27 Feb

Die allerletzte Fahrt der „alten Kiste“?

Am Vormittag des 6. Februar 2018 unternahm der Triebwagen BDe 4/4 7 der früheren Trogenerbahn seine wohl allerletzte Fahrt in eigener Kraft von Speicher nach Trogen und zurück. Zuvor waren noch mit viel Mühe von freiwilligen Helfern die letzten Ostwind-Werbefolien entfernt worden.

Über die weitere Zukunft – soweit bekannt – berichtet der EA 3/18 im NiK auf Seite 108. Verschiedene Projekte (Aufstellen vor Schulen in Speicher oder Trogen oder zusammen mit dem inzwischen ins St. Galler Rheintal abgegebenen Partywagen als Restaurant im Sernftal) haben sich zerschlagen. Vorerst wird nun in der Werkstätte Speicher auch noch der Dachbereich asbestsaniert.

Führerstand Seite Trogen

Der Triebwagen befindet sich in einem erstaunlich guten Allgemeinzustand und ist wegen seinem Einsatz gemeinsam mit dem Partywagen im Fahrgastraum mit Tischchen ausgerüstet. Vorgesehen ist nun –Baubewilligung vorbehalten – ein Einsatz als Restaurantprovisorium in Wasserauen.

Die BDe 4/4 (damals CFe 4/4) 6 – 8 leiteten 1952 – 1953 die Erneuerung des Triebfahrzeugparks der Trogenerbahn ein.  Gemäss „Lokomotiven der Schweiz”, Band 2 von Peter Willen (1972) war ursprünglich vorgesehen, nur 2 Triebwagen und einen Steuerwagen (mit Stromabnehmer, Anfahr- und Bremswiderständen und Direktkontroller) zu beschaffen. Die Triebwagen besassen ursprünglich SAB-Räder mit Pirelli-Gummifederung, die 1955 – 1958 durch gewöhnliche Stahlräder ersetzt wurden. Ab 1970 wurde der Scherenstromabnehmer durch einen Einholm-Stromabnehmer ersetzt.

Alte Postkarte mit  der 1964 durch das TB-Logo in Schattenschrift ersetzten Anschrift “St. Gallen – Speicher -Trogen

Der BDe 4/4 8 wurde im Oktober 2002 verschrottet, der BDe 4/4 6 steht seit 2005 unter madegassischer Sonne in Tananarive.

Trogen einst (1975) und 43 Jahre später…!

Und dann verschwindet die “alte Kiste” nach ihrer letzten Fahrt wieder im Depot Speicher.

Fotos: Daniel Widmer, St. Gallen: Fotos 2, 3, 7, 8, – Christian Ammann: 1, 4, 6, 9.

26 Feb

Von der Birseckbahn zum Boveraclub

Xe 2/2  112 ex Ce 2/2 5. Foto SVEA-Bildarchiv (undatiert)

Im EA 12/2017 NiK S. 561 haben wir berichtet, dass Ende Oktober die Xe 2/2 112 und Ce 2/4 13 der früheren Birseckbahn (zusammen mit den X 101 und X 102 der früheren Sissach – Gelterkinden Bahn vom Bahnmuseum Kerzers BMK an den Boveraclub in Liberec, Tschechien gelangten.

Be 2/4 13 vor dem damaligen Depot Arlesheim, 1977, Foto Chr.  Ammann

Boveraclub? Der Name hat  überraschend viel mit der Schweiz zu tun: Denn der Verein in Liberec restaurierte als erstes Fahrzeug den Tramwagen Nr. 78 (ex Usti nad Labem), der 1929 bei Ringhoffer Prag gebaut wurde, aber mit elektrischer Ausrüstung von Brown, Boveri Baden. BBC Dies sorgte für seinen Spitznamen „Bovera“, der auch dem 1987 gegründeten Verein der Freunde der städtischen Verkehrsmittel in Liberec den Namen gab: Boveraclub. Liberec – zur Zeit der Donaumonarchie “Reichenberg” – feierte 1987 übrigens 90 Jahre Strassenbahn. Ursprünglich war das Netz meterspurig, ab 1990 erfolgt die schrittweise Umstellung auf Normalspur, wobei für die weiterhin meterspurige Überlandstrecke nach Jablonec nad Nisou und historische Trams in der Innenstadt Dreischienengleise existieren. Sh. auch EA 5/2015, S. 224.

