zugs Annot – Puget-Théniers am Morgen des 17. 9. 2023 auf dem Viaduc de la Donne.
Der GECP-Dampfzug mit der E 211 in Le Fugeret, 17. 9. 2023
Die Socofer-Lokomotive mit dem Schneepflug in Le Fugeret, 17. 9. 2023
Nochmals kurzer Themawechsel: Zug 31 Nice – Annot unterhalb der Zitadelle von Entrevaux.
Und nochmals die markante Zitadelle mit dem ZZ 6.
Die Mallet E 182, ausgestellt auf Gleis 4 in Puget-Théniers, neben dem abfahrtsbereiten Dampfzug nach Annot. Die neuen Wasserkästen und das Führerhaus wurden durch die Berufsschule Jean-Perrin in Marseille rekonstruiert. 16. 9. 2023.
Der ZZ 6 am 30. 9. 2023 am Bahnübergang von Le Cians.
In der Kurve von Le Salvaret, im Hintergrund Villars.
Villars-sur-Var
In Puget-Théniers, entlang dem Fluss Var, 1.10.2023
Kreuzung mit Zug 2 in Puget-Théniers, 1. 10. 2023.
Rangieren in Entrevaux vor dem Einsteigen der Gruppe.
Ein paar Stunden später kehrt der Triebwagen leer nach Puget-Théniers zurück.
ZZ 6 und E 211 (war unterwegs für Film-Dreharbeiten) am Abend in Puget-Théniers, 1.10.2023.
Nun folgt der letzte Teil der Fotos von unserem Ausflug an die österreichisch-ungarische Grenze. Es ist immer noch der 1. April 1975, und wir begegnen im Bahnhof Ebenfurth wieder der 520.018. Wir sind hier 27 km von der Grenze entfernt, rund 40 km von Wien und rund 60 km von Bratislava. Die GySEV mündet hier in die sogenannte Pottendorfer Linie, die östlich der wichtigen «Südbahn»-Hauptstrecke zum Semmering ebenfalls Wien und Wiener Neustadt miteinander verbindet.
Auf dem untern Bild stehen wir vor dem langgezogenen, sehr einfachen Aufnahmegebäude von Ebenfurth. So wie auf vielen Strecken Mitteleuropas, die früher zur Donaumonarchie gehören, fehlten damals auch in Ebenfurth eigentliche Zwischenperrons. In den Bahnhöfen lagen die Gleise einfach in einer sorgfältig planierten Anlage.
Am gedeckten GySEV-Güterwagen fällt die UIC Immatrikulation mit der Nummer 43 auf, was seinen internationalen Austausch ermöglichte. Zu jener Zeit gab es nur wenige Privatbahnen, die dem internationalen Eisenbahnverband UIC angehörten, etwa die BLS, die Mailänder Nordbahn FNM und das nordfranzösische Kohlenbahnnetz «Réseau des Houillères du Bassin du Nord et du Pas-de-Calais».
Als Parallelstrecke zur Semmeringbahn wurde die Pottendorfer Linie Wien–Wiener Neustadt ab 29. April 1974 (einen Monat vor unserem Besuch) von den ÖBB elektrisch betrieben. So war es nun möglich, in Ebenfurth Vertreter aller drei Traktionsarten zu begegnen. Die vierachsige 1040.02 gehört zu einer Serie von 16 Maschinen, die 1950–1955 gebaut wurden, die vierachsige 2143.04 ist eine von 77 Diesellokomotiven, die 1964 –1977 in den Dienst gestellt wurden und zusammen mit der sehr ähnlichen Baureihe 2043 als Universallokomotiven das Rückgrat des ÖBB-Triebfahrzeugparks für nicht elektrifizierte Strecken bildeten.
Auf Bild unten rangiert die 520.018 im Güterbahnhof von Ebenfurth, um ihren Zug zurück nach Ungarn zu formieren. Links sind eine weitere Diesellok der Baureihe 2143 und eine vierachsige elektrische Lok der ÖBB-Baureihe 1042 zu sehen, die in 257 Exemplaren zwischen 1963 und 1977 beschafft wurden. Rechts ein Propangas-Kesselwagenzug aus der Sowjetunion, dessen Drehgestelle am Grenzbahnhof Tschop gewechselt wurden, zusammen mit dem Austausch der halbautomatischen russischen Zentralkupplung gegen die konventionelle Kupplung. Die kyrillischen Anschriften beschreiben den Inhalt der Wagen.
Nun folgen Bilder von der GySEV, (nur) drei Monate später, während einer Reise, die uns in die Südtürkei führte, um dort die letzten ehem. SNCF-150 X (deutsche BR 44, 1’E-h3) bei der türkischen Staatsbahn TCDD zu sehen. Unsere Reise am 30. Juni 1975 durch Österreich ging über Ebenfurth–Sopron. Doch das Wetter war noch schlechter als im Frühjahr !
Hier sehen wir die 520.030 der GySEV in Wulkaprodersdorf. 1943 gebaut von Krauss-Maffei als 52.3535 der DR, wurde sie 1945 in der Sowjetunion zur TÄ 3535, dann 1963 in Ungarn zur 520.030. Heute ist sie südöstlich von Sopron im ungarischen Bahnhof Fertőboz aufgestellt, am Ausgangort einer touristischen 760 mm-Schmalspurbahn.
Im kleinen Heizhaus von Wulkaprodersdorf wird die 520.083 mit Wasser versorgt. Der Wannentender mit selbsttragendem, rahmenlosen Kasten (nach dem Vorbild der Kesselwagen) hat eine Kapazität von 30 m3 und ist typisch für die deutschen «Kriegslok» der Baureihe 52.
Die 520.083, hier am Fuss des Kohlenkrans, hat wie ihre Schwestern eine bewegte Geschichte: Sie wurde 1943 von Schichau in Elbing in Ostpreussen gebaut, heute Elbląg (Polen). Kürzere Zeit trug sie bei der DR die Nr. 52.5595, wurde dann 1945 zur TÄ 5595 der SZD, 1963 zur 520.083 der MÁV.
Dieser lange Güterzug nach Ebenfurth wird in Wulkaprodersdorf formiert, mit der 520.030 an der Spitze und der 520.083 als Schiebelok.
Ausgangs Wulkaprodersdorf erkennt man links hinter der 520.030 die Gleise der ÖBB-Strecke nach Eisenstadt–Parndorf (an der Hauptstrecke Wien–Budapest), die sogenannte «Pannoniabahn» oder «Leitha-Gebirgsbahn».
Die 520.083 schiebt mit voller Kraft in der Ausfahrt des Bahnhofs Wulkaprodersdorf.
Unter erbärmlichem Fotowetter dampft die 520.030 bei Müllendorf ein Kohlfeld entlang.
Unter dem Regen nähert sich der Güterzug Neufeld an der Leitha.
Die 520.030 fährt im Bahnhof Neufeld an der Leitha ein, wo Tausende von Rundholzstämmen auf den Verlad warten.
Mit diesem letzten Bild von der 520.030, kurz vor Ankunft in Ebenfurth verabschieden wir uns von der damaligen GySEV.
Was ist seither in rund 45 Jahren geschehen? Diese Strecke wurde 1987 elektrifiziert, die Neusiedlerseebahn 2004 und zwar mit «ungarischer Spannung», 25 kV Einphasen-Wechselstrom 50 Hz, welche damit diskret ins ÖBB-System mit 15 kV 16,7 Hz eindringt. Die GySEV hat den Betrieb aller Strecken in Westungarn übernommen, wo ihre Hausfarben gelb/grün nun auf den modernen Fahrzeugen des 21. Jahrhunderts zu sehen sind, auf den «Flirt» von Stadler und Siemens-Lokomotiven (Baureihe wie «ÖBB-Taurus» und «Vectron») Die Zeit der urtümlichen Dieseltriebwagen Bamot und ABbmot, der kräftigen 520er und der zierlichen Tenderlokomotiven liegt weit zurück in unseren jungen Jahren und gibt den Bildern trotz Mangel an technischer Perfektion und miserablem Wetter historischen Wert!
Kehren wir zurück an die Grenze zwischen Österreich und Ungarn am 1. April 1975. Auch in Schattendorf an der Strecke Sopron–Ebenfurth war der «Eiserne Vorhang» ernste Realität, mit Grenzzaun, Stacheldraht und einem Wachtturm. Nachdem der Soldat mitbekommen hatte, dass wir keinen Grenzübertritt beabsichtigten, inspizierte er wieder die Wagen des zu seinen Füssen passierenden Güterzugs Sopron–Ebenfurth.
