60 Jahre Schweizer Bahnhof Konstanz? Klar, das Jubiläum betrifft nur das „neue“ Empfangsgebäude von 1957, den in die Jahre gekommenen Flachdachbau, wo heute der Deutsche Zoll die Mehrwertsteuerquittungen der Schweizer Kaufkundschaft abstempelt und seit 2013 der Sport Outlet untergebracht ist.
Denn die Schweizer Bahnen sind schon seit bald 150 Jahren in Konstanz präsent: Am 29. Juni 1871 fand die feierliche Eröffnung der Nordostbahnstrecke Romanshorn – Konstanz statt. Und am 15. Juli 1875 hielt die Schweizerische Nationalbahn mit einem einzigartigen Eröffnungsprogramm und drei Festzügen in Konstanz Einzug. Ziel und Start aller Schweizer Züge im Raum Kreuzlingen war Konstanz. Erst ab 1898 wurde fahrplanmässig auch die Strecke zwischen den heutigen Bahnhöfen Kreuzlingen und Kreuzlingen Hafen befahren. Auch für die am 19. Dezember 1911 eröffnete Mittel-Thurgau-Bahn MThB spielte die Stadt Konstanz eine wichtige Rolle.
Das am 29. Mai 1957 mit einer kleinen Feier eingeweihte und am frühen Auffahrtsmorgen, 30. Mai 1957, in Betrieb genommen Aufnahmegebäude beendete den jahrzehntelangen schweizerisch-deