30 Jan

Dampf in Bulgarien 1976 (2)

von José Banaudo

In der 1. Folge haben wir von der Reise nach Tscherwen Brjag berichtet. Diese 2. Folge beginnt am 23 August 1976 um 7 Uhr. Das Wetter ist grau und es regnet. Macht nichts, denn was sich uns nun bietet, ist aussergewöhnlich, und ich hoffe Sie entschuldigen deshalb die nicht sonderlich gute Qualität der Fotos.

Im Bahnhof Tscherwen Brjag ist auf der Normalspurseite ein Güterzug nach Pleven und Gorna-Oryahovitsa abfahrbereit, an der Spitze eine deutsche Dampflok der Serie 15. Am Perron zeigt ein grosses Werbeplakat einen strahlenden Arbeiter mit dem Slogan: «1976 – Jahr der unermüdlichen Arbeit». Ich bin nicht sicher, ob ein solches Motto auch heute noch begeistern würde?!

Wir gehen nun auf die Schmalpurseite. Sie war damals der eigentliche Grund unseres kurzen Aufenthalts in Bulgarien und hier ist das Risiko auch weniger gross, übereifrigen Polizisten aufzufallen als an den Hauptgleisen. Die 606.76 (1’E1’ h2t) steht abfahrbereit vor einem Personenzug. Zwei Personenzüge fahren bis Kneja, zwei nach Byala-Slatina und nur einer fährt bis zum Endbahnhof von Orjachowo an der Donau. Links beherrscht ein Laufkran die Güterumladeanlagen zwischen Schmal-  und Normalspurbahn.

Alle Züge werden von den Dampfloks 601.76–615.76 der BDŽ gefahren. Abgeleitet von der DR-Baureihe 99.7 auf den sächsischen 750 mm-Schmalpurbahnen, wurden die ersten fünf im Jahre 1941 durch BMAG Schwartzkopff geliefert. Nach dem 2. Weltkrieg folgten 10 weitere Maschinen nach den gleichen Plänen, gebaut 1949 vom polnischen Hersteller Fablok in Chrzanów. Mit einem Kesseldruck von 16 bar, 850 PS und einem Dienstgewicht von 62 t en 1949 waren diese Kraftpakete  ursprünglich für die Gebirgsbahn Septemwri–Dobrinischte bestimmt. Als diese aber ab 1965 die ersten vierachsigen Henschel-Diesellokomotiven der Serie 5 erhielt, kamen die 1’E1’ h2t auf die Strecke Tscherwen Brjag–Orjachowo, wo sie die E h2t ersetzten, von welchen wir noch die letzte Maschine beim Rangieren angetroffen hatte (Folge 1).

Nun aber ! Um 7.30 Uhr setzt sich die 606.76 vor dem Personenzug in Bewegung, während zur gleichen Zeit im Normalspurteil des Bahnhofs die «Kriegslok» mit dem Güterzug abfährt. (Bilder unten)

Also noch schnell zurück, um Bilder von der Baureihe 15 zu machen.

Später im Lauf des Vormittags kommt die 609.76 mit einem Personenzug in Tscherwen Brjag an. Die 609 …?

Natürlich, die 609.76 ist heute die einzige betriebsfähige, 760 mm-spurige Dampflokomotive Bulgariens. Ich würde ihr 42 Jahre später wieder auf der Strecke Septemwri–Dobrinischte vor einem Extrazug nach Velingrad begegnen. Dieses Bild am Bahnhof Tsepina wurde bereits im Blog vom 1. November 2018 über die Bulgarienreise veröffentlicht.

Doch zurück ins Jahr 1976. Nachdem sie wieder Wasser und Kohle gefasst hat und gedreht wurde, fährt die 609.76 mittags wieder mit einem Personenzug zurück. (Bild unten)

Die in den 1960er- und 1970er-Jahren gebauten bulgarischen Schmalspurpersonenwagen sehen recht modern aus. Die relativ lange Fahrt nach Orjachowo und die bald endende Dauer unseres Transitvisums verunmöglichen uns leider, mit der Schmalspurbahn zu fahren. So beschränken wir uns darauf, wenigstens einen Tag lang die Züge ausserhalb der Stadt Tscherwen-Brjag zu fotografieren.

