Winterthur – Genf, einmal anders
Heute dauert die Fahrt von Winterthur nach Genf im IC keine 3 1/2 Stunden. Und einen hundertjährigen Tramwagen bringt man normalerweise von Winterthur auf der Strasse nach Genf, billiger und wesentlich einfacher als per Bahn.
Die Idee, einen solchen Transport in Begleitung einer fröhlichen Reisegesellschaft als Extrazug durchzuführen, mit dem historischen BDe 3/4 «Tino» (ex BT), dem mustergültig restaurierten C 5820 «Thurgauerstube» und dem allseits bewunderten Xd4ü «Dynamometerwagen» (EA 2/22), stammt also fast aus einer andern Zeit oder Welt. Man braucht dafür viel Idealismus, Geduld, ein tolles Team von Helfern, eine generalstabsmässige Vorbereitung, wo nichts dem Zufall überlassen wird und dann auch noch etwas Glück. Und die Fahrt dauert etwa 8 Std. , nicht eingerechnet all die Zeit für Auflad und Ablad.
Warum der Genfer Tramwagen B 369 nach Winterthur kam, zusammen mit dem K 410, ist in „Neues in Kürze“ in den EA 12/22, 3/23 und 5/23 erläutert: Die Association Genevoise du Musée des Tramways AGMT https://agmt.ch/ liess bei Historic Rail Services in Winterthur ihren Personenwagen 369 (SIG 1919) und den im Dezember 2000 von den TPC/BVB übernommene K 204 (SWS 1913, EA 4/01) restaurieren und betriebsfähig aufarbeiten. Dazu wurden beide Wagen am 22. August 2022 nach Winterthur transportiert.
Für die Revision der Bremsen und Radsätze wurde der sozusagen als Replika aus dem K 204 entstandene CGTE-Güterwagen K 410 am 8. Februar 2023 in die TPC-Werkstatt Aigle transportiert. Am 25. März wurde er dann auf dem Gelände des TPG-Depots in Le Bachet erstmals vorgestellt, um später die technische Zulassung für das TPG-Netz zu erhalten.
Samstag, 29. Juli 2023: Ein ungewohnter Anblick in Winterthur an Gleis 8
Der Dynamometerwagen
Zwischenhalt in Baden
Natürlich wird unser Zug überall fotografiert, denn der Fahrplan war auch veröffentlicht worden.
Uns bleibt im Dynamometerwagens der einzigartige Blick auf den B 369, teils mit speziellen Kombinationen, hier in Deitingen.
Über die Aarebrücke in Solothurn
Duchfahrt in Twann
Ein in jeder Hinsicht historischer Schnappschuss in Ligerz
In Daillens gibt es aber eine ungeplant längere Pause. Trotz genauer Kontrolle und Unterhalt hat der Dynamometerwagen einen „Heissläufer“. Also geordneter Umzug eines Teils der Gruppe, von Getränken, Essen, Geschirr und Gepäck in die übrigen beiden Wagen, wo aber alles Platz findet. Dann wird der Dynamometerwagen mit Hilfe des Tm ausgereiht und nach rund einer Stunde geht es weiter. Dank guter Koordination mit den SBB-Disponenten und einer tollen Leistung des BDe 3/4 43 „saust“ der Zug nun dem Genfersee entlang und holt etwa 20 Minuten auf.
Für die technischen Begleiter ist das „Abenteuer“ allerdings noch nicht ganz ausgestanden. Es folgt der Umlad auf den Lastwagen von Friderici, und erst etwa um 20.30 Uhr rollt der B 369 im Depot Le Bachet wieder auf die heimatliche Meterspur. Die Erleichterung, Freude ja Begeisterung ist gross. Gleichzeitig wird dem AGMT auch ein „Check“ von 6000 Fr. überreicht, finanziert aus den „Billetteinnahmen“ und Spenden der Reisegesellschaft.
Am Sonntagmorgen, 30. Juli 2023 holt uns der AGMT um 9.50 Uhr zu einer herrlichen Extrafahrt in Carouge Rondeau ab. Der B 369 muss natürlich erst noch zugelassen werden. So fahren wir mit dem Motorwagen 67, dem B 363. Zum ersten Mal nimmt aber der K 410 an einer Extrafahrt teil und transportierte das Gepäck der Gruppe!
Die Fahrt durch die Strassen von Carouge und Genf am Sonntagvormittag ist einzigartig. Und vor Abfahrt an der Haltestelle blasen die Wagenbegleiter in die Signalhörner.
Die Fahrt geht zum Bahnhof Cornavin und dann, mit einem Abstecher nach Lancy Pont Rouge gare, wieder zurück nach Le Bachet.
Der K 410 ist ein Schmuckstück geworden!
In der Wendeschleife Lancy Pont Rouge gare
In Le Bachet endet leider die herrliche Fahrt und es geht hinunter zu den Perrons der neuen Station. Die neue RER-Linie bringt uns zum Bahnhof Cornavin.
Um 12.32 Uhr geht es in Genève Cornavin ab dem internationalen Perron von Gleis 7 zurück nach Winterthur. Gegenüber steht ein TGV… Das Wetter ist herrlich und alles verläuft nach Plan. In Daillens grüssen wir im Gleisstumpen 34 den zurückgebliebenen Dynamometerwagen, der schon am nächsten Tag ins PTT-Paketzentrum in Sicherheit gebracht wird.
Foto im Paketpostzentrum Daillens: Historic Rail Services
Bei einem Zwischenhalt in Le Landeron fotografiert auch Christian Jaquier unseren Zug, glücklicherweise auch zwei Fahrzeuge, die angesichts der „Hauptdarsteller“ bei diesem Blog fast vergessen gingen!
An dieser Stelle ganz herzlichen Dank für diese super geplante und durchgeführte Reise, wo trotz des Heissläufers dank professioneller und betrieblicher Kompetenz das Programm und die Stimmung „auf den Gleisen blieb“. Auch dankbar sind wir, dass der herrliche B 369 unterwegs nicht noch von Hagel demoliert wurde. Unvergesslich bleibt die Fahrt im Museumszug. Ja, Genf ist per IC ja viel schneller erreichbar als mit einem historischen Zug und einem alten Tram im Huckepack! Und der AGMT führt regelmässig, normalerweise am ersten Sonntag des Monats, Extrafahrten durch, https://agmt.ch/-Agenda-.html
Fotos und Schnappschüsse: Christian Ammann
Die letzten beiden Fotos: Christian Jaquier. Herzlichen Dank!
PS: Ein faszinierendes Echo von Sébastien Jacobi: Er erinnert daran, dass der BDe 3/4 43 der früheren Bodensee -Toggenburg Bahn mit der Reise nach Genf gewissermassen auch zu seinen Ursprüngen zurückkehrte: Denn seine elektrische Ausrüstung stammt von Sécheron (SAAS).