Die Rauchfahne weit hinten lässt auf eine Schiebelokomotive am Schluss des sehr langen Zugs schliessen. Hinter der Zuglok wird ein zweiachsiger Wagen für den Zugführer und allfälliges Rangierpersonal mitgeführt.
Die Spitzenlok 520.020 hat nun schon Österreich erreicht, der Zugschluss ist noch in Ungarn (Bild unten). Die Farbe des Schotters verrät die Grenze! Diese «Kriegslok» wurde 1944 von MBA Schwartzkopff als 52.3897 der Deutschen Reichsbahn gebaut. Erbeutet von der Sowjetunion und bezeichnet als TÄ TE 3897 kam sie 1963 nach Ungarn und erhielt die Nummer 520.020. Bei der GySEV stand sie 1964–1976 im Einsatz.
Hier die Schiebelok 520.075, 1943 gebaut von Borsig. Sie war erst die 52.464 der DR, dann TÄ 464 der , dann 520.075 der MÁV. Offiziell ausrangiert 1981 ist sie eine der wenigen ungarischen «Kriegslok» die noch existieren, aufgestellt im Depot Hatvan im Nordosten von Budapest.
Die langgezogene Kurve von Baumgarten ermöglicht den Überblick auf den Zug mit etwa 40 Wagen mit der Schiebelok.
Wenn man den Zug von oben betrachtet, begreift man, warum der ungarische Grenzsoldat auf seinem Wachtturm den Zug aufmerksam nach allfälligen Flüchtlingen kontrolliert hat, die sich in der Ladung hätten verstecken können.
In der Kurve von Drassburg, mit schweren Gleisen auf gutem Schotterbett verlegt, wird der Unterschied zur in der Folge 1 gezeigten Neusiedlerseebahn offensichtlich.
Im Bahnhof Wulkaprodersdorf kreuzt unser Güterzug nach Ebenfurth ohne Halt die 520.018, die – Tender voran – an der Spitze eines Gegenzugs Richtung Ungarn zurückfahren wird. Wir sind dieser Maschine bereits in der Folge 1 begegnet. Sie wurde 1944 von Škoda als 52.7443 für die DR gebaut, wurde TÄ 7443 der SZD und dann 520.018 MÁV, bevor ihre Karriere 1979 bei der GySEV endete.
In Müllendorf verläuft die Strecke in weiten Kurven am Fuss der Hügelkette, die das Leithatal vom Neusiedlersee trennt.
Die ungarischen 520er haben aus ihrer sowjetischen Zeit eine Rauchkammertüre mit kleinerem Durchmesser behalten, typisch für die russischen Dampflokomotiven und inspiriert aus Nordamerika.
Der Zug fährt am typischen österreichischen Formsignal von Neufeld an der Leitha vorbei. Dies ist der letzte burgenländische Bahnhof, bevor Niederösterreich beginnt. Nicht weit davon verläuft die Leitha, Zufluss der Donau, welche bis 1918 die beiden Reichshälften trennte, «Cisleithanien» (Kaiserreich Österreich) und «Transleithanien» (Königreich Ungarn).
Nun kommen wir bald nach Ebenfurth, Endpunkt der GySEV. Dies wird das Ziel der 3. und letzten Folge dieses Reiseberichts von 1975.
Im Frühling 1975 besuchte ich mit zwei Freunden Österreich. Noch immer waren dort Dampflokomotiven in Betrieb. Und es kamen auch Dampfloks der östlichen Nachbarbahnen nach Österreich. So begegnete man tschechoslowakischen Dampfloks in Gmünd und Summerau, jugoslawischen in Spielfeld-Strass sowie ungarischen in Neusiedl am See und Ebenfurth, ohne Gefahr zu laufen, danach wegen eines «strategisch hoch gefährlichen» Fotos auf einem Polizeiposten zu landen!
Ende März war es erst auf dem Kalender Frühling. Der Himmel war grau, es war kalt und nass, als wir – etwa 60 km südlich von Wien – im Burgenland ankamen. Geographisch gesehen ist das Burgenland der äusserste, westlichste Teil der ungarischen Tiefebene. Unter der Donaumonarchie gehörte es zu Ungarn, Transleithanien. Nach dem Ersten Weltkrieg beanspruchte Österreich den deutschsprachigen Teil Westungarns. Das Gebiet des heutigen Bundeslands Burgenland kam aber nach längeren Konflikten erst 1921 an Österreich.
Die so entstandene neue österreichisch-ungarische Grenze zerschnitt das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter ungarischer Verwaltung gewachsene burgenländische Bahnnetz. Seine 118 km lange Hauptachse führte von den ungarischen Städten Győr und Sopron nach dem österreichischen Bahnhof Ebenfurth, wo Anschluss Richtung Wien und Richtung Semmering besteht. Diese Strecke war zwischen 1876 und 1879 durch eine Privatbahn mit zweisprachigem Namen entstanden: Die Győr–Sopron–Ebenfurti Vasut (GySEV) / Raab–Oedenburg–Ebenfurther Eisenbahn (ROeEE).
Eine weitere Verbindung entstand 1897 mit der 49 km langen Nebenbahn Fertőszentmiklós–Neusiedl am See, die 1897 eröffnete Fertővidéki Helyiérdekű Vasút (FHEV) / Neusiedler See Bahn (NSB), gebaut und betrieben von der GySEV. Hier beginnen wir mit unserem Besuch.
Unsere erste Begegnung mit der GySEV fand am 31. März 1975 im Bahnhof Neusiedl am See statt (Bild unten). Links ein ungarischer Dieseltriebwagen Bamot der Serie 701-702, gebaut 1962 durch Rába in Győr für die Staatsbahn Magyar Államvasutak (MÁV), übernommen 1971 von der GySEV. In der Mitte und rechts zwei Dieseltriebwagenzüge der OBB-Baureihe 5045 / 5145, die zwischen 1952 und1957 durch SGP gebaut wurden. Sie begannen ihre Karriere als «Blauer Blitz» im nationalen und internationalen Schnellzugsverkehr, etwa von Wien nach Berlin und Venedig, fanden aber nach zunehmender Elektrifizierung schliesslich im Regionalverkehr, etwa im Burgenland und im Weinviertel Verwendung.
Am nächsten Tag, dem 1. April 1975 waren wir bei tief verhangenem Himmel in Pamhagen. Der «Eiserne Vorhang», gekennzeichnet mit der Warntafel «Achtung Staatsgrenze» und neben dem Gleis mit zwei weissen Grenzsteinen mit dem Buchstaben Ö war brutale Realität. Auf ungarischer Seite beobachteten uns vom Wachtturm aus bereits die Grenzsoldaten mit Feldstechern. Doch keine Angst, wir blieben auf österreichischem Gebiet!
Nach der kommunistischen Machtübernahme 1949 in Ungarn blieb der internationale Status der Strecken nach Ebenfurth und Neusiedl am See überraschenderweise erhalten. Die GySEV blieb eine privatrechtlich organisierte Aktiengesellschaft, befand sich aber durch die Zwangsenteignung der Eigentümer in ungarischem Staatsbesitz. Trotz allen Spannungen im «Kalten Krieg» blieb der grenzüberschreitende Personen- und Güterverkehr erhalten. Hier sehen wir den morgendlichen Güterzug Fertőszentmiklós–Neusiedl am See auf dem damals charakteristischen schwachen Oberbau mit Kiesbett.
Die 1’C1′-Tenderlok 123 ist eine von 6 Maschinen dieses Typs der GySEV. Gebaut 1925 von Magyar Királyi Állami Vas-, Acél- és Gépgyárak (MÁVAG) Budapest. Sie gehört zu 4 Lokomotiven, die neu an die GySEV geliefert wurden, die weiteren zwei übernahm die GySEV von der MÁV. Diese eleganten Tenderloks sind mit einer maximalen Achslast von 11 t für den Nebenbahnbetrieb auf leichtem Oberbau ausgerichtet. Sie entsprechen der Baureihe 375 der ungarischen Staatsbahn, von der von 1907 bis 1959 während mehr als einem halben Jahrhundert 596 Exemplare gebaut wurden. Man begegnete ihnen aber nicht nur in Ungarn. Dutzende von ihnen beendeten ihren Einsatz auch in der Tschechoslowakei, Polen, Rumänien und Jugoslawien.
Nach Ende des planmässigen Dampfbetriebs auf der GySEV im Jahre 1979 wurde die Lokomotive 123 bis zum Ablauf der Kesselfrist im März 1988 für Nostalgiezüge eingesetzt, danach als Lokdenkmal im burgenländischen Rohrbach bei-Mattersburg nahe der ungarischen Grenze aufgestellt.