Schon vor 20 Jahren existierten Dreischienengleise in der Innenstadt von Liberec. Damals noch meterspuriger T2-Tramzug der Linie 3 am 12. 3. 1997, Foto Chr. Ammann

Damals noch meterspurige Linie 3 in Liberec, 12. 3. 1997, Foto Chr. Ammann

Aus dem EA 7/2006 zitieren wir hier die damalige Abgabe von der BLT an das BMK, wo die Fahrzeuge Mitte Mai 2006 abgeladen wurden:

„BLT/Bahnmuseum Kerzers:  Die BLT hat im März dem Bahnmuseum Kerzers drei historisch wertvolle ehemalige Birseckbahn-Fahrzeuge geschenkt. Sie wurden im Mai nach Kerzers transportiert: Xe 2/2 112 ex Ce 2/2 5: SWS/Alioth 1905, 1944 umgezeichnet, weitgehend im Originalzustand, Be 2/4 13: SWS/BBC 1916, mit Maximum-Drehgestellen, bis 1971 im Regeleinsatz, zuletzt Nostalgiefahrzeug im Leymental, X 101 ex Sissach—Gelterkinden K 5(1891), 1916 zur BEB, 1917 zum Turmwagen umgebaut, 1965 zum Fahrleitungsmontagewagen modernisiert. Er ist zusammen mit dem BLT-X 102 (Schotterwagen) ex SG-L 2 der letzte Zeuge der SG.”

Die nun vom BMK als Dauerleihgabe nach Tschechien abgegeben BEB-Triebwagen sollen beim Boveraclub wieder betriebsfähig aufgearbeitet werden.

Im SVEA-Bildarchiv finden sich einige undatierte SW-Negative von der alten Birseckbahn, teilweise auch von den nun nach Liberec abgegeben Xe 2/2 112 und Be 2/4 13.

Birseckbahn an der 1969 aufgegebenen Streckenführung nach Dornachbrugg. Heute existiert von den Gebäuden nur noch das Tea-Room ganz links. SVEA-Bildarchiv

Der gleiche Ce 2/3 9  mit Blick auf das ebenfalls längst verschwundene Gebäude der Solothurner Kantonalbank. SVEA-Bildarchiv

Birseckbahn am Aeschenplatz in Basel, SVEA-Bildarchiv.

Be 2/4 13 unterwegs in Basel, SVEA-Bildarchiv

Am Blumenrain/Spiegelgasse, beim Hotel des Trois-Rois, SVEA-Bildarchiv

Xe 2/2 112 im Depot Arlesheim, rechts der offene Anhängewagen C 41, SVEA-Bildarchiv

26 Feb

Winter auf der Berninabahn

Solange uns der Winter noch fest im Griff hat, hier noch vier Impressionen vom Winterbetrieb an der Berninabahn am 3. Februar 2018, spontan aufgenommen von G. Hipp.

Übrigens: Nicht nur der Allegra-Triebzug sondern auch der Schneepflug stammen aus dem Hause Stadler.

 

18 Feb

Winterdampf im Steyrtal

Winterdampf im Steyrtal vom 5.1. – 7.1.18

 

Steyr Lokalbahnhof, Vormittag gegen zehn Uhr. Auf einmal stehe ich in einer Wolke aus weissem und schwarzem Dampf. Ich inhaliere intensiv diesen feinen Duft aus Steinkohle, Öl und Wasserdampf. Endlich bin ich angekommen, zurück in eine längst vergangene Zeit, als dies noch alltäglich war. Drei Tage Dampfzugprogramm erwarteten uns. In meinem Innersten herrschte freudige Erwartung. Aber alles der Reihe nach.

Ende November schrieben mir meine Kollegen, dass es beim Winterdampf im Steyrtal noch freie Plätze habe, der Termin in den Weihnachtsferien lag und ich doch mitkommen solle. Meine Freunde hatte ich schon länger nicht mehr gesehen und so lag es nahe, sich anzumelden. Bei stürmischem Wetter fuhr ich von Zürich mit dem Nachtzug nach Linz und von dort mit der Regionalbahn nach Steyr. Die Flüsse führten nach den vielen Niederschlägen Hochwasser. So langsam verzogen sich die schweren Regenwolken und wieder erwarten sollten die beiden nächsten Tage sonnig werden. Für eine weisse Winterlandschaft war es natürlich leider zu warm.

Im Steyrer Lokalbahnhof erwartete uns die Lok „Klaus“, welche 1884 bei Krauss in Linz erbaut wurde. Mit zwei grünen Zweiachsern und passendem Packwagen wurde ein typischer Lokalbahnzug der Epoche II. nachgestellt. Mit vielen Fotohalten fuhr unser Züglein bis zu heutigen Endstation Grünburg. Die Bahnlinie führt durch das weite Flusstal der Steyr. Bis 1982 wurde sie von den ÖBB mit Dampftraktion betrieben und danach stillgelegt. Mit viel Mut und Enthusiasmus retteten die Mitglieder der ÖGEG die Strecke vor dem Abbruch. Auf den Unterwegsstationen sind noch verschiedene Güterwagen in unterschiedlichen Zuständen abgestellt. Für die Aktiven des Vereines wohl noch Arbeit für Jahrzehnte. Betriebliche Schwerpunkte sind die beiden Endstationen, wo es jeweils einen Lokschuppen mit Werkstätte gibt. In Aschach befindet sich in einer grossen Halle die Tischlerei. Dort werden die Wagen unterhalten. Der Fuhrpark ist recht gross und aus allen Epochen gibt es betriebsfähige Personen- und Güterwagen.