Die 612.76 kommt an der Spitze eines weiteren Personenzugs. Und das Lokpersonal winkt uns freundschaftlich zu.

Wie die Zugskompositionen verleihen auch die Lichtsignale dieser BDŽ-Schmalspurbahn eine moderne Note. Übrigens, im Vergleich zu den andern, an diesem Tag gesehenen Loks weist die 612.76 eine Besonderheit auf: Der Kohlenkasten scheint einem Öltank Platz gemacht zu haben. Wurde sie wie einige ihrer normalspurigen Schwestern auch ölgefeuert? Ich habe dazu bis jetzt noch keine Angaben gefunden und bin an Antworten interessiert

Als letztes wohnen wir nun noch der Abfahrt eines der beiden täglichen Güterzüge hinter der 613.76 bei. Kleine rote Sterne schmücken die Windleitbleche.  

Hier ist klar, die 613.76 ist kohlegefeuert und die wertvolle Last türmt sich bis zur Grenze des Lichtraumprofils auf dem Tender. Gleich dahinter der Gepäckwagen, in dem der Zuführer mitfährt.

Noch rechtzeitig haben wir den Dampfbetrieb in Tscherwen-Brjag besucht. Denn noch vor Jahresende wurden die ersten vierachsigen Diesellokomotiven der Reihe 76 von Faur abgeliefert, die bis 1977 die gesamte Traktion übernahmen. Die grossen 1’E1’ h2t wurden abgestellt, die 605.76 diente noch als Dampfvorheizanlage bis zum Winter 1984/85. Heute sind die 609, 610, 611 und 613 in Dobrinischte, aber nur die erstere ist in betriebsfähigem Zustand für leider nur seltene Extrazüge. Die 615 steht als Denkmal vor der Verkehrsuniversität von Sofia. Was die Strecke Tscherwen Brjag–Orjachowo betrifft, so wurde sie 2002 bei einem Sparprogramm der BDŽ eingestellt. Ihre Infrastruktur wurde bei einem Hochwasser der Donau 2006 beschädigt, die Gleise teilweise von Metalldieben demontiert. Die Diesellokomotiven wurden zum grossen Teil an die Minenbahn Rio Turbio im argentinischen Patagonien verkauft.

Nun wird es Zeit, Richtung Mezdra und Sofia zurückzufahren. Doch ein letzter Zwischenfall bedroht unsere Abreise. Am Billettschalter stellen wir mit Schrecken fest, dass unsere letzten Leva nicht mehr für die beiden Billette reichen. Es ist hoffnungslos, in kurzer Zeit in dieser touristisch überhaupt nicht besuchten Stadt noch eine Wechselstube zu finden, und das Transitvisum läuft ab! Hinter uns bildet sich eine Schlange und Rekruten der bulgarischen Armee drängeln. Doch rasch begreifen sie unsere verzweifelte Lage und schenken uns die wenigen fehlenden Leva. Mein Begleiter hat noch einige Päckchen Gauloises-Zigaretten dabei, nicht für uns, sondern als typisch französisches Geschenk für die Eisenbahner und Leute, die uns behilflich sind. Rasch sind die Zigaretten verteilt und wir verlassen Tscherwen-Brjag mit den besten Wünschen auf die bulgarisch-französische Freundschaft. Am Abend sind wir in Sofia, am nächsten Tag an der jugoslawischen Grenze in Kalotina, dann im serbischen Dimtrovgrad, Niš, Beograd. Unser Interrail ist noch eine Woche gültig und wir werden es bis zur letzten Stunde ausnutzen.

Alle Fotos: J. Banaudo

Übersetzung: C. Ammann

02 Jan

Neubaustrecke der Appenzeller Bahnen (Teil 1)

AB 2086 als S21 nach Trogen in der 35kmh-Kurve vor der Einfahrt in St.Gallen (18.12.2020)

von Armand Wilhelmi, EMF St.Gallen

Nach der Aufhebung der 940m langen Zahnradstrecke mit bis zu 100‰ Steigung zwischen dem SBB-Güterbahnhof St.Gallen über die Ruckhalde bis Riethüsli und der Inbetriebnahme, bzw mit der Einweihung des 725m langen Ruckhaldetunnels (80‰) am 5. Oktober 2018, steht bei den Appenzeller Bahnen (AB) ein weiteres Grossprojekt an.