Grenzbahnhof Pamhagen (Bild unten). Im Gegensatz zu den andern Grenzbahnhöfen endeten die Züge aus dem «Osten» nicht hier, sondern sie setzten ihre Fahrt noch 39 km auf österreichischem Staatsgebiet mit verschiedenen Zwischenhalten weiter. Für die österreichischen und ungarischen Eisenbahner, die sich täglich begegneten, öffnete sich bei jeder Fahrt über die Grenze für kurze Zeit der «Eiserne Vorhang».
Der Aufenthalt in Pamhagen verzögert sich, um die Kreuzung mit einem nach Ungarn fahrenden Zug abzuwarten.
Nach der Kreuzung fährt die 123 mit ihrem Zug weiter nordwärts. Am Rand des Dorfs Wallern im Burgenland erinnern ein charakteristischer Ziehbrunnen und vierrädrige Holzkarren an die nahe ungarische Tiefebene.
In Wallern im Burgenland hält der Zug um einen weiteren Güterwagen mitzunehmen.
Mit einem dritten gedeckten Güterwagen am Schluss fährt der Zug nach Neusiedl am See weiter, wo seine Last den ÖBB übergeben wird.
In einer noch winterlichen Landschaft begegnen wir dem Zug nochmals auf seiner Fahrt entlang dem Neusiedlersee. Wir begeben uns nun aber auf die GySEV-Hauptstrecke Sopron–Ebenfurth.
Auf Bild unten sind wir in Wulkaprodersdorf, unweit der ungarischen Grenze entfernt. Hier begegnet ein Dieseltriebwagen ABbmot der Serie 1–8 einem Güterzug mit einer Dampflok der Baureihe 520. Diese fünfachsigen Dieseltriebwagen wurden zwischen 1955 und 1958 von Ganz in Budapest gebaut. Nur zwei wurden direkt an die GySEV geliefert; die andern sechs von der MÁV übernommen.
Über die mit starkem Oberbau ausgerüstete Strecke Sopron–Ebenfurth rollte damals ein lebhafterer Güterverkehr mit ehemaligen deutschen «Kriegsloks» . Von den 2100 von der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg erbeuteten Maschinen wurden 1963 etwa 100 an Ungarn abgegeben, wo sie als Baureihe 520 im Einsatz standen. Von ihnen kamen 8 zur GySEV, wo sie bis 1979 eingesetzt waren. Die 520.018 ist die ehemalige 52.7443 der Deutschen Reichsbahn, gebaut 1944 von Škoda.
In der 1. Folge haben wir von der Reise nach Tscherwen Brjag berichtet. Diese 2. Folge beginnt am 23 August 1976 um 7 Uhr. Das Wetter ist grau und es regnet. Macht nichts, denn was sich uns nun bietet, ist aussergewöhnlich, und ich hoffe Sie entschuldigen deshalb die nicht sonderlich gute Qualität der Fotos.
Im Bahnhof Tscherwen Brjag ist auf der Normalspurseite ein Güterzug nach Pleven und Gorna-Oryahovitsa abfahrbereit, an der Spitze eine deutsche Dampflok der Serie 15. Am Perron zeigt ein grosses Werbeplakat einen strahlenden Arbeiter mit dem Slogan: «1976 – Jahr der unermüdlichen Arbeit». Ich bin nicht sicher, ob ein solches Motto auch heute noch begeistern würde?!
Wir gehen nun auf die Schmalpurseite. Sie war damals der eigentliche Grund unseres kurzen Aufenthalts in Bulgarien und hier ist das Risiko auch weniger gross, übereifrigen Polizisten aufzufallen als an den Hauptgleisen. Die 606.76 (1’E1’ h2t) steht abfahrbereit vor einem Personenzug. Zwei Personenzüge fahren bis Kneja, zwei nach Byala-Slatina und nur einer fährt bis zum Endbahnhof von Orjachowo an der Donau. Links beherrscht ein Laufkran die Güterumladeanlagen zwischen Schmal- und Normalspurbahn.
Alle Züge werden von den Dampfloks 601.76–615.76 der BDŽ gefahren. Abgeleitet von der DR-Baureihe 99.7 auf den sächsischen 750 mm-Schmalpurbahnen, wurden die ersten fünf im Jahre 1941 durch BMAG Schwartzkopff geliefert. Nach dem 2. Weltkrieg folgten 10 weitere Maschinen nach den gleichen Plänen, gebaut 1949 vom polnischen Hersteller Fablok in Chrzanów. Mit einem Kesseldruck von 16 bar, 850 PS und einem Dienstgewicht von 62 t en 1949 waren diese Kraftpakete ursprünglich für die Gebirgsbahn Septemwri–Dobrinischte bestimmt. Als diese aber ab 1965 die ersten vierachsigen Henschel-Diesellokomotiven der Serie 5 erhielt, kamen die 1’E1’ h2t auf die Strecke Tscherwen Brjag–Orjachowo, wo sie die E h2t ersetzten, von welchen wir noch die letzte Maschine beim Rangieren angetroffen hatte (Folge 1).
Nun aber ! Um 7.30 Uhr setzt sich die 606.76 vor dem Personenzug in Bewegung, während zur gleichen Zeit im Normalspurteil des Bahnhofs die «Kriegslok» mit dem Güterzug abfährt. (Bilder unten)
Also noch schnell zurück, um Bilder von der Baureihe 15 zu machen.
Später im Lauf des Vormittags kommt die 609.76 mit einem Personenzug in Tscherwen Brjag an. Die 609 …?
Natürlich, die 609.76 ist heute die einzige betriebsfähige, 760 mm-spurige Dampflokomotive Bulgariens. Ich würde ihr 42 Jahre später wieder auf der Strecke Septemwri–Dobrinischte vor einem Extrazug nach Velingrad begegnen. Dieses Bild am Bahnhof Tsepina wurde bereits im Blog vom 1. November 2018 über die Bulgarienreise veröffentlicht.
Doch zurück ins Jahr 1976. Nachdem sie wieder Wasser und Kohle gefasst hat und gedreht wurde, fährt die 609.76 mittags wieder mit einem Personenzug zurück. (Bild unten)
Die in den 1960er- und 1970er-Jahren gebauten bulgarischen Schmalspurpersonenwagen sehen recht modern aus. Die relativ lange Fahrt nach Orjachowo und die bald endende Dauer unseres Transitvisums verunmöglichen uns leider, mit der Schmalspurbahn zu fahren. So beschränken wir uns darauf, wenigstens einen Tag lang die Züge ausserhalb der Stadt Tscherwen-Brjag zu fotografieren.
Die 612.76 kommt an der Spitze eines weiteren Personenzugs. Und das Lokpersonal winkt uns freundschaftlich zu.
Wie die Zugskompositionen verleihen auch die Lichtsignale dieser BDŽ-Schmalspurbahn eine moderne Note. Übrigens, im Vergleich zu den andern, an diesem Tag gesehenen Loks weist die 612.76 eine Besonderheit auf: Der Kohlenkasten scheint einem Öltank Platz gemacht zu haben. Wurde sie wie einige ihrer normalspurigen Schwestern auch ölgefeuert? Ich habe dazu bis jetzt noch keine Angaben gefunden und bin an Antworten interessiert
Als letztes wohnen wir nun noch der Abfahrt eines der beiden täglichen Güterzüge hinter der 613.76 bei. Kleine rote Sterne schmücken die Windleitbleche.
Hier ist klar, die 613.76 ist kohlegefeuert und die wertvolle Last türmt sich bis zur Grenze des Lichtraumprofils auf dem Tender. Gleich dahinter der Gepäckwagen, in dem der Zuführer mitfährt.
Noch rechtzeitig haben wir den Dampfbetrieb in Tscherwen-Brjag besucht. Denn noch vor Jahresende wurden die ersten vierachsigen Diesellokomotiven der Reihe 76 von Faur abgeliefert, die bis 1977 die gesamte Traktion übernahmen. Die grossen 1’E1’ h2t wurden abgestellt, die 605.76 diente noch als Dampfvorheizanlage bis zum Winter 1984/85. Heute sind die 609, 610, 611 und 613 in Dobrinischte, aber nur die erstere ist in betriebsfähigem Zustand für leider nur seltene Extrazüge. Die 615 steht als Denkmal vor der Verkehrsuniversität von Sofia. Was die Strecke Tscherwen Brjag–Orjachowo betrifft, so wurde sie 2002 bei einem Sparprogramm der BDŽ eingestellt. Ihre Infrastruktur wurde bei einem Hochwasser der Donau 2006 beschädigt, die Gleise teilweise von Metalldieben demontiert. Die Diesellokomotiven wurden zum grossen Teil an die Minenbahn Rio Turbio im argentinischen Patagonien verkauft.