Am Samstag war für uns die 198.102 angeheizt. Sie war ebenfalls eine typische Steyrtalbahnlok. Das Licht der Welt erblickte sie 1888 bei Krauss in Linz. Heute bespannte sie für uns einen typischen GmP – einen Güterzug mit Personenbeförderung. Extra für unsere Gruppe wurden zwei Holztransportwagen revidiert und mit dicken Baumstämmen beladen. Weitere gedeckte und offene Güterwagen ergaben einen stilechten Schmalspurzug, wie er in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts unterwegs war. Im Haltepunkt Sommerhubermühle warteten zu unserer Überraschung verschiedene Statisten in landestypischer Kleidung auf den Zug. Ein Schäfer im grünen Lodenmantel, seine Frau im langen schwarzen Mantel und grossem Einkaufskorb, Damen und Herren mit alten Reisekoffern. Sie alle stiegen in den Zug und ihre Reise nach Nah und Fern begann.

Als am Nachmittag die Sonne hinter den Bergrücken verschwand, erreichten wir Grünburg. Nach Einbruch der Dunkelheit wurde die 298.102 und die 498.04 mit ihren jeweiligen Zügen im Bahnhof aufgestellt. Unser Reiseleiter hatte sich für die Nachtaufnahmen ein Feuerwerk ausgedacht. Er platzierte sich am Ende des Bahnhofes und auf Kommando wurden die Raketen gezündet. Einige gute Aufnahmen gelangen bei dieser Aktion. Danach klang der Tag im Hotel Christkindl nahe Steyr bei einem guten Bier in geselliger Runde aus.

Am dritten und letzten Tag unserer Dampfaktion war der Himmel bedeckt und es war merklich kühler geworden. Kein ideales Fotowetter, dafür gab es natürlich eine stärkere Kondensation des Abdampfes und somit mehr Qualm. Die Uh 498.04 von 1928 bespannte einen reinen Güterzug mit ca. 12 Wagen. Damit war sie für die Strecke an der Leistungsgrenze. Dem Personal machte es sichtlich Freude, mal einen etwas anderen Zug als die Touristenzüge zu fahren. Wir fuhren mit der Motordraisine und einem angehängten Vierachser dem Güterzug voraus. Auf den Unterwegsstationen wurden jeweils Wagen ausgereiht und auf der Rückfahrt wieder angehängt. So ergab sich eine jeweils andere Zusammensetzung unseres Zuges.

In Aschach luden uns die Aktiven des Vereins zu Mittag zu einer wärmenden Gulaschsuppe in ihr Vereinsheim ein. Mit österreichischem Charme wurden wir versorgt, anschliessend gab es noch Kaffee und Kuchen. Aufgrund des nasskalten Wetters hatte die 498.04 schwer an ihrem Zug zu ziehen. Mit viel Gefühl meisterte der Lokführer jede kleine Steigung. Am Nachmittag wurde es immer dunkler. Ich musste die ISO Werte an der Kamera immer höher einstellen, um noch brauchbare Bilder zu schiessen. Bei den modernen Kameras ist dies ja heute kein Problem mehr.

Als wir gegen 16 Uhr Grünburg erreichten, war die offizielle Fotoveranstaltung beendet. Viele machten sich auf den Weg in Richtung Heimat. Wer wie wir erst Abends auf den Zug mussten, für den wurde noch eine Überraschung organisiert. Bei der Dunkelheit wurde nochmals mit dem ganzen Güterzug bis Sommerhubermühle gefahren. Die Lok setzte um. In der Zwischenzeit kam ein Löschfahrzeug der örtlichen Feuerwehr. Die Strasse neben dem Bahngleis wurde kurzerhand für den Autoverkehr gesperrt und mittels starker Strahler wurde die gesamte Szenerie beleuchtet. So kamen wir noch zu exklusiven Nachtaufnahmen.

Nach Ende dieser Extraeinlage verabschiedeten wir uns von den sehr freundlichen Museumseisenbahnern. Ein herzlicher Dank und Lob für die tolle Organisation. Ab Linz ging es mit dem Nachtzug wieder in Richtung Schweiz und an den Bodensee. Drei herrliche Tage in eine längst vergangene Zeit waren leider schon wieder um. Wann werde ich wohl das nächste Mal Gelegenheit haben, den feinen Geruch von Kohlerauch, Öl und Wasserdampf einatmen zu können? Ich hoffe doch bald, denn es macht einen richtig süchtig.

