Dies weckt Erinnerungen an eine ukrainische Hotelzugfahrt Teresva – Rachiv im Transit durch Rumänien im Juni 1997.
Schon im November 2022 war es nach umfangreichen Instandstellungsarbeiten angekündigt worden: Am Nachmittag des 17. Januar 2023 wurde nun der Grenzübergang Rachiv/Valea Vișeului nach rund 17 Jahren Stilllegung für den Personenverkehr wieder geöffnet. Ab 18. Januar verkehrte auch das vormittägliche Zugpaar.
Gemäss Internet verkehren nun die folgenden Züge zwischen dem ukrainischen Rachiv und dem rumänischen Vișeului:
Rachiv ab 7.10, Valea Vișeului an 7.45
Valea Vișeului ab 11.45, Rachiv an 12.20
Rachiv ab 15.10, Valea Vișeului an 15.45
Valea Vișeului ab 18.10, Rachiv an 18.45
Der Grenzübergang liegt an der «Bahn zum Zentrum Europas» (sh. Artikel EA 11/95 und 12/96), die zu Zeiten der östereichisch-ungarischen Doppelmonarchie als Verbindung zwischen Ungarn, der Bukowina und dem südöstlichen Galizien gebaut worden war. Nach dem Zerfall der Donaumonarchie lag sie auf polnischem, tschechoslowakischem und rumänischem Staatsgebiet, mit «Péage-Verkehr» im tschechoslowakischen Transit durch Rumänien. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die ganze Strecke von der Sowjetunion auf Breitspur umgebaut. Die rumänische Transitstrecke ab Valea Vișeului wurde zum Vierschienengleis bis Sighetu Marmației, 1992 bis zum Grenzort Cîmpulung pe Tisa Richtung Teresva.
Die Wiedereröffnung ist Anlass, Fotos von einer besonderen Fahrt am 4. Juni 1997 hervorzuholen, als es dem ukrainischen Reisebüro Dzherelo gelang, im Rahmen der beliebten Ukrainereisen im Hotelextrazug eine Transitfahrt von Teresva durch Rumänien nach Rachiv zu organisieren. Die Reise durch Rumänien erfolgte hinter der ukrainischen M62 1047.
Gerne schliesse ich mich dem Blog von Christian Ammann an. Eine Gruppe von Eisenbahnfreunden folgte der Einladung von Migu Schneeberger (Verein Ostgleis, www.ostgleis.ch), vom 1. – 7.März 2014 durch Ungarn und den südwestlichen Teil der Ukraine zu reisen. Täglich wurden aber auch die Nachrichten über den Vorstoss der Russen auf die Krim und den Südosten verfolgt.
In Transkarpathien, also unmittelbar jenseits der ungarisch-ukrainischen Grenze, besuchten wir die Borzhatalbahn, ein einstmals ausgedehntes Netz in Schmalspur von 750 mm. Wir hatten das Vergnügen, an einem Markttag von Vynohradiv nach Chmilnyk mitzufahren.
Auf der Schmalspurseite dagegen das volle Marktleben- und über die Weiche im Vordergrund wird nach der Rückkehr umfahren !
Der bereitstehende Zug…
Für Hoffnung auf Obst und Beeren wurde ebenfalls gesorgt.
Beschauliche Dorfpassage in Shalanky. .. Übrigens: Die Wagen sind blau, das Schwärzliche ist aus der Lok “entflogenes” Dieselöl.
Der Lokführer ist immerhin froh, dass seine Maschine läuft.
Und wir fahren vorne mit.
Umfahren in Chmilnyk.
Für die nachmittaglichen Marktrückkehrer braucht es eine dritten Wagen – einen ölfreien.
Auf dem Rückweg macht der Fahrplanzug für uns einen Fotohalt.
Verladen auf freier Strecke.
Im Güterbahnhof Berehove (noch immer russisch angeschrieben: Beregovo) gähnender Stillstand – ausser ein paar Bahnliebhabern.
Am nächsten Tag noch einmal ein Blick auf die Schmalspurbahn – ist aber nichts passiert …
Nächstes Ziel war Korolevo, wo der Baudienst im Einsatz war…
… aber auch das Triebwagendepot liegt – hier das Personalhaus.
Und hier das saubere Gleisfeld.
Ein Blick ins Innere des D1 769-3.
Dann führt man uns eine halbe Stunde durch die ganze Werkstätte – hier nur ein Bild.
Weiterfahrt nach Kolotschawa – abseits jeder Bahn, aber mit einem Freilichtmuseum mit einigen Metern Schmalspurgleis und der einzigen in Transkarpatien erhaltenen Dampflok auf 750 mm. (sh. NiK, EA 6/21)
Auch eine Sanitätsdraisine steht dort, vermutlich von einer Waldbahn.