Nun wird es Zeit, Richtung Mezdra und Sofia zurückzufahren. Doch ein letzter Zwischenfall bedroht unsere Abreise. Am Billettschalter stellen wir mit Schrecken fest, dass unsere letzten Leva nicht mehr für die beiden Billette reichen. Es ist hoffnungslos, in kurzer Zeit in dieser touristisch überhaupt nicht besuchten Stadt noch eine Wechselstube zu finden, und das Transitvisum läuft ab! Hinter uns bildet sich eine Schlange und Rekruten der bulgarischen Armee drängeln. Doch rasch begreifen sie unsere verzweifelte Lage und schenken uns die wenigen fehlenden Leva. Mein Begleiter hat noch einige Päckchen Gauloises-Zigaretten dabei, nicht für uns, sondern als typisch französisches Geschenk für die Eisenbahner und Leute, die uns behilflich sind. Rasch sind die Zigaretten verteilt und wir verlassen Tscherwen-Brjag mit den besten Wünschen auf die bulgarisch-französische Freundschaft. Am Abend sind wir in Sofia, am nächsten Tag an der jugoslawischen Grenze in Kalotina, dann im serbischen Dimtrovgrad, Niš, Beograd. Unser Interrail ist noch eine Woche gültig und wir werden es bis zur letzten Stunde ausnutzen.
Diesmal sind hier keine farbigen Digitalbilder zu sehen, sondern jahrzehntealte Schwarzweissbilder: Es war im August 1976. Mit dem Interrail sind wir 1 Monat lang durch Europa gereist, sogar in die Türkei, mit einem Abstecher in den Iran nach Teheran. Die nachfolgenden Bilder stammen von der Rückreise. Wir wollten durch Bulgarien fahren, um die letzte Schmalspurbahn im Balkan zu besuchen, die noch regelmässigen Dampfbetrieb hatte.
Nach drei Wochen Reise gingen langsam unsere Vorräte an Francs, Dollars und Fotofilmen zur Neige, und wir mussten gut auf unser Budget für den Rest des Monats achten. In jener Zeit konnte man die Länder des damaligen kommunistischen Ostblocks nicht einfach frei bereisen, sondern es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder man blieb ein paar Tage im Land und hatte pro Tag einen Zwangsumtausch von 10 Dollars zu leisten, was bei unseren angespannter Finanzlage eine zu grosse Summe war. Oder man löste am Grenzübergang ein Transitvisum für 48 Std. , ohne Zwangsumtausch. Diese letzte Variante war für uns finanziell die einzig mögliche. Am 21. August abends begann die Reise am Bahnhof Istanbul-Sirkeci und wir fuhren im Nachtzug über die bulgarische Grenze von Swilengrad, um dann über Dimitrowgrad und Plowdiw am Morgen des 22. August in Sofia anzukommen. Der Hauptbahnhof war 1974 nach Plänen des Architekten Milko Bechew im typischen Stil des Sozialismus erbaut worden. Wir hatten nun Zeit, in der unterirdischen Galerie beim Bahnhof das Frühstück zu nehmen und dann ein Tram zu fotografieren. Der Triebwagen 874 des Typs « Sofia 65 » wurde zwischen 1968 und 1977 in 175 Exemplaren vom bulgarischen Hersteller Tramkar gebaut.
Nun ging es weiter auf der Magistrale Sofia–Varna, von der auch die Verbindung nach Rumänien abzweigt, die über Gorna-Oryahovitsa, Ruse führt, wo sie die Donau über die « Brücke der Freundschaft » überquert. Der erste,damals noch nicht elektrifizierte Abschnitt führte die Iskar-Schlucht hinunter. In Eliseina überholen wir einen Güterzug, bespannt mit der «Kriegslok» 15.130. An der Rauchkammertür trägt sie den roten Stern und das Flügelrad der bulgarischen BDŽ (Bălgarski Dăržavni Železnici). Es ist die frühere, von der Maschinenfabrik Esslingen gebaute 52.1468, 1961 von der DR übernommen.
Eingangs Mezdra steht eine weitere «Kriegslok», die 15.67 vor dem Depot. Sie gehört zu einer Anzahl sowjetischer Beuteloks, die 1946 direkt an Bulgarien abgegeben worden sind. Die Umlaufgeländer sind typisch für russische Dampflokomotiven.
Immer noch in Mezdra sehen wir eine fünfachsige Güterzugdampflok der Serie 28, geliefert von1909 bis 1925 in 87 Exemplaren von verschiedenen deutschen und tschechoslowakischen Herstellern: Maffei, Hohenzollern, Hanomag et Škoda. Dahinter eine Lok der Serie 35, geliefert von 1910 bis 1921 in 45 Exemplaren von Hanomag und BMAG Schwartzkopff.
Ab Mezdra, Abzweigbahnhof Richtung Vidin, fahren wir unter einer Fahrleitung von Einphasen-Wechselstrom 25 kV. Die « Kriegslok » 15.60, ebenfalls eine frühere sowjetische Beutelok, wird mit einem Güterzug ostwärts abfahren. Die meisten bulgarischen Dampflokomotiven sind mit einer gemischten Kohle- und Oelfeuerung und entsprechenden Tendern ausgerüstet.
Auf der Rauchkammertüre der 15.60 prangt nebst dem Stern und dem Bahnsignet der Kopf einer Persönlichkeit, eventuell des Genossen Georgi Dimitroff, der als bulgarischer Ministerpräsident von 1946–1949 nach seinem Tode mit grossem Personenkult verehrt wurde.
Bald erreichen wir den Endbahnhof Tscherwen Brjag. Es ist schon im späteren Nachmittag, und wir haben noch nichts gegessen. So gehen wir zu einem Kiosk auf dem Bahnhofplatz. Das Angebot ist nicht gross, aber wir kaufen ein paar Biscuits und Schokolade. Doch wo wir gehen und unsere karge Mahlzeit einnehmen wollen: Überraschung! Links und rechts steht ein Polizist. Barsch wird nach «Pasport? Dokument?» gefragt. Dann werden wir aufgefordert, mitzukommen, und schon befinden wir uns auf dem Kommissariat in einem düstern, grün gestrichenen Raum unter den Porträts des bulgarischen Staatschefs Todor Schiwkow und des Generalsekretärs der KPdSU, Leonid Breschnew! Während einer Stunde telefonieren nun die beiden Polizisten, in den Händen unsere Pässe, geschmückt mit Dutzenden von Stempeln, die sie zu entziffern versuchen. In einem benachbarten Büro klappert eine Schreibmaschine. Dann kommt der Chef und sagt uns: « Ah, Frantsuski… Giscard d’Estaing… Ami Bulgarie ! ». Nachdem unsere Identität geprüft worden ist sind wir frei von Verdacht. Man gibt uns die Pässe zurück und weist uns zur Tür… Wir sollten nie erfahren, warum man auf uns aufmerksam wurde, wohl einfach weil wir sofort als Ausländer auffielen, in einer kleinen Stadt, wohin sich sonst kein Tourist verirrte.
Rasch ging es zum Bahnhof zurück und möglichst ohne weiter die Aufmerksamkeit der Polizei auf uns zu lenken. Auf der andern Seite der Hauptgleise beginnt die Gleisgruppe der 760 mm-spurigen Strecke Tscherwen Brjag–Orjachowo, die nach 103 km den kleinen Hafen am rechten Ufer der Donau erreicht, von wo die Fährschiffe nach Rumänien fahren. Die Fünfkupplerlok 503.76 (E h2t) rangiert mit einem Güterzug. Sie wurde von Českomoravská-Kolben-Daněk (ČKD) im Prag gebaut und gehört zu einer Serie von 6 Maschinen ; die ersten vier wurden 1927 von ČKD, die letzten beiden 1931 von BMAG Schwartzkopff gebaut.