18 Feb

Nachruf auf das Kursbuch

von Ruedi Wanner

Mit dem vergangenen Fahrplanwechsel ging am 9. Dezember 2017 eine Ära zu Ende, welche Reisende und Bahnpersonal während 112 Jahren dominierte.

Nachdem vor 160 Jahren immer mehr Bahnlinien eröffnet wurden, erschien 1856 erstmals ein Gesamtfahrplan, welcher die noch sehr dünnen Angebote der einzelnen Unternehmen vereinigte. Dieser Fahrplan wurde von der Druckerei Bürkli in Zürich herausgegeben und hiess während Jahrzehnten auch so. Verkaufspreis: 50 Rappen. Die noch junge SBB brachte 1905 erstmals das «Offizielle Schweizer Kursbuch» heraus; es erschien im Verlag Stämpfli in Bern.

Das Kursbuch gab es neben der Version für den Verkauf am Schalter in einer Dienstausgabe, welche griffbereit an jedem Arbeitsplatz lag und sehr oft konsultiert wurde. Daneben gab es für den Postverkehr eine eigene, unverkäufliche Ausgabe mit rotem Überdruck, welcher den Postumschlag (Ein- und Auslad bei Personen- und Schnellzügen) umfasste.

Bunte Farbensprache

Der Aufbau des Kursbuches war während Jahrzehnten stets gleich. In einem ersten grünen Teil waren die Tarifbestimmungen enthalten (dazu später mehr). Anschliessend ein Abschnitt auf rotem Papier mit den Auslandverbindungen; recht grosszügig waren Fahrpläne in ganz Europa von London bis Athen und Istanbul enthalten (es gab ja schliesslich den Simplon-Orient-Express mit direkten Kurswagen). Im weiss gehaltenen Hauptteil dann das Angebot an Bahnen, beginnend in Genf (Feld 1 = Tramlinie CGTE nach Hermance) und abschliessend in Scuol-Tarasp. Dann folgten ein dünner blauer Teil mit den Schiffsfahrplänen und ein (immer umfangreicher werdender) gelber Teil mit den Postautos. Gerade hier finden wir Rosinen. Noch 1955 waren die letzten «Pferdeposten 1-2 Plätze» zu finden, etwa von Ramosch nach Vna (einmal täglich) oder von Valendas-Sagogn nach Valendas Post (zweimal täglich). Im gleichen Zeitraum wurde das Münstertal dreimal täglich bedient. immerhin waren auch direkte Bus-Anschlüsse nach Bozen und über Umbrail-Stilfserjoch enthalten.

1934 wurden Format und Druck umgestellt; das Kursbuch kostete damals Fr. 2.-. Weitere Abweichungen betrafen das Jahr 1980 mit der «Zeitinsel Schweiz» (die Schweizer Zeit hinkte eine Stunde nach, was auf Grenzbahnhöfen und im internationalen Verkehr grosse Schwierigkeiten ergab und zum Teil kostspielige Doppelführungen erforderte). Bis 1987 wurde jeweils eine getrennte Ausgabe für Sommer- und Winterfahrplan gedruckt. Ab 31. Mai 1987 erschienen dann – neu als Ganzjahresfahrplan – die immer zahlreicheren Postautolinien in einem getrennten Band. 2008 war das Angebot bei Bahnen und Autokursen nochmals gestiegen und erforderte neben dem Bahnfahrplan die gelben Postauto-Bände 2 und 3. Das gesamte Werk hatte nun ein Gewicht von 2,7 kg.

Abweichungen gab es öfters, einmal 2005 mit einem getrennten, grossformatigen Heft für Postautos. Einmal wurde bereits 1989 mit dem Verkauf einer CD-ROM der Schritt ins digitale Zeitalter vorgespurt. In einem letzten Abschnitt waren sogar die Flugpläne der Swissair im Bahn-Kursbuch enthalten; sie benötigten nur gerade fünf Seiten.

Das Kursbuch war der Favorit im Schalterverkauf. Daneben gab es eine grosse Konkurrenz von Fahrplänen: Fretz, Fribo, Bürkli, Blitz (Orell Füssli, seit 1912), Griff (mit Register am rechten Rand zum schnelleren Aufschlagen), Gassmann (im Kleinstformat, bis 1973). Bahnhöfe und Stationen waren frei in der Anzahl und Art des Fahrplansortiments; abgerechnet wurde direkt mit den Druckereien. Nicht verkaufte Exemplare (nur deren Umschlagblatt) konnten retourniert und bei der Abrechnung abgezogen werden. Viele Bahnhöfe hatten auch ihren eigenen Lokalfahrplan, der auf die regionalen Bedürfnisse zugeschnitten war. Nicht im Schalterverkauf, sondern nur im Postversand erhältlich war der Reka-Fahrplan (dem Fribo entsprechend); jeder Ausgabe lag gleich ein Einzahlungsschein für die folgende bei.