Habe ich «Waldbahn» geschrieben ? Unsere Reise geht über die Karpaten nach Vyhoda, Dort steht nicht nur ein solides Denkmal mit Schmalspurlok PT4 274, sondern auch noch aktive Gefährte, unter anderen ein TU6P.
Mit diesem Gefährt befahren wir eine Strecke von 21 km, erst über Land, dann durch ein unwegsames Tal zu den Holzverladeplätzen…
…wo sich seltsame Rückefahrzeuge tummeln.
Einfahrt eines Leerzuges mit einer TU8 und einer Ladung neuer Schwellen, nicht imprägniert …
… und mit einem Caboose.
Vor der Talfahrt ergibt sich ein kompliziertes Wendemanöver über ein Gleisdreieck.
Diesen Bahnhof kennen unterdessen alle, allerdings jetzt voll mit flüchtenden Menschen: L’wiw.
Auf Gleis 1 ist der Zug 86 nach Simferopol auf der Krim angezeigt.
Hier ist der Zug – am 5. März 2014 – ob er sein Ziel noch erreicht hat ?
Unsere Gruppe hatte das Glück, dass wir uns der Sonderfahrt einer literaturbegeisterten Gruppe (wohl Studenten und Professoren) anschliessen konnten, die den 200. Geburtstag des ukrainischen Nationaldichters Taras Shevtchenko feierten.
Wir erlebten die ukrainische Liebe zur Literatur,
aber auch die Liebe zu alter Technik.
Die Lok L 3535 (Achsfolge 1E) zeigte sich von der besten Seite.
Unsere kleine Gruppe durfte anschliessend auf dem Tender bis ins Lokomotivdepot mitfahren und sich dort vom edlen Zugpferd verabschieden.
Eine Extra-Strassenbahn holte uns am Bahnhof ab.
… und brachte uns zum Depot, wo wir den wenige Monate alten Prototyp 1179 besichtigten, der von einem Hersteller in L’wiw (Elektrotrans, sh. auch EA 8/13) stammt.
Am gleichen Abend nahmen wir im Nachtzug nach Budapest Abschied von der Ukraine.
Im schrecklichen Invasionskrieg in der Ukraine geraten kaum bekannte Städte in die beängstigenden Schlagzeilen: Russische Raketen auf Schytomyr, eine Stadt 120 km westlich von Kiew.
Meine persönlichen Erinnerungen an die Ukraine sind mit den Hotelzugreisen verbunden, die das ukrainische Reisebüro Dzherelo zur letzten Jahrtausendwende anbot. 1992 hatte man interessierten Reiseveranstaltern einen Hotelextrazug präsentiert, mit dem eisenbahnkundliche Reisen durch die damals vor einem Jahr unabhängig gewordene Ukraine unternommen werden konnten. Der Zug aus Schlaf-, Speise- und Barwagen war nicht nur Unterkunft und Transportmittel. Für Fotos, z.B. Scheinanfahrten spannte ihm Dzherelo auf landschaftlich interessanten Strecken auch eigene oder gemietete Dampflokomotiven vor.
Zwischen 1993 und 2008 wurden jährlich zahlreiche Fahrten mit englischen, deutschen, niederländischen, tschechischen, österreichischen und schweizerischen Organisatoren durchgeführt, beispielsweise 15 Fahrten 1995, je 13 Fahrten 1996 und 1997. Ab 2000 zeichnete sich ein Rückgang ab, 2007 waren es noch zwei Reisen. Vom 16.–23. Februar 2008 fand die letzte Reise statt, mit rund 120 Teilnehmern in 13 Wagen (EA 6/08). Danach verkaufte Dzherelo die eigenen Dampflokomotiven.
Die nachfolgenden Fotos entstanden am 12. September 1993. Schytomyr war nach unserer Ankunft in Kiew der erste Zwischenhalt mit dem Hotelzug. Wir besuchten die damals eher heruntergekommene ukrainische Provinzstadt wegen ihrem meterspurigen Tramnetz und auf dem Weg zum wichtigen Eisenbahnknotenpunkt Korosten.
Die fast 30-jährigen Fotos zeigen nicht das heutige Schytomyr und sie geben auch nur einen subjektiven Eindruck vom damaligen Schienenverkehr mit Fokus auf verkehrsgeschichtlich interessante Fahrzeuge. Sie sollen Schytomyr aber etwas herausholen aus der Anonymität der Kriegsmeldungen.