Am Anfang ihrer Karriere fuhren diese Lokomotiven auf der gebirgigen Rhodopenbahn Septemwri–Dobrinischte. Als dort 1942 stärkere Loks eintrafen, wurden sie auf die weniger steigungsreiche Strecke Tscherwen Brjag–Orjachowo versetzt. Als auf der Rhodopenbahn Mitte der 1960er Jahre die Dieseltraktion die 1’E1′ h2t verdrängte, kamen auch diese nach Tscherwen Brjag. So blieb nur die 503.76 in Betrieb und mühte sich mit dem lebhaften Güterverkehr auf der Strecke ab, der in den Bahnhöfen viele Rangieraufgaben erforderte. Das Führerhaus ist mit dem bulgarischen Löwen, Kornähren und dem roten Stern geschmückt
Der Lokführer bemerkt uns und winkt, wir sollen auf die Maschine kommen und beim Manöver mitzufahren. Und wir versuchen einen Dialog: « Ah Frantsuski ! Russki… Amerikanski… Bombatomik ! » Wir sind im «Kalten Krieg», die bulgarischen Eisenbahner haben nicht oft die Gelegenheit, Westeuropäern zu begegnen, und als Franzosen geniessen wir meist eine gewisse Sympathie.
Heute sind noch drei Dampfloks des Typs E h2t erhalten, also die Hälfte der einstigen Serie. Die 503.76, die wir hier rangieren sahen, steht als Denkmal in Tscherwen Brjag. Die 504.76 ist in Bansko auf der Strecke Septemwri–Dobrinischte abgestellt und die 506.76 steht im bulgarischen Eisenbahnmuseum in Ruse. Hier zum Vergleich ein Bild 43 Jahre später: Die 504.76 im Februar 2019 in Bansko (sh. auch Blog vom 1. November 2019)
Der Tag geht zu Ende und die Nacht bricht ein. Wir breiten unsere Schlafsäcke in einem Gebäude aus, das zwischen den Normal- und Schmalspurgleisen gebaut wird. Am nächsten Tag geht die Reise weiter auf der Schmalspurbahn, die übrigens seit 2002 nicht mehr existiert. Fortsetzung folgt!
In der letzten Folge unseres Reiseberichts fahren wir nach drei Reisen in den Norden und Nordwesten nun in den Süden von Madrid. Am Sonntag, 8. März steigen wir wieder in Puerta del Sol in die Metro ein. Nach einmal Umsteigen sind wir in Puerta de Arganda. Es geht nun zwar weiter auf der Linie 9, aber wir müssen umsteigen. Es soll uns nicht nochmals das Gleiche passieren, wie vor drei Tagen in Tres Olivos, wo wir die Durchsage verpassten und schliesslich wieder in die Richtung fuhren, woher wir gekommen waren !
Der Zug 6101 aus zwei Triebwagen und einem Mittelwagen ist eine der 7 Einheiten, die 1998–1999 von CAF für diese Strecke geliefert wurden.
Der Endabschnitt der Linie 9 Puerta de Arganda–Arganda del Rey hat die gleiche Tarifierung, Beschilderung und das gleiche Erscheinungsbild wie die übrige Metro von Madrid, wurde aber an eine andere Betriebsgesellschaft vergeben, die Transportes Ferroviarios de Madrid (TFM). Sie wurde 1999 in einem noch kaum urbanisierten Bereich der spanischen Hauptstadt eröffnet, teilweise auf dem Trassee der früheren Meterspurbahn Ferrocarril del Tajuña, also eine richtige «Überlandmetro».
Wir steigen in la Poveda, an der zweitletzten Station aus. Hier ist der Sitz des Centro de Iniciativas Ferroviarias Vapor Madrid (CIFVM), einer 1987 gegründeten Gesellschaft, die sich für den Dampfbahn-Modellbau und den Erhalt des historischen Eisenbahnerbes einsetzt. 1994 organisierte sie die ersten Dampffahrten auf der meterspurigen Ferrocarril del Tajuna, die damals noch für Kalktransporte der Zementfabrik von Vicálvaro genutzt wurde. Nach Schliessung der Strecke Vicálvaro–Morata de Tajuña 1997, wurde ein Grossteil des Trassees zur Verlängerung der Metrolinie 9 übernommen, mit Ausnahme des Abschnitts zwischen La Poveda und Arganda del Rey, der den Neubau einer Brücke über den Rio Jarama nötig gemacht hätte. Die CIFVM konnte 2001 diesen Streckenabschnitt übernehmen und begann mit dem Betrieb des Dampfzugs «Tren de Arganda». Unter der herrlichen, originalen RENFE-Signalbrücke fährt die Lokomotive Nr. 1 vom Depot aus an den ersten Zug des Tages. Die Fahrt kann losgehen!
Auf uns wartet eine Reise von 3,437 km durchs Tal des Rio Jarama, vorbei an Teichen, ehemaligen Kiesgruben und hohen Gipsgesteinfelsen, bis der Zug die Endstation Laguna del Campillo in der Gemeinde Rivas-Vaciamadrid, 15 km südöstlich von Madrid erreicht. Rasch umfährt die Dampflokomotive den Zug…
… Dann geht es wieder zurück nach La Poveda, allerdings ohne uns, denn wir haben uns dafür entschieden, zu Fuss zurückzukehren, um an den reizvollsten Stellen der Strecke Fotos machen zu können. Es fehlt nicht an schönen Motiven, denn der Frühling hat begonnen. Welch ein Unterschied zum kalten Wind und dem Schnee in der Sierra de Guadarrama vor zwei Tagen, nur rund 50 km nördlich ! Die Dreikupplerlokomotive Nr. 1 heisst «Arganda» und wurde 1925 von Henschel für ein Bauunternehmen gebaut. Zuletzt stand sie bei der Hafenerweiterung von El Musel (Gijón) in Asturien im Einsatz. 2017 erhielt sie in den Werkstätten RSC in Valladolid einen neuen Kessel.
Der zweite Zug des Tages fährt unterhalb der eindrücklichen Felsen der rechten Seite des Jarama-Tals vorbei. Die Wagen C 1 und C 2 entstanden 2006 und 2009 in einer Arbeits-Integrationswerkstätte, der AB 201 (Carde y Escoriaza, 1916) in Zugmitte stammt von der Tajuna-, später La Robla-Bahn, der offene F 5 am Zugschluss ist ein ehemaliger Gepäckwagen der Minenbahn Ponferrada–Villablino.
Die prächtige Frühlingsvegetation lockt viele Wanderer und Velofahrer auf den Weg parallel zum Eisenbahntrassee. Allerdings war diese idyllische Gegend nicht immer ein Ort von Ruhe und Frieden. Während des spanischen Bürgerkriegs versuchten die nationalistischen Putschisten im Februar 1937 den Durchbruch am Rio Jarama, wurden aber nach drei Wochen schwerer Kämpfe von der regulären republikanischen Armee zurückgeworfen, unterstützt von internationalen Brigaden, worauf sich die Front um Madrid während zweier Jahre stabilisierte.
Der dritte und letzte Zug des Tages kommt, Tender voraus. Weil die Maschine als Industrielokomotive gebaut wurde, ist ihr Lichtraumprofil kleiner als jenes der Wagen. Obwohl die Zweiachswagen in der Integrationswerkstätte «Ramon Aparicio» in Arganda del Rey neu gebaut worden sind, fügen sich trotzdem gut ins Bild des historischen Zugs ein.
Hier sind wir an der berühmten grünen Brücke von Arganda. Sie wurde während den Kämpfen des Bürgerkriegs zerstört und 1940 wieder aufgebaut unter Verwendung von Jochen einer breitspurigen Brücke der Ferrocarriles del Oeste. Mit 169 m Länge ist sie in diesem Bereich der einzige Übergang über den Rio Jarama und dient zwischen den Zügen einem intensiven Fussgänger- und Velofahrerverkehr. Hier wollte gerade eine Mountainbikefahrergruppe die Brücke überqueren, als sich mit lautem Pfeifen der letzte Zug des Tages ankündigte und sie rasch von den Gleise vertrieb. A propos Pfeifen: Aus der Zeit des Normalbetriebs ist eine Redensart erhalten geblieben, die auch von den Freiwilligen der Touristenbahn weiter überliefert wird: « El tren de Arganda, que pita mas que anda » (Der Zug von Arganda pfeift lauter als er vorankommt!)»
Wir kehren zum Bahnhof La Poveda zurück. Die Anlagen wurden vorzüglich restauriert, natürlich mit einem Museum im Bahnhofgebäude. Der Schienentraktor von Orenstein & Koppel, 1956, stammt von der Solvay-Chemiefabrik Torrelavega in Kantabrien und wird den Zug rangieren. Die Vereinigung besitzt auch einen weiteren Schienentraktor deutscher Herkunft, einen DIEMA von 1972.