Bereits vor gut 10 Jahren planten die Appenzeller Bahnen die südlich vom SBB-Güterbahnhof verlaufende Strecke auf die Nordseite des Güterbahnhofgebäudes zu verlegen. In dieser Zeit folgten umfangreiche Abklärungen und Vereinbarungen mit den SBB. Nachdem vom Bundesamt für Verkehr (BAV) grünes Licht gegeben wurde, konnte das 40-Millionen-Projekt im April 2020 gestartet werden.

Die folgende Grafik zeigt den aktuellen Streckenverlauf auf der Südseite des Güterbahnhofareals und den zukünftigen Verlauf auf der Nordseite mit der neuen Haltestelle „Güterbahnhof“.

Quelle: Google Maps / sbu / St.Galler Tagblatt
Foto: Benjamin Manser / St.Galler Tagblatt

So präsentierte sich die Gleisanlage noch am 25.02.2020

von links nach rechts:

  • Gleis 93-83 von und nach St.Gallen Haggen (321)
  • Gleis 82 von St.Gallen Bruggen (280)
  • Gleis 81 nach St.Gallen Bruggen (180)
  • Gleis 90-80-70 Verbindungsgleis zwischen St.Gallen PB und GB
  • Geleise 700, 702 und 703. Diese Gleise werden vom Umbau nicht tangiert.
  • Geleise 704 – 708 werden verkürzt, ungefähr auf der Höhe, wo die Eem 923 005 „Oberberg“ im Gleis 703 steht.
  • Gleis 704 wird im Endzustand wieder verlängert und bei der Weiche 69 ins Gleis 503 eingebunden (neuer Standort LRZ).

Im Hintergrund AB 2082 als S21 nach St.Gallen-Trogen

Visualisierung: PD / St.Galler Tagblatt

Diese Visualisierung zeigt die zukünftige Haltestelle „Güterbahnhof“ mit den Gleisen 1 & 2 mit je einem Aussenperron. Hinter diesen beiden Gleisen befindet sich der neue,  gedeckte Unterstand für den LRZ (Gleis 503).

Im April 2020 war es dann soweit und die ersten Vorbereitungsarbeiten für den Rückbau der bestehenden SBB-Gleise 84, 85, 503 und 504 konnten beginnen.

Die Abstellgleise 704-707 im Güterbahnhof St.Gallen werden gekürzt und die ersten Baumaschinen fahren auf (15.04.2020).

Der Freiverladeplatz dient ab jetzt als Installationsplatz für die bevorstehenden Bauarbeiten: erste Lieferung von Armierungseisen für Betonsockel und Eisenstangen für Mikropfählungen.

Die Gleisanlage wie sich kurz vor der Ausserbetriebnahme am 18.04.2020 präsentierte.
von links nach rechts:

Gleis 84 mit Signal E84

Gleis 85 mit Signal E85

Gleis 503 (überdachtes Gleis an der Rampe)

Gleis 504 (überdachtes Kurzgleis an der Rampe). Bisheriger Standplatz für den Lösch- und Rettungszug (LRZ)

Mit Blick Richtung Westen von links nach rechts:

die Gleise 708 und 707, anschliessend die Gleise 504, 503, 85 und 84

In der vergangenen Nacht wurden Fahrleitungen, Fahrleitungsjoche, Gleislampen etc abgebaut.

Ein Teil vom Gleis 85 – zwischen den Gleisen 503 und 84 – wurde bereits zurückgebaut. Die Rampe in der Bildmitte (dunkler Belag) ist bereits komplett geräumt und wird abgebrochen.

Links das Gleis der Appenzeller Bahnen mit der Links- und der anschliessenden Rechtskurve. Gegen Ende 2021 wird davon nichts mehr zu sehen sein.