Die Nummerierung der Fahrplanstrecken folgte einem Zehnerschema, welches die Hauptstrecken umfasste. Alle Abzweigungen, Bergbahnen und Schiffsbetriebe richteten sich danach.

Die geraden Zehnerstellen des früheren Kursbuches (Basis 1955) lauteten:

10        Genève-Bern

20        Lausanne-Brig

30        Lausanne-Biel

40        Biel-Bern-Brig

50        Bern-Zürich

60        Basel-Luzern

70        Zürich/Luzern-Gotthard-Chiasso

80        Basel-Zürich

90        Zürich-Chur*

100      Zürich-St. Gallen-Rorschach

*) darauf basierend die RhB-Anschlusslinien 90a Arosa, 91 St. Moritz, 92 Davos, 93 Engadin, 94 Disentis, 95 Bernina

Nach 1982 wurde die Streckennummerierung völlig neu aufgegleist, jedoch nach dem gleichen Grundsatz wie auch die Postleitzahlen, nämlich West → Ost.

Taxberechnung

Das Kursbuch enthielt alle Angaben, damit man schon daheim die Fahrpreise exakt ausrechnen konnte. Zunächst waren im ersten, grünen Teil (fast) alle Tarifbestimmungen enthalten. Ein Taxschema ermöglichte das Ablesen der Fahrpreise. Am linken Rande jeder ersten Fahrplanspalte waren die Distanzen notiert. Mit diesen beiden Zahlen liess sich schon jeder Preis berechnen. Die Privatbahnen hatten die wichtigsten eigenen Preise für einfache oder Retourfahrt in den Fahrplanfeldern vermerkt; sie konnten mit dem SBB-Schema zusammengesetzt werden.

Schon früh erhöhten jedoch Privatbahnen – vor allem jene mit aufwendigen Gebirgsstrecken – ihre effektiven Kilometerangaben, um damit Mehreinnahmen zu erreichen. Für die Fahrt ins Engadin (Chur-Samedan) standen den effektiv befahrenen 84 km fast das Doppelte, nämlich 162 Taxkilometer im Kursbuch gegenüber (heutiger Tarif 604 = 120 km, somit Zuschlag von 42 %).

Mit Eröffnung der Zürcher Flughafenlinie wurde 1980 auch ein neues, als dynamisch bezeichnetes Distanzsystem eingeführt. Anstelle der effektiven 11,34 km wurden für die Taxberechnung jedoch 17 km herangezogen (SBB Tarif 603). Eine ähnliche Aufrundung folgte später auf den wichtigsten IC-Strecken. Die Paradestrecke Zürich-Bern war während Jahrzehnten 129 km lang, heute sind es (trotz Verkürzungen wie Heitersberg oder Neubaustrecke über Wanzwil) deren 164. Als Gründe wurden bessere Angebote sowie kürzere Fahrzeiten angegeben.

Im heutigen Tarifsystem sind solche Preisangaben in den Fahrplanunterlagen gar nicht mehr möglich. Zu gross ist die Vielfalt von Angeboten und Vergünstigungen geworden, die oft in zeitlicher Abhängigkeit stehen (Beispiel Sparbillette). Es bleibt für die eigene Kostenberechnung der Weg im Internet-Fahrplan oder an den Billettautomaten.

1982 wurde – gleichzeitig mit dem damals neu geschaffenen Taktfahrplanes – der Druck von Blei- auf Fotosatz umgestellt. Einen Taktfahrplan hatten jedoch einzelne Strecken schon früher: VBW Bern-Worb 1963, SZB Solothurn-Bern 1966, Zürich-Meilen-Rapperswil 1968.

Angesichts der stark sinkenden Verkaufszahlen (von 260‘000 im Jahre 1996 auf 25‘000 im Jahre 2017) liessen sich Druck und Verkauf des Kursbuches nicht mehr rechtfertigen, so die Ansicht der SBB.

 

Auf privater Basis (VCS, IGöV und Pro Bahn) entstand per Dezember 2017 jedoch eine neue Ausgabe, welche allerdings nur noch den “blauen” Teil mit Bahnen und Schiffen umfasst. 10’000 Exemplare sind inzwischen verkauft, aber weitere Exemplare können noch bezogen werden.

Von 1987 bis 1992 wurde auch das separate Büchlein «Kursbuch für Eisenbahnfreunde» herausgegeben. Es enthielt bemerkenswerte Lokeinsätze neuer und historischer Fahrzeuge sowie die Rubrik «Aus Sicht des Lokomotivführers», wo jene Trieb- und Steuerwagen aufgelistet waren, bei denen man dem Lokpersonal von der Plattform aus über die Schulter schauen konnte.