Die Dampflok manövriert mit dem Gepäckwagen, um in die Remise zu fahren, die in der Industriezone in der früheren Zuckerfabrik eingerichtet wurde. Als Spanien am Ende des 19. Jahrhunderts seine Kolonien in Kuba und auf den Philippinen verlor, wurden im Raum Madrid Zuckerrüben angebaut und in La Poveda eine grosse Zuckerfabrik mit Bahnanschluss gebaut. In der Remise des Vereins stehen auch noch zwei weitere Dampflokomotiven, eine betriebsfähige Dreikuppler-Maschine von Orenstein & Koppel von 1926 und eine Lok von Blanc-Misseron / Tubize von 1896, die noch zu restaurieren ist.
Damit verlassen wir aber diesen faszinierenden Touristenzug und kehren nach Madrid zurück. Wie in der letzten Folge über den Extrazug nach El Escorial erzählt, fahren wir noch zum Bahnhof von Pinar um ein paar Fotos zu machen, dann geht’s zum zweiten grossen Bahnhof von Madrid: Chamartin.
Der Bahnhof Chamartin im Norden der spanischen Hauptstadt entstand 1967, um jenen von Atocha zu entlasten. Chamartin und Atocha sind mit einer etwa 8 km langen unterirdischen Linie verbunden. Ein elektrischer Zug «Media Distancia» der Serie 449 von CAF steht inmitten der für die damalige Zeit typischen Architektur
Mit diesem Bild verabschieden wir uns von der spanischen Hauptstadt. Es zeigt einen Vorortszug «Civia» und einen der drei täglichen «Altaria»-Züge, die Madrid-Chamartin mit Albacete, Murcia und Cartagena über die klassische Breitspurstrecke verbinden. Die vierachsige Lokomotive 334.020 an der Spitze eines Talgo IV-Zugs gehört zu einer Serie von 28 Maschinen, die zwischen 2006 und 2008 von Vossloh geliefert wurden. Sie fahren 200 km/h schnell und haben 3256 PS.
Vor unserer Rückreise nach Frankreich haben wir am 9. März nochmals das Eisenbahnmuseum von Madrid-Delicias besucht, wo an den Perrons des 140jährigen Bahnhofs die Zeugen aus der Vergangenheit der spanischen Eisenbahnen stehen. Gegenüber unserem Besuch von 2018 hat sich bei den ausgestellten Fahrzeugen aber kaum etwas verändert.
Als weitere Folge über unseren Aufenthalts in Madrid kommen wir nun zum Ausflug vom Samstag, 6. März 2020. Erneut geht es in den Norden von Madrid. Wir fahren mit der Metro von der Puerta del Sol zur Station Opera und steigen dann auf die Linie R (= Ramal, Abzweigung, Seitenstrecke) um. Dies ist eine knapp 1,1 km lange Strecke auf der eine einzige Zugskomposition hin und her fährt. Die Linie R bedient das Quartier Príncipe Pío und la Estación del Norte, einen der früheren grossen Madrider Kopfbahnhöfe. Bemerkenswert ist am Hauptgiebel der Stern, der als Unternehmenssymbol auf den meisten Gebäuden der Norte zu sehen ist.
Dieser Bahnhof wurde 1882 von der «Compañía de los Caminos de Hierro del Norte de España» (CCHNE) als Endbahnhof in Madrid eingeweiht. Die Hauptstrecke dieser Gesellschaft verband Madrid mit der französischen Grenze über Avila, Valladolid, Burgos, Venta de Baños, Miranda de Ebro und Irún. Französische Investoren waren massgeblich an der Spanischen Nordbahn beteiligt, insbesondere die Gebrüder Emile et Isaac Péreire, Gründer der französischen «Compagnie des Chemins de fer du Midi». Dies könnte auch der Grund sein, warum im Namen – ähnlich wie auf französisch – der Ausdruck «Caminos de Hierro» statt des spanisch gebräuchlicheren «Ferrocarril» steht? Seit der Umstrukturierung heisst der Bahnhof Madrid Estación de Príncipe Pío.
Im Príncipe Pío Bahnhof nehmen wir den Touristenzug «Tren de Felipe II», ins Leben gerufen 2017 von der Autocargesellschaft ALSA, welche bei dieser Gelegenheit eine Eisenbahnbetreiberlizenz auf dem spanischen Eisenbahnnetz der ADIF (Administrador de Infraestructuras Ferroviarias) erhielt. Der Zug besteht aus Fahrzeugen, die von der Fundación de los Ferrocarriles Españoles zur Verfügung gestellt wurden und verkehrt als Tagesausflug zum Besuch von Palast und Klosteranlage El Escorial, dem unter UNESCO-Schutz stehenden grössten Renaissancebau der Welt.
Die sechsachsige Diesellokomotive 2148, früher nummeriert als 321.048, wurde 1966 von der Sociedad Española de Construcción Naval (SECN) unter Lizenz von American Locomotive Company (ALCO) gebaut. Sie ist Teil einer Lieferung von 80 Lokomotiven von 1965 bis 1971. Ursprünglich verfügten die Lokomotiven über eine ölgefeuerte Dampfheizung, die aber ausgebaut wurde, als die Maschinen vor allem für den Güterverkehr eingesetzt wurden. Deshalb wurde am Extrazug ein Heizwagen mitgeführt, was in der kalten Jahreszeit kein Luxus ist. Bei meiner ersten Reise im Januar 2018 verteilte das Begleitpersonal des Zugs Decken an die frierenden Fahrgäste, und es reichte nicht für alle!
Bei unserer Fahrt bestand der «Tren de Felipe II» aus drei Wagen der Serien 5000 und 6000, bestellt 1946 von der damals erst 5 Jahre alten RENFE, um den von den Vorgängerbahnen übernommenen Wagenpark zu verjüngen. Die ersteren wurden von der französischen Industrie geliefert, die zweiten von spanischen Firmen gebaut. Neben unserem Zug steht ein Dieselzug der Reihe 599 für Verbindungen «Media Distancia». 50 Exemplare dieser dreiteiligen Züge mit 1900 PS und Höchstgeschwindigkeit 160 km/h wurden 2008–2009 von CAF geliefert.
Nach einer angenehmen Fahrt mit typischem Alco-Motorengeräusch und amerikanischem Hupenklang erreichen wir El Escorial. Auf unserer 50 Min. dauernden Fahrt durch das Vorortsgebiet im Nordwesten von Madrid haben wir 50 km zurückgelegt, die Flüsse Rio Manzarenes und Guadarrama überquert und 200 m Höhendifferenz überwunden. Hier sehen wir unsere 2148 neben einem Triebwagenzug des Typs «Civia» der Serie 465, im Einsatz auf der Madrider Vorortslinie C 3.
Ein Bus führt uns vom Bahnhof zum Ort de San Lorenzo del Escorial. Dort kann während mehreren Stunden die riesige Anlage des Klosterpalasts besucht werden. Das Escorial wurde im 16. Jahrhundert durch König Philipp II. erbaut, Sohn von Karl V. und Isabella von Portugal. Es beeindruckt durch seine Gebäude mit ihren Innenräumen, aber auch durch seine karge Umgebung nahe der Sierra de Guadarrama.
Schon wird es Zeit, zum Bahnhof zurückzukehren, wo der Zug auf uns wartet. Wir werfen ein Auge auf den «Calderin», den zweiachsigen Heizwagen, der aus einem gedeckten Güterwagen der Serie J 300000 der 1950er Jahre entstand. Die elektrisch beleuchteten Zugschlusslaternen wirken sehr stimmungsvoll.
Nach dem Aussteigen der Fahrgäste in Madrid Príncipe Pío fährt der Zug leer zum Bahnhof Madrid Delicias weiter, wo er zwischen den Verkehrstagen in den Anlagen des dortigen Eisenbahnmuseums abgestellt ist. Über der Lok erkennt man die Fahrleitungs-Stromschiene auf der unterirdischen Strecke zwischen den beiden Bahnhöfen.
Nun als kleiner Verstoss gegen den chronologischen Reisebericht: Am Freitag, 5. März, auf der Rückfahrt aus Cercedilla und am Sonntagnachmittag 7. März besuchten wir den Bahnhof Pinar, 20 km nördlich von Madrid, gelegen an der gemeinsamen Strecke der Linien nach Irún und Segovia. Dort zweigt auch die Verbindung zu den RENFE- und Talgo-Werkstätten von Las Matas ab. Auf der Rückfahrt aus El Escorial kommt am Sonntagnachmittag auch der «Tren de Felipe II» vorbei und…
… begegnete einem doppelt geführten « Civia »-Zug der Serie 465, der auf der Linie C 3 der «Cercanias» nach El Escorial unterwegs war.
