Dampfbetrieb GySEV (2)
von José Banaudo
Kehren wir zurück an die Grenze zwischen Österreich und Ungarn am 1. April 1975. Auch in Schattendorf an der Strecke Sopron–Ebenfurth war der «Eiserne Vorhang» ernste Realität, mit Grenzzaun, Stacheldraht und einem Wachtturm. Nachdem der Soldat mitbekommen hatte, dass wir keinen Grenzübertritt beabsichtigten, inspizierte er wieder die Wagen des zu seinen Füssen passierenden Güterzugs Sopron–Ebenfurth.
Die Rauchfahne weit hinten lässt auf eine Schiebelokomotive am Schluss des sehr langen Zugs schliessen. Hinter der Zuglok wird ein zweiachsiger Wagen für den Zugführer und allfälliges Rangierpersonal mitgeführt.
Die Spitzenlok 520.020 hat nun schon Österreich erreicht, der Zugschluss ist noch in Ungarn (Bild unten). Die Farbe des Schotters verrät die Grenze! Diese «Kriegslok» wurde 1944 von MBA Schwartzkopff als 52.3897 der Deutschen Reichsbahn gebaut. Erbeutet von der Sowjetunion und bezeichnet als TÄ TE 3897 kam sie 1963 nach Ungarn und erhielt die Nummer 520.020. Bei der GySEV stand sie 1964–1976 im Einsatz.
Hier die Schiebelok 520.075, 1943 gebaut von Borsig. Sie war erst die 52.464 der DR, dann TÄ 464 der , dann 520.075 der MÁV. Offiziell ausrangiert 1981 ist sie eine der wenigen ungarischen «Kriegslok» die noch existieren, aufgestellt im Depot Hatvan im Nordosten von Budapest.
Die langgezogene Kurve von Baumgarten ermöglicht den Überblick auf den Zug mit etwa 40 Wagen mit der Schiebelok.
Wenn man den Zug von oben betrachtet, begreift man, warum der ungarische Grenzsoldat auf seinem Wachtturm den Zug aufmerksam nach allfälligen Flüchtlingen kontrolliert hat, die sich in der Ladung hätten verstecken können.
In der Kurve von Drassburg, mit schweren Gleisen auf gutem Schotterbett verlegt, wird der Unterschied zur in der Folge 1 gezeigten Neusiedlerseebahn offensichtlich.
Im Bahnhof Wulkaprodersdorf kreuzt unser Güterzug nach Ebenfurth ohne Halt die 520.018, die – Tender voran – an der Spitze eines Gegenzugs Richtung Ungarn zurückfahren wird. Wir sind dieser Maschine bereits in der Folge 1 begegnet. Sie wurde 1944 von Škoda als 52.7443 für die DR gebaut, wurde TÄ 7443 der SZD und dann 520.018 MÁV, bevor ihre Karriere 1979 bei der GySEV endete.
In Müllendorf verläuft die Strecke in weiten Kurven am Fuss der Hügelkette, die das Leithatal vom Neusiedlersee trennt.
Die ungarischen 520er haben aus ihrer sowjetischen Zeit eine Rauchkammertüre mit kleinerem Durchmesser behalten, typisch für die russischen Dampflokomotiven und inspiriert aus Nordamerika.
Der Zug fährt am typischen österreichischen Formsignal von Neufeld an der Leitha vorbei. Dies ist der letzte burgenländische Bahnhof, bevor Niederösterreich beginnt. Nicht weit davon verläuft die Leitha, Zufluss der Donau, welche bis 1918 die beiden Reichshälften trennte, «Cisleithanien» (Kaiserreich Österreich) und «Transleithanien» (Königreich Ungarn).
Nun kommen wir bald nach Ebenfurth, Endpunkt der GySEV. Dies wird das Ziel der 3. und letzten Folge dieses Reiseberichts von 1975.
Alle Fotos: J. Banaudo
Übersetzung: C. Ammann