In der Bildmitte eine Treppe welche vor allem dem Lokpersonal diente, wenn es vom Personenbahnhof St.Gallen aus einen – in den Gleisen 84 oder 85 – abgestellten Zug im Güterbahnhof übernehmen mussten. Dieser begrünte Hügel wird bis auf das Niveau der nördlich davon liegenden Gleise abgetragen. Der Hauptschaltposten rechts wird abgebrochen. Dazu mehr weiter unten.

Der Geländeabbau erfolgt von Osten nach Westen und nimmt sukzessive in der Höhe ab. Im Gleis 84 steht ein Bauzug für den Gleisrückbau.

Links das ehemalige mechanische Stellwerk „St.Gallen HB III“. Zwischen den Gleisen liegen bereits neue Masten und Fahrleitungsjoche.

Hier entstehen die ersten Betonsockel für Masten, Abspannungen etc.

Die verkürzten Gleise 704-707 erhalten je einen Prellbock. Links und rechts davon sind bereits erstellte Betonsockel zu sehen.

Die Gleise 503 & 504 wurden bereits vollständig entfernt.

Links die verkürzten Gleise 704-707 von rechts nach links. Das Gleis 708 wird im Moment noch in seiner vollen Länge belassen, damit auf diesem noch Bauzüge verkehren können und die Zufahrt zum Freiverlad weiterhin gewährleistet ist.

Ein neues Fahrleitungsjoch wurde aufgestellt. Hier enden vorläufig Schienen und Fahrleitungen der Gleise 704-708. Das Gleis 708 bleibt vorläufig noch bestehen, allerdings fahrdrahtlos. Die Weiche im Vordergrund ist verkeilt und ohne Bedeutung. Das Gleis neben der gelben Mulde wurde schon vor längerer Zeit entfernt.

Diese Fotos vom 30.04.2020 zeigen das vollständig zurückgebaute Areal. Der nächste Schritt ist der Abbruch des Daches mit den entsprechenden Stützen.

Das Gleis 707 ist der vorläufige Standort vom LRZ. Dieser ersetzt den  im Gleis 706 im Hintergrund abgestellten älteren LRZ. Zwischen diesen beiden  Gleisen wurde eine provisorische Ladestation für die Stromversorgung für den LRZ erstellt.

Das Bild zeigt die vom Umbau direkt betroffenen Gleise 704-708. Die Gleise 702 und 703 ganz rechts werden vom Umbau nicht tangiert und sichern weiterhin die direkte Zufahrt zu den westlichen Abstellgleisen. Über diese Gleise führt die Vonwilbrücke. Sie ist eine wichtige Verbindung zwischen dem nördlichen und dem südlichen Stadtteil im Westen der Stadt St.Gallen. Links das Paketzentrum der Post.

Die früher verbreiterte Rampe wurde, inkl Vordach, unterdessen abgebrochen und schafft Platz für die zukünftige Böschung und Gleise der AB.

Die Abtragung des Geländes hat auf der Ostseite begonnen (Stand am 02.07.2020). Eine S21 nach Trogen biegt in die 25kmh-Kurve nach St.Gallen ein.

Die Re 620 089 mit einem leeren Kieszug von St.Gallen Haggen via St.Gallen-Romanshorn nach Hüntwangen-Wil. Links die enge 25-kmh Kurve der AB.

Verschiedene Bagger sind für die Abtragung des Hügels im Einsatz. Laufend werden neue Betonsockel erstellt.

Das Gelände wurde bereits zu einem grossen Teil abgetragen. Gut erkennbar die bereits erstellten neuen Betonsockel für Fahrleitungsmasten (Stand 20.07.2020). Hinter der Sicherheitsabschrankung befindet sich der Hauptschaltposten. Dieser wird ebenfalls abgebrochen, sobald der neue, 1km westlich in Betrieb genommen werden kann.

Das Gelände ist bald vollständig abgetragen. Neue Fahrleitungsmasten sind bereits aufgestellt. Rechts dieser Masten werden später die SBB-Gleise 84 & 85 wieder verlegt. Links der Masten kommen die neuen Gleise 61 & 62 der Appenzeller Bahnen zu liegen. Hier entsteht im Zusammenhang mit der neuen Haltestelle „Güterbahnhof“ eine 350m lange Doppelspurinsel. Hinter der Sicherheitsabschrankung fährt am 28.07.2020 der IR13 3262 nach Zürich HB vorbei.