Ein Zug «Media Distancia» der Serie 449 überholt im Bahnhof Pinar einen Vororts- und einen Güterzug. Diese Serie 449 ist die elektrische Version der Dieseltriebwagenzüge der Serie 599, wie wir sie in Príncipe Pío angetroffen haben. Sie wurden von 2008 bis 2011 in 57 Exemplaren von CAF gebaut. Einige sind auch für das CAF-Spurwechselsystem BRAVA vorbereitet, was ihren Einsatz ausserhalb des iberischen Breitspurnetz von 1668 mm auch auf den normalspurigen AVE-Strecken ermöglichen würde.
Nun folgt auf Blockdistanz hinter dem «Media Distancia» ein Containerzug des privaten Betreibers Continental Rail. Die sechsachsige 333.380 ist eine der beiden Lokomotiven, die 2005 von Vossloh an diese Firma geliefert wurden, einer Tochtergesellschaft des Bauunternehmens Vias y Construcciones. Sie sind im Südwesten von Madrid in Fuenlabrada stationiert.
Ein «Civia»-Zug der Serie 465, im Einsatz auf der C 3 El Escorial–Aranjuez fährt an den RENFE-Werkstätten von Las Matas vorbei. Im Hintergrund erkennt man die verschneiten Berge der Sierra de Guadarrama mit den Antennen von «Bola del Mundo», die wir auf unserer Fahrt nach Cotos entdeckt haben.
Nach unserer Rückkehr nach Madrid folgt nun eine letzte Sonntagsexkursion, auf dem Programm: Dampf und Meterspur!
Bereits am 5. März 2018 erschien ein Blog mit diesem Titel über meinen Ausflug vom 29. Januar 2018. Deshalb folgt hier über unsere Fahrt vom 6. März 2020 auf der Meterspurbahn in der Sierra del Guadarrama Blog Nr. «2» zu diesem Thema. Angaben über die Strecke und ihre Geschichte sind im Blog 1 und werden deshalb hier nicht mehr wiederholt.
Unsere Fahrt vom 6. März 2020 begann frühmorgens mit der Metro von der Station Puerta del Sol zum Bahnhof Atocha. Im Gegensatz zum pulsierenden Leben abends ist Madrid am frühen Morgen fast ausgestorben, kaum wieder zu erkennen. Um 7 Uhr stiegen wir in den Vorortszug der Linie C 8 der «Cercanias» ein. Nach Chamartin leerte sich der Zug, desto weiter wir uns von der Hauptstadt entfernten. In Villalba verliessen wir die Hauptstrecke nach Avila, und es ging weiter auf der altenn Gebirgsstrecke, die nach Eröffnung der normalspurigen Hochgeschwindigkeitsstrecke Madrid–Valladolid 2007 in Segovia endet. Bei Tagesanbruch öffnete sich ein weites Panorama Richtung Westen auf die Hochebene, das riesige Kreuz des monumentalen Gedenkstätte des Valle de los Caidos und in weiter Ferne auch auf den El Escorial-Palast.
Im nun fast leeren Zug erreichten wir die Endstation Cercedilla. Es war kalt, was bei einer Höhe von 1158 m über Meer nicht erstaunte. Nach einem Kaffee im Hotel, welches die Bahnhofumgebung dominiert, kehrten wir auf den Perron 1 zurück, wo die Triebwagen 442.006 und 002 der Meterspurbahn Cercedilla–Cotos warteten. Sie wurden in 6 Exemplaren von MTM in Barcelona gebaut, die ersten drei 1976, die drei weiteren 1982 und 1983. Ihr Schweizer Aussehen sticht in die Augen. Wie wir schon im ersten Blog berichteten, sind sie von den damaligen Fahrzeugen der Lausanne–Echallens–Bercher Bahn (LEB) abgeleitet, mit elektrischen Ausrüstung von Sécheron Genf (damals bereits BBC) und Schlieren-Drehgestellen. Von den 6 Triebwagen fehlt die Nr. 003, die 1998 abgebrochen wurde.
Das Wetter war sehr wechselhaft, die Sonne kam und verschwand wieder. Entgegen unserer Annahme blieben die Triebwagen 006 und 002 im Bahnhof und die Nr. 442.001 rangierte, kam zum Perron und stand zur Abfahrt um 9.35 Uhr bereit. Links auf den Breitspurgleisen ein Triebwagen der Serie 446 der Linie C 8 Richtung Madrid.
Nach 41 Minuten Fahrt durch den Wald erreichten wir die Endstation der 18,2 km langen Linie, Cotos, mit 1819 m über Meer der am höchsten gelegene RENFE-Bahnhof. Im Gegensatz zu meiner ersten Fahrt im Januar 2018 lag fast kein Schnee aber ein eisiger Wind blies vereisten Schnee auf die Perrons.
Nur wenige mutige Wanderer brachen an diesem Morgen zum nahen Cotos-Pass auf. Lieber nahmen wir nach 27 Minuten Aufenthalt zur Rückfahrt im Steuerwagen Platz und genossen die gut funktionierende Heizung.
Dann unterbrachen wir die Fahrt im einzigen, noch von Personal bedienten Zwischenbahnhof, Puerto de Navacerrada auf 1765 m Höhe. Der Pass lag im Nebel, das Ferienzentrum des Armee war geschlossen, die Skipisten leer und die Sessellifte standen still. Wir benützten die zweistündige Fahrplanpause bis zum nächsten Zug zum guten Mittagessen in einem Hotel des oberen Dorfteils.
Nun wurde das Wetter etwas besser und plötzlich beleuchtetet die Sonne die Sendeanlagen für Radio und Fernsehen von La Bola del Mundo auf dem Gipfel des Alto de Guarramillas auf 2257 m Höhe. Mit den spektakulären Antennen erinnerte alles etwas an den Puy-de-Dôme oder den Brocken ? Nur schade, dass kein Zug hochfährt…
Nach unserer Rückkehr nach Cercedilla wurde das Wetter immer besser, und wir machten vor der Rückfahrt unseres Zugs nach Madrid noch einen Bummel durchs Dorf. Das älteste Gebäude ist die romanische Kirche San Sebastian. Ihr Bau begann im 13. Jahrhundert.
Im Dorf folgt das Trassee der Schmalspurbahn in Seitenlage der Calle Ramon y Cajal, benannt zu Ehren eines spanischen Nobelpreisträgers der Medizin. Wie viele Madrider kam auch er jeden Sommer nach Cercedilla in die Sommerferien. Der Zug 442.001 kommt aus Cotos.
Eine Viertelstunde später fuhr der Triebwagen 442.001 den letzten Zug des Tages nach Cotos.
Der Fahrplan umfasst 5 tägliche Zugpaare auf der Schmalspurbahn, die als C 9 zum regionalen Bahnnetz von Madrid gehört. Leider sind die Tage dieser schönen Schweizer Züge gezählt, denn die RENFE hat im Juni 2020 einen Vertrag mit CAF zur Lieferung von 6 neuen Zügen abgeschlossen (sh. EA 8/20).
Im Südosten des Bahnhofs Cerdedilla fährt ein Breitspurzug der RENFE-Serie 446 auf der Linie C 8 nach Madrid.
Vom gleichen Standort gesehen fährt hier ein Meterspurzug der Serie 442 Richtung Puerto-de-Navacerrada und Cotos.
Im späteren Nachmittag fuhren wir nach Madrid zurück. Der Bahnhof von Cercedilla wird von den Regionalzügen nach Segovia und der Madrider Vorortsstrecke C 8 bedient. Es fahren die Triebwagen der RENFE-Serie 446, die 1989–1993 in 170 Exemplaren gebaut wurden. Sie sind in den Madrider Depots von Fuencarral, Humanes und Cerro Negro stationiert und besorgen einen grossen Teil des Vorortsverkehrs der «Cercanias».
Nach diesem Bahnausflug in die Sierra de Guadarrama folgten nun noch zwei weitere schöne Tage Eisenbahn in der Umgebung von Madrid.
Nachdem mir meine erste Reise in die Region Madrid im Januar 2018 (sh. Blog vom 6. März 2018) sehr gefallen hatte, freute ich mich, im März 2020 nochmals dorthin zurückkehren zu können. Ein Grund dafür war, dass wir für unseren «Train des Pignes» auf den Chemins de fer de la Provence (Verein GECP) in Valencia eine Mallet-Dampflokomotive abholen konnten.
Wir flogen am 3. März 2020 von Nizza nach Madrid. Am dortigen Flughafen Barrajas ist alles vorzüglich organisiert: Im Terminal 4 kann man ein Verbundsbillett für 5 Tage für die Region Madrid (Zug, Metro, Tram und Autobus) kaufen und dann mit der Linie C 10 der Vorortsbahn in etwa einer halben Stunde direkt ins Stadtzentrum fahren.