 

 

 

 

18 Feb

MOROP-Kongress 1967 in Bilbao

Im SVEA-Bildarchiv lagern unzählige Fotos, hauptsächlich als Negative in unterschiedlichem Format und Zustand. Von vielen sind nicht nur die Fotografen sondern  auch die Geschichte unbekannt. „Crowdsourcing“ im Sinn von „Sammeln von Ideen und Rückmeldungen von ausserhalb“, wäre angesagt, verlangt aber, dass Hunderte von Bildern gescannt ins Netz gestellt würden.

Beim MOROP-Kongress 1967 in Bilbao vom 3. – 9. September 1967  ist es einfacher: Im EA 11/1967 findet sich ein Bildbericht von W. Siegwart, Ehrenpräsident des MOROP. Wir erfahren, dass am Kongress in Bilbao total 282 Eisenbahnfreunde aus 12 Ländern Europas teilnahmen, sowie Mr. und Mrs. Westcott, Editor der Zeitschrift «Model Railroader» aus Amerika. Der Kongress wurde durch die 1964 gegründete Federación Española de Asociaciones de Amigos del Ferrocarril vorzüglich organisiert.

Es wird erwähnt, dass Bilbao, „Hauptstadt der nördlichen Provinz Vizcaya des grossen Landes Spanien“ beidseits des Rio Nervión liegt, etwa 14 km von der kantabrischen Küste entfernt. Die Stadt zählte damals „etwa 300’000 Einwohner, besitzt Brücken über den Nervión, wovon zwei bewegliche, die den Zugang auch für grosse Frachtschiffe bis in die Stadt hinein freigeben. Es besteht auch eine Passagierschiff-Verbindung aus dem Vorhafen Bilbao nach Southampton. Innerhalb der Stadt liegen sieben Personenbahnhöfe und ein grosser neuer Güterbahnhof für Züge mit Breitspur (1672 mm) und Meterspur. Bei einem der Bahnhöfe erreicht man die Bahnsteige, indem man vorerst in einem Wohnhaus in den ersten Stock hinaufzusteigen hat.“

„Im neuen Güterbahnhof Vegade S. Mamés hatten das Ministerium für öffentliche Bauten und die RENFE (Red Nacional de los Ferrocarriles Españoles) eine imposante Schau von 15 Lok und Wagen bereitgestellt, die auf grösstes Interesse stiess.”

Bei den hier gezeigten Bildern handelt es sich wohl um Fotos des damaligen EA-Chefredaktors W.Trüb, die im EA 11/67 nicht oder in besserer Version (Krokodil) publiziert wurden. Von Walter Trüb stammt im EA 10/67 auch ein Artikel “Spanische Impressionen”, ohne Bilder, der seine damaligen Reiseeindrücke wiedergibt.

6. 9. 67: Talgo «Virgen del Carmen» Bilbao—Miranda de Ebro. EA 11/67: “Dieser Leichtmetall-Gliederzug mit losen Einzelrädern zeichnet sich durch minimales Gewicht und maximale Laufruhe aus. Klimaanlage dezente musikalische Begleitung.”

6. 9. 67:  Bahnhof Bilbao-Achuri der meterspurigen Baskischen Eisenbahnen (Ferrocarriles Vascongados) mit, ganz links „angeschnitten, ungarischem Ganz-Triebwagen  und “offensichtlich schweizerischer” BBC-Lok (1928)“

In Bilbao wurde auch die Drehstromlokomotive Gérgal – Santa Fe mit dunkelgrünem Holzkasten präsentiert.

Die 1948 zum Hundertjahrjubiläum der Eröffnung der ersten spanischen Eisenbahn von Barcelona nach Mataró (1848) nachgebaute Dampflok Mataró mit „el tren del centenario“, war 1967 ebenfalls aufgestellt im Güterbahnhof Bilbao.

Die Schlepptender-Dampflok 040 291 RENFE, El Cinca (Schneider Le Creusot 1864), steht heute im Eisenbahnmuseum Madrid.

Das war vor nun 51 Jahren. Der damals nächste MOROP-Kongress war 1968 in Brüssel. Der jetzt nächste MOROP-Kongress wird vom 2. – 7. September 2018 in Wien stattfinden. http://www.morop.org/index.php/de/veranstaltungen/geplant.html

 

16 Feb

Das unvollendete Luftseilbahn-Projekt von Campione d’ Italia

Von Ruedi Wanner

Während fast 5 Jahrzehnten ragte südlich von Lugano eine Bauruine gegen den Himmel, welche vom Zug Lugano – Melide her gut zu sehen war. Sie erinnerte an ein Bauprojekt für eine Luftseilbahn auf den Monte Sighignola, das zwar angefangen, aber nie vollendet wurde. Weiterhin erhalten bleibt aber die unschöne Ruine der Talstation am Nordrand von Campione.