Das Gelände rund um den Hauptschaltposten ist freigelegt. Der vollständige Abbruch des Schaltpostens, inkl Stützmauer beginnt ca Mitte Juni 2021. Ganz rechts erkennt man das Einfahrsignal F239 der AB.

1km in westlicher Richtung beim Tunnelweg wird der neue Hauptschaltposten erstellt. Er entsteht bei km 82.025 zwischen dem SBB-Gleis 280 aus Richtung St. Gallen Bruggen und dem SOB-Gleis 321von und nach St.Gallen Haggen (rechts  oben).

Für den LRZ muss ein neuer, überdachter Standort geschaffen werden. Dieser wird im zukünftigen Gleis 503 erstellt. Um der Interventionsmannschaft im Ereignisfall einen sicheren, direkten Zugang von ihren Räumlichkeiten im Güterexpeditionsgebäude zum LRZ zu ermöglichen, wird ein unterirdischer Tunnel – unter den beiden AB-Gleisen 61 & 62 hindurch –  mit anschliessender Rampe erstellt. Weitere Details dazu folgen in einem nächsten Blog.

Im Vordergrund rechts entstehen die beiden AB-Gleise 61(nördliches Gleis) und  62. Sie kommen dort zu liegen, wo früher die Gleise 85 und 503 verlegt waren. Links der Masten die abgesenkten SBB-Abstellgleise 84 und 85.

Nach der Fertigstellung des Unterbaus (links) findet die Vorschotterung für das Gleis 84 statt.

Die Erdarbeiten im Bereich der zukünftigen AB-Gleise 61 und 62 (Stand 25.10.2020) werden anfangs Februar 2021 fortgesetzt. Weiter westlich entstehen die beiden Gleise 1 und 2 der AB-Haltestelle „Güterbahnhof“.

Die Einschotterung von Gleis 84 ist fast beendet. Die Vorschotterung von Gleis 85 startet am 11.01.2021. Gleis 85 erhält – wie schon Gleis 84 – einen provisorischen Prellbock. Die beiden Gleise 84 und 85 werden – sobald der bisherige Hauptschaltposten abgebrochen ist (Mitte Juni 2021) – in östlicher Richtung verlängert.

Das Gleis 84 wird später neu zum Durchgangsgleis. Die Einbindung ins Gleis 70 erfolgt bei der Weiche 48 (neu). Die bestehende Weichenverbindung mit Weiche 47 (Gleis 70) und 46 (Gleis 61) muss dadurch etwas Richtung Osten verschoben werden. Dazu mehr im nächsten Blog.

Bei diesem provisorisch aufgestellten Prellbock (links im Bild) endet vorläufig das Gleis 84. Dieses kann bereits – wie das Foto zeigt – als vorübergehendes Abstellgleis mit dem Signal E84 benützt werden (abgestellt im Gleis 84 der RABDe 502 008 „Lausanne Capitale Olympique“). Hinter der Sicherheitsabschrankung finden Vorarbeiten für das Gleis 85 statt.

Gleiche Stelle mit IR 2016 Voralpenexpress nach Luzern. Ausfahrt in St.Gallen ausnahmsweise über Gleis 72 statt 73-973 wegen Verspätung der S2 11235.

Fortsetzung folgt im nächsten Blog (Teil 2).

Text und alle Fotos: Armand Wilhelmi, drei Ausnahmen sind bezeichnet.

Ein Dank geht an die Redaktion vom St.Galler Tagblatt, welche unentgeltlich Bildmaterial zur Verfügung gestellt hat.

01 Jan

Dampf in Bulgarien 1976 (1)

von José Banaudo

Diesmal sind hier keine farbigen Digitalbilder zu sehen, sondern jahrzehntealte Schwarzweissbilder: Es war im August 1976. Mit dem Interrail sind wir 1 Monat lang durch Europa gereist, sogar in die Türkei, mit einem Abstecher in den Iran nach Teheran. Die nachfolgenden Bilder stammen von der Rückreise. Wir wollten durch Bulgarien fahren, um die letzte Schmalspurbahn im Balkan zu besuchen, die noch regelmässigen Dampfbetrieb hatte.