In Madrid-Atocha fahren im Bahnhofteil Puerta de Atocha die normalspurigen AVE-Hochgeschwindigkeitszüge ab (AVE (Alta Velocidad Española). Das Gepäck kommt auf Rollbänder, man bekommt eine Platznummer und begibt sich erst kurz vor der Abfahrt auf den Perron. Es ist ähnlich wie mit dem Flugzeug, und dieser Ablauf wurde wohl nach den schlimmen Attentaten von 2004 auf das Madrider Bahnnetz eingeführt. Glücklicherweise darf man zum vorderen Perronende gehen, und so mache ich rasch ein Foto. Die kühle Atmosphäre steht im Kontrast zum entspannten Leben in Madrid.
Unser Zug ist ein «S 112» der RENFE aus einer Serie von 30 Zügen mit einer v-max von 330 km/h, die 2010 für die Hochgeschwindigkeitsstrecke Madrid–Valencia geliefert wurden. Die beiden Triebköpfe mit dem charakteristischen Entenschnabel («pico de pato») wurden von Bombardier gebaut. Zwischen ihnen sind 12 Talgo-Wagen gereiht.
Nach einer Reise von 1 Std. 45 Min. durch eine häufig wüstenartige Landschaft kamen wir im Endbahnhof Joaquin-Sorolla in Valencia, auch hier ein eher unbehaglicher Bahnhof, den wir rasch Richtung Station Jesus der meterspurigen Metro von Valencia verlassen.
Damit machen wir einen kleinen fotografischen Abstecher nach Valencia oder gar zu den portugiesischen Schmalspurbahnen.
Denn der 4. März ist der grosse Tag: Um 8 Uhr sind wir im ehemaligen Depot Torrent der Ferrocarrils de la Generalitat Valenciana (FGV), welche das Metronetz und die meterspurigen Bahnen der Agglomeration von Valencia betreiben. Wir sind mit dem Besitzer der portugiesischen Mallet-Lokomotive E 182 verabredet, einer (1’B)C2 von Henschel, 1923, «fast» identisch mit unserer E 211 und doch verschieden, weil sie ihre Karriere auf der damals noch 900 mm-spurigen Linha do Porto à Póvoa e Famalicão (PPF) begann. Ein ehrwürdiger Dodge-Transporter zieht die Lokomotive aus der Remise, wo sie seit 5 Jahren stand. Nun beginnen die Verladearbeiten zum Transport nach Puget-Théniers (EA NiK 5/20). Aus Profilgründen wurde das Kamin wegen des Lichtraumprofils demontiert.
Nach allen Abklärungen und Vorbereitungen für den Transports geht es am späteren Nachmittags wieder zum Bahnhof Joaquin-Sorolla und mit dem AVE zurück nach Madrid.
Am 5. März scheint in Madrid nicht die Sonne wie in Valencia. Es ist grau und windig, also ein idealer Tag um die städtischen Verkehrsbetriebe zu besuchen, von meinem Hotel an der Puerta del Sol fahre ich nun in den Westen der Hauptstadt. Nach einigem Umsteigen erreiche ich die Tramlinie ML 3, mit der ich bis zur Endstation Puerta de Boadilla fahre. Sie ist 13,7 km lang und die längste der drei «Leichtmetro-Linien» (=Metro Ligero) von Madrid.
Auf der Rückfahrt kann ich an der Haltestelle Boadilla Centro einen «Citadis 302» von Alstom in einer fast winterlichen Regenstimmung fotografieren. Für das neue Tramnetz hat Madrid 2007 70 Fahrzeuge dieses Typs bestellt. Aber weil während der Wirtschaftskrise nicht alle geplanten Linien gebaut wurden, behielt man nur etwa die Hälfte dieser Wagen und verkaufte die überzähligen dem benachbarten Netz von Parla, nach Jaén, Murcia nach Adelaide (Australien), ein Wagen wurde sogar für einen Versuchsbetrieb in Buenos-Aires (Argentinien) ausgeliehen. Die 27 Wagen 101–127 stehen auf den Linien ML 2 und 3 im Westen von Madrid im Einsatz.
Noch immer bei Regen steige ich in Colonia-Jardin in die Metrolinie M 10 Puerta del Sur–Hospital Infanta Sofia Richtung Stadtzentrum um. Auf dieser in Etappen zwischen 1961 und 2002 eröffneten Strecke folgt die Metro während einigen Kilometern dem Waldpark von Casa del Campo, einem traditionellen Erholungsgebiet von Madrid. Zwei Stationen sind hier oberirdisch, mit richtigem Bahnhofgebäude, hier Batan…
… und hier Lago, unweit des Sees von Casa de Campo, mit einem Glockentürmchen auf dem Dach, wie ein richtiger Vorortsbahnhof. Auf der Linie M 10 stehen 30 Züge der Serie 7000 von Ansaldo-Breda im Einsatz, geliefert von 2001 bis 2004. Sie bestehen aus 6 Elementen, d.h. zwei Triebwagen mit Führerstand an den Enden, dazwischen zwei Triebwagen und zwei Wagen.
Mittags geht es dann zur Tramstrecke ML 1 Pinar-de-Chamartin–Las Tablas, 5,4 lang und in Betrieb ebenfalls seit 2007. In der Endstation Las Tablas kann ich endlich bei freundlicherem Wetter einen Alstom «Citadis 302» fotografieren, der das Gleis wechselt. 8 Wagen mit den Nummern 128-135 sind dieser isolierten Strecke im Nordosten der Stadt zugeteilt.
Unterirdisch geht unsere Entdeckungsreise nun weiter. In der Gemeinschaftsstation Pinar de Chamartin des Trams ML 1 und der Metrolinien M 1 und M 4 steht eine Erinnerung an die alten städtischen Trams von Madrid, die 1972 verschwunden sind: Der Wagen 477 wurde 1921 in Belgien gebaut.
Die Metrostation Chamartin, nahe des gleichnamigen Bahnhofs, beherbert einen wahren Schatz. Auf einem nicht mehr benötigten Bereich wurden im letzten Jahr zwei Gleise gelegt, wo seither als permanente Ausstellung alte Züge der 100jährigen Madrider Metro gezeigt werden. Diese war am 17. Oktober 1919 vom spanischen König Alfonso XIII. eingeweiht worden. Sechs verschiedene Züge dokumentieren die verschiedenen Fahrzeuggenerationen und sind an zwei Perrons so aufgestellt, dass sie auch besucht und gut fotografiert werden können. Ein sehr schönes Beispiel auch für andere europäische Grossstädte !
Der herrliche Zug M 9 + R 9, geschmückt mit dem königlichen Wappen, vertritt die älteste Fahrzeuggeneration der Madrider Metro. Diese Züge, genannt «Cuatro-Caminos» wurden 1919 von Carde y Escoriaza zur Eröffnung der Linie 1 Puerta del Sol–Cuatro Caminos geliefert, unter dem Patronat von König Alfonso XIII, der selber Privataktionär der Metrogesellschaft war. Der Zug rechts ist aus zwei Fahrzeugen gebildet, die bei der etappenweisen Verlängerung der Linie 2 geliefert wurden: Der Motorwagen M 122 «Quevedo», gebaut 1927 von der Sociedad Española de Construccion Naval und der Wagen R 103 «Ventas», gebaut 1924 von Euskalduna in Bilbao.
Die M 1121 und 1122 wurden 1965 von CAF gebaut. Mit ihrer typischen grün-crèmefarbenen Lackierung gehören sie zum «vormodernen» Rollmaterial der Madrider Metrolinien des Kleinprofilnetzes (Linien 1–5). Von dieser Serie 1000 standen einige Einheiten noch bis 2002 im Einsatz. Links erkennt man den Zug «Salamanca» M 65 + R 65, gebaut 1943 von CAF für die Eröffnung Linie 4 im darauffolgenden Jahre
Der Zug links, M 6 + R 6 ist ein ehemaliger «Cuatro-Caminos» von 1919, der modernisiert wurde. Obwohl er ähnlich aussieht, wurde der Zug «Legazpi» M 504 + M 505 in der Mitte 1956 in der Metrowerkstätten gebaut.
Wer sich für die Geschichte der Madrider Metro interessiert, findet dazu auch noch einige Bilder und Infos im erwähnten Blog vom 6. März 2018. Am nächsten Tag (und im nächsten Blog) besuchen wir nochmals die Schmalspurbahn der Cercedillas, wo noch Schweizer Schmalspurbahnzüge fahren.