Campione am Südufer des Luganersees hat eine eigenartige politische und wirtschaftliche Stellung. Die nur 1,6 km2 grosse Fläche mit 2300 Einwohnern bildet eine italienische Enklave, welche voll von Tessiner Gebiet umschlossen ist. Grund für diese Regelung war der damalige Wunsch der Bevölkerung, nach Gründung des Kantons Tessin (1803) weiter bei Italien zu verbleiben. Heute gilt der Franken als Hauptwährung, wobei selbstverständlich auch der Euro akzeptiert wird. Telefon und Briefmarken entsprechen ebenfalls der Schweizer Regelung. Eine Postleitzahl ist dagegen für beide Länder vorhanden (CH-6911, I-22060). Zeitweise (1944-1952) gab es hier auch eigene Briefmarken.

Campione ist vor allem durch sein Casino bekannt und musste 1933 unter Mussolini den Zusatz «d’Italia» annehmen. Die recht spärliche Verbindung über den See von und nach Lugano wird durch die Schiffsgesellschaft SNL mit einer eigenen Buslinie verdichtet.

Von Campione aus sollte eine Luftseilbahn auf den rund 1300 m hohen, alles überragenden Berg Sighignola gebaut werden. Er bietet eine prachtvolle Sicht über die Bucht von Lugano, im Gegensatz zu Lanzo d’Intelvi auch auf den südwestlichen Seebereich und den Damm von Melide. Die Bahn wäre mit 1920 m Länge und 1000 m Höhenunterschied recht steil geworden; die Fahrzeit wurde mit 5 Minuten berechnet. Die Gesellschaft wollte mit einem Kapital von 1,3 Mio Fr. starten und hatte ihren Sitz in Lugano. Spätere Berechnungen ergaben dann allerdings Mehrkosten bis zu 4 Mio Fr.

Auch die Antriebseinrichtung in der Bergstation blieb unbenützt stehen. (Aufnahmen vom 4. 8. 2010)

Aus verschiedenen Gründen wurde der 1964 bewilligte Bau aber 1969 eingestellt. Massgebend waren (nach verschiedenen Quellen) Berechnungsfehler, der frühe Tod des Hauptinitianten, die geologischen und finanziellen Verhältnisse und die komplexe Lage im Grenzbereich. So konnte ein Stützpfeiler im Fels nur ungenügend verankert werden; auf der Bergstation waren grosse administrative und rechtliche Probleme (Lage nur zwei Meter von der Schweizer Grenze entfernt) zu lösen. Immerhin wurde der Antrieb bereits montiert; Seile wurden jedoch nicht gespannt. Eine Auffanggesellschaft wurde zwar 1977 gegründet, um die bereits errichteten Bauteile und die Konzession zu retten. Nach zwei Jahren kam jedoch auch diese Gesellschaft in den Ruin.

Betonierte Elemente der Bergstation blieben bis 2011 und behinderten die Aussicht.

So dämmerten seit 1969 die bereits betonierten Teile wie Berg- und Talstation sowie Stützpfeiler im Dornröschenschlaf vor sich hin. Ein Betonmast sollte die Bedienung von Pugerna und San Evasio ermöglichen; er wurde allerdings 1991 gesprengt. Wäre jedoch diese Luftseilbahn je vollendet worden, so wäre sie heute wohl eine touristische Attraktion ersten Ranges. Nicht bloss wegen der prächtigen Aussicht, sondern auch wegen der vielleicht einmaligen Tatsache, dass man mittels einer Luftseilbahn sogar zweimal eine Landesgrenze (im Transit über Schweizer Gebiet) überqueren könnte.

Die Bauruine in Campione ziert weiterhin das Ufer des Luganersees. (Aufnahme vom 19.4.2016)

Um 2007 wurde durch ein Schweizer Ingenieurbüro ein neues Projekt über eine Luftseilbahn auf den Aussichtsberg Sighignola bearbeitet, das jedoch nicht mehr von Campione, sondern von Arogno auf der Südseite her zum Gipfel führen sollte. Im Sommer 2010 wurde nach der Zeitung «Corriere del Ticino» von beiden Ländern ernsthaft geprüft, die Ruinen abzutragen. Anschliessend wurden 2011/12 die störenden Elemente der Bergstation teilweise abgebrochen. Heute ist das die Bergspitze verunstaltende «Öko-Monster» (Zitat) grösstenteils beseitigt und der Aussichtspunkt zum Erholungsgebiet umgestaltet worden.