Nach drei Wochen Reise gingen langsam unsere Vorräte an Francs, Dollars und Fotofilmen zur Neige, und wir mussten gut auf unser Budget für den Rest des Monats achten. In jener Zeit konnte man die Länder des damaligen kommunistischen Ostblocks nicht einfach frei bereisen, sondern es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder man blieb ein paar Tage im Land und hatte pro Tag einen Zwangsumtausch von 10 Dollars zu leisten, was bei unseren angespannter Finanzlage eine zu grosse Summe war. Oder man löste am Grenzübergang ein Transitvisum für 48 Std. , ohne Zwangsumtausch. Diese letzte Variante war für uns finanziell die einzig mögliche. Am 21. August abends begann die Reise am Bahnhof Istanbul-Sirkeci und wir fuhren im Nachtzug über die bulgarische Grenze von Swilengrad, um dann über Dimitrowgrad und Plowdiw am Morgen des 22. August in Sofia anzukommen. Der Hauptbahnhof war 1974 nach Plänen des Architekten Milko Bechew im typischen Stil des Sozialismus erbaut worden. Wir hatten nun Zeit, in der unterirdischen Galerie beim Bahnhof das Frühstück zu nehmen und dann ein Tram zu fotografieren. Der Triebwagen 874 des Typs « Sofia 65 » wurde zwischen 1968 und 1977 in 175 Exemplaren vom bulgarischen Hersteller Tramkar gebaut.

Nun ging es weiter auf der Magistrale Sofia–Varna, von der auch die Verbindung nach Rumänien abzweigt, die über Gorna-Oryahovitsa, Ruse führt, wo sie die Donau über die « Brücke der Freundschaft » überquert. Der erste,damals noch nicht elektrifizierte Abschnitt führte die Iskar-Schlucht hinunter. In Eliseina überholen wir einen Güterzug, bespannt mit der «Kriegslok» 15.130. An der Rauchkammertür trägt sie den roten Stern und das Flügelrad der bulgarischen BDŽ (Bălgarski Dăržavni Železnici). Es ist die frühere, von der Maschinenfabrik Esslingen gebaute 52.1468, 1961 von der DR übernommen.

Eingangs Mezdra steht eine weitere «Kriegslok», die 15.67 vor dem Depot. Sie gehört zu einer Anzahl sowjetischer Beuteloks, die 1946 direkt an Bulgarien abgegeben worden sind. Die Umlaufgeländer sind typisch für russische Dampflokomotiven.

Immer noch in Mezdra sehen wir eine fünfachsige Güterzugdampflok der Serie 28, geliefert von1909 bis 1925 in 87 Exemplaren von verschiedenen deutschen und tschechoslowakischen Herstellern: Maffei, Hohenzollern, Hanomag et Škoda. Dahinter eine Lok der Serie 35, geliefert von 1910 bis 1921 in 45 Exemplaren von Hanomag und BMAG Schwartzkopff.

Ab Mezdra, Abzweigbahnhof Richtung Vidin, fahren wir unter einer Fahrleitung von Einphasen-Wechselstrom 25 kV. Die « Kriegslok » 15.60, ebenfalls eine frühere sowjetische Beutelok, wird mit einem Güterzug ostwärts abfahren. Die meisten bulgarischen Dampflokomotiven sind mit  einer gemischten Kohle- und Oelfeuerung und entsprechenden Tendern ausgerüstet.

Auf der Rauchkammertüre der 15.60 prangt nebst dem Stern und dem Bahnsignet der Kopf einer Persönlichkeit, eventuell des Genossen Georgi Dimitroff, der als bulgarischer Ministerpräsident von 1946–1949 nach seinem Tode mit grossem Personenkult verehrt  wurde.

