Nachtzug 468 aus Chur – Zürich HB am Morgen des 27. August 2006 nach Ankunft in Paris Est. Hinter der 172 172 – vermutlich wegen einer Überfuhr – eine zweite CC 72000.
Bis 10. Juni 2007 führte der Weg von Zürich nach Paris über die „Ostbahn“ Basel – Belfort – Chaumont – Troyes. Der TEE, später EC Arbalète, die andern Schnellzügen und der Nachtzug 468 fuhren über die sogenannte „Ligne 4“. Zwischen Belfort und Gretz-Armainvilliers im Osten der Pariser Banlieue fehlte die Fahrleitung (und fehlt sie noch bis heute). So oblag die Traktion am Schluss den imposanten CC 72000.
BB 68021 am 24. Mai 2000 in Bar-sur-Aube
Bei meiner ersten Reise im Frühling 1970 fand ich die Fahrt langsam, lange und langweilig. Ich erinnere mich an eine BB 67000 und einen Heizwagen. Später fielen mir immer mehr faszinierende Details auf, in einer unspektakulären aber doch sehr reizvollen Landschaft: Spontan denke ich etwa an die Stadt Langres auf dem Hügel, an spektakuläre einstige oder bestehende Abzweigungen mit Streckendreiecken, das Aufschlitzen des Tunnels von Grattery, eine fast unendliche Kolonne ausrangierter Güterwagen auf einer Überwerfung in Verneul-sur-l‘Etang, die Alstom-Fabrik in Belfort und natürlich den grossen Viadukt von Chaumont. Und dann die imposante Telegraphenleitung.
Der Viadukt von Chaumont, 600 m lang und 52 m hoch, 50 Bogen, erbaut 1855-56. Foto vom 24. Mai 2000.
Im Juni 2007 änderte alles: Nun kam der von vielen langersehnte TGV Zürich – Paris. Erst fuhr er über Strasbourg und die TGV-Nord-Strecke weiterhin nach Paris Est, seit 2011 über den TGV Rhin-Rhône nach Paris Gare de Lyon. Damit geht die Fahrt zwar wieder über die Strecke Mulhouse -Belfort , allerdings nur bis vor den einstigen französischen Grenzbahnhof Petit Croix (1871 – 1918), worauf der TGV in die Hochgeschwindigkeitsstrecke Richtung Dijon – Paris Gare de Lyon einbiegt.
Schnellzug aus Paris Est bei der Durchfahrt in Lusigny, 24. Mai 2000
Im Sommer 2018 hatte ich Gelegenheit, nach über 10 Jahren wieder einmal auf die „Ligne 4“ zurückzukehren. Auf der Fahrt von Belfort nach Champagney am 19. Juli kam es zum Wiedersehen mit dem Teich von Honeywell Bull und der Alstom-Fabrik, dann folgte Bas-Evette mit der Abzweigung nach Giromagny.
Bas-Evette – typisches Ostbahngebäude, Foto 19. Juli 2018
Später ging es durch den 1250 km langen Tunnel „La Challière“, (PK 429.050 – PK 430.300)
Ostportal des Tunnels „la Challière“. Man beachte die Telegraphenmasten, die den Hügel „überqueren“!
Dann folgt die Station Champagney mit ihrem „modernen Bahnhof“.
Das ursprüngliche Aufnahmegebäude von Champagney sah so aus wie der Jouef-Modellbahnhof Lusigny. Es fiel Bombardementen im Juli/August 1944 zum Opfer, die nach der Landung der Alliierten am 6. Juni den deutschen Nachschub an die Normandie-Front unterbinden sollten.
Das Aufnahmegebäude Lusigny am 24. Mai 2000.
Eine „Baleine“ X 73500 aus Belfort hält in Champagney, 19. Jui 2018
1906 zählte Champagney nur 1911 Einwohner, heute 3861. Der Streckenabschnitt Belfort – Vesoul wird von einigen Regionalzügen bedient, im Gegensatz zum nachfolgenden, langen Streckenabschnitt zwischen Vesoul – Longueville, wo der Regionalverkehr mit Bussen abgewickelt wird.
Autorail der Serie X 73500 aus Vesoul bei der Einfahrt in Belfort, 17. Juli 2018
Am 2. September 2018 folgte der nächste Besuch auf der „Ligne 4“: Jussey, einstiger Abzweigbahnhof zwischen Vesoul – Port d’Ateliers-Amance und Culmont-Chalindrey. Hier zweigte ab 1886 eine zeitweise doppelspurige Verbindung über Passavant nach Epinal ab, mit Anbindung an die Ligne 4 Richtung Vesoul und Richtung Paris. Doch das ist längst Geschichte. Und heute halten in Jussey auch für die Ligne 4 nur noch Autobusse.
Bahnhofplatz Jussey – gähnende Leere an einem Sonntagvormittag.
1906 zählte Jussey 2323 Einwohner, heute sind es noch 1815. Doch schon 1906 hatte man in jener Gegend einen Bevölkerungsrückgang seit 1870 beklagt.
Bahnhof Jussey, Département Haute-Saône: 35 km von Vesoul, 50 km von Langres und 347 km von Paris entfernt, 221,805 m über Meer.
Anfangs September wurde das praktisch leerstehende Aufnahmegebäude Jussey renoviert. Foto 2. September 2018
Französisches Eisenbahn-Stilleben am Bahnhof Jussey. Links dieTelegraphenleitung, rechts die doppelspurige Strecke Richtung Paris Est. Beim Bahnübergang steht in einem ehemaligen Eisenbahnergarten ein Pfirsichbäumchen.
Von der einstigen Gleisanlage des Abzweigbahnhofs sind nur noch die zwei Durchfahrgleise der vor 160 Jahren eröffneten „Ligne 4 in Betrieb.
Allerdings: Heute fahren zumindest zwischen Belfort und Paris Est täglich 5 TER-Zugpaare mit einer Fahrzeit von rund 4 Std. Dank modernen Zweikrafttriebzügen (Coradia Liner von Alstom) bedienen sie mehr Bahnhöfe als früher, ohne dass die Reisezeit verlängert wurde. Zwischen Mulhouse und Belfort (für die bereits in Mulhouse beginnenden oder endenden Züge) und zwischen Gretz-Armainvillier und Paris Est fahren sie elektrisch. Vielleicht doch eine Gelegenheit, um der „Ligne 4“ erneut einen Besuch abzustatten?
Alle Fotos: C. Ammann