Im EA 3/2018 folgt der Artikel von Ruedi Wanner über die Standseilbahn Lanzo d’Intelvi –Santa Margherita.

 

 

07 Feb

Die letzte HGe 2/2 in Glion

In Glion posiert 1974 die HGe 2/2 Nr. 2 mit der Schneeschleuder Xrot e Nr. 3. Foto E. Suter

Von Ruedi Wanner

Seit 1892 fuhren dampfbetriebene Züge von Glion bergwärts zur Endstation auf Rochers-de-Naye. Für diese Bergfahrt war der Ausgangspunkt zunächst Territet, mit Bahn, Schiff oder elektrischer Strassenbahn zu erreichen. Die Fortsetzung mit der Standseilbahn Territet-Glion und zweimaliges Umsteigen waren kompliziert. Anderseits verzeichnete der Kurort Montreux einen gewaltigen Aufschwung (24‘000 Logiernächte 1901, 58‘000 im 1908), sodass 1909 eine ergänzende Linie Montreux-Glion mit 2,8 km Länge entstand, und zwar gleich von Anfang an mit elektrischem Betrieb. Dieser wurde mit 3 Schiebelokomotiven HGe 2/2 1-3 besorgt, die auf der Steigung von 130‰ stets talseitig an den 1-2 Vorstellwagen stehen mussten. In Glion erfolgte die Übergabe an die Dampftraktion, wobei diese auf 220‰ nur je einen Wagen mitnahm.

Der Bau der neuen Bahn erfolgte auch im Hinblick auf die Gütertransporte zu den aufstrebenden Kurorten Glion und Caux. Die Standseilbahn war nicht mehr in der Lage, diese zu versorgen. Dazu kamen unerwünschte jährliche Betriebsunterbrüche von 10 Tagen für die Revisionen. Der Bau im steilen Gelände erforderte viele Stützmauern; die grösste ist bei der Übergangsstation Glion zu finden. Eine 61 m lange, eiserne Brücke über die Chauderon-Schlucht liess bis zu den darunter liegenden Gebäuden lediglich 90 cm freien Raum. Erwähnenswert sind auch die Querung im Tunnel unter der MOB hindurch (diese ebenfalls im Tunnel) sowie ein Kehrtunnel mit Wende von fast 270o bei Toveyres. Die einst einzige Kreuzungsmöglichkeit war bei Les Planches; inzwischen ist dort die obere Weiche ausgebaut.

Glion, 1982: Die HGe 2/2 Nr. 2 mit der He 2/2 Nr. 101, welche 1976 einen neuen Kasten erhielt und später zu 3 umnummeriert wurde. Dahinter eine Schneeschleuder. Foto: E. Suter

Die Lokomotiven 1-3 waren 14 t schwer, 4,8 m lang und leisteten 220 PS, was für die Höchstgeschwindigkeit von 13 km/h ausreichte. Der einzige Führerstand ist auf der Talseite. Die Fahrleitung lieferte 750, später 850 Volt Gleichstrom, die zweilamellige Zahnstange System Abt war identisch mit dem oberen Streckenteil. Erst mit der Elektrifikation von 1938 konnten die Züge durchgehend fahren.

Die einzelnen Bahngesellschaften Montreux-Glion (MGl) und Glion-Rochers-de-Naye (GN) fusionierten 1987. Lok 2 ist jedoch immer noch mit den (inoffiziellen) Initialen M.G. bezeichnet. Eher wurde die Abkürzung MGl verwendet, um Verwechslungen mit dem Monte Generoso zu vermeiden. Fünf Jahre später kam in einem weiteren Schritt die Standseilbahn TG dazu; neue Bezeichnung MTGN (seit 2001 MVR Montreux Vevey Riviera).

Aus dem Trio der ersten Generation schied Nr. 1 durch Lawinenunfall bereits 1966 aus. Nr. 3 wurde 1976 mit neuem Kasten zu HGe 2/2 101 (später wieder zu 3 umbezeichnet). Sie wurde nach einem Unfall 2011 abgebrochen. Einzig Nr. 2 überlebte, erhielt 1986 einen neuen Kasten im Retro-Stil und wurde noch im Sommer 2012 für Nostalgiefahrten (ab Montreux 10.48), zuletzt aber nur noch für Dienstzüge eingesetzt. Inzwischen haben die neuen Hem 2/2 11-12 (Stadler, 2013) diese Aufgaben übernommen. Die Lok 2 steht momentan abgestellt im Depot Glion.

Weitere interessante Bilder:  Werner Hardmeier, Präsident SGEG, dem wir im EA auch öfters faszinierende Farbbilder verdanken, weist uns auf seine sehr schönen Aufnahmen in Drehscheibe-Online hin:

Lok mit Originalkasten: https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?017,8060663

Lok mit breiterem Neubaukasten: https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?017,8064199