Bald erreichen wir den Endbahnhof Tscherwen Brjag. Es ist schon im späteren Nachmittag, und wir haben noch nichts gegessen. So gehen wir zu einem Kiosk auf dem Bahnhofplatz. Das Angebot ist nicht gross, aber wir kaufen ein paar Biscuits und Schokolade. Doch wo wir gehen und unsere karge Mahlzeit einnehmen wollen: Überraschung! Links und rechts steht ein Polizist. Barsch wird nach «Pasport? Dokument?» gefragt. Dann werden wir aufgefordert, mitzukommen, und schon befinden wir uns auf dem Kommissariat in einem düstern, grün gestrichenen Raum unter den Porträts des bulgarischen Staatschefs Todor Schiwkow und des Generalsekretärs der KPdSU, Leonid Breschnew! Während einer Stunde telefonieren nun die beiden Polizisten, in den Händen unsere Pässe, geschmückt mit Dutzenden von Stempeln, die sie zu entziffern versuchen. In einem benachbarten Büro klappert eine Schreibmaschine. Dann kommt der Chef und sagt uns: « Ah, Frantsuski… Giscard d’Estaing… Ami Bulgarie ! ». Nachdem unsere Identität geprüft worden ist sind wir frei von Verdacht. Man gibt uns die Pässe zurück und weist uns zur Tür… Wir sollten nie erfahren, warum man auf uns aufmerksam wurde, wohl einfach weil wir sofort als Ausländer auffielen, in einer kleinen Stadt, wohin sich sonst kein Tourist verirrte.

Rasch ging es zum Bahnhof zurück und möglichst ohne weiter die Aufmerksamkeit der Polizei auf uns zu lenken. Auf der andern Seite der Hauptgleise beginnt die Gleisgruppe der 760 mm-spurigen Strecke Tscherwen Brjag–Orjachowo, die nach 103 km den kleinen Hafen am rechten Ufer der Donau erreicht, von wo die Fährschiffe nach Rumänien fahren. Die Fünfkupplerlok 503.76 (E h2t) rangiert mit einem Güterzug. Sie wurde von Českomoravská-Kolben-Daněk (ČKD) im Prag gebaut und gehört zu einer Serie von 6 Maschinen ; die ersten vier wurden 1927 von ČKD, die letzten beiden 1931 von BMAG Schwartzkopff gebaut.

Am Anfang ihrer Karriere fuhren diese Lokomotiven auf der gebirgigen Rhodopenbahn Septemwri–Dobrinischte. Als dort 1942 stärkere Loks eintrafen, wurden sie auf die weniger steigungsreiche Strecke Tscherwen Brjag–Orjachowo versetzt. Als auf der Rhodopenbahn Mitte der 1960er Jahre die Dieseltraktion die 1’E1′ h2t verdrängte, kamen auch diese nach Tscherwen Brjag. So blieb nur die 503.76 in Betrieb und mühte sich mit dem lebhaften Güterverkehr auf der Strecke ab, der in den Bahnhöfen viele Rangieraufgaben erforderte. Das Führerhaus ist mit dem bulgarischen Löwen, Kornähren und dem roten Stern geschmückt

Der Lokführer bemerkt uns und winkt, wir sollen auf die Maschine kommen und beim Manöver mitzufahren. Und wir versuchen einen Dialog: « Ah Frantsuski ! Russki… Amerikanski… Bombatomik ! » Wir sind im «Kalten Krieg», die bulgarischen Eisenbahner haben nicht oft die Gelegenheit, Westeuropäern zu begegnen, und als Franzosen geniessen wir meist eine gewisse Sympathie.

Heute sind noch drei Dampfloks des Typs E h2t erhalten, also die Hälfte der einstigen Serie. Die 503.76, die wir hier rangieren sahen, steht als Denkmal in Tscherwen Brjag. Die 504.76 ist in Bansko auf der Strecke Septemwri–Dobrinischte abgestellt und die 506.76 steht im bulgarischen Eisenbahnmuseum in Ruse. Hier zum Vergleich ein Bild 43 Jahre später: Die 504.76 im Februar 2019 in Bansko (sh. auch Blog vom 1. November 2019)

Der Tag geht zu Ende und die Nacht bricht ein. Wir breiten unsere Schlafsäcke in einem Gebäude aus, das zwischen den Normal- und Schmalspurgleisen gebaut wird. Am nächsten Tag geht die Reise weiter auf der Schmalspurbahn, die übrigens seit 2002 nicht mehr existiert. Fortsetzung folgt!

Alle Fotos: J. Banaudo

Übersetzung: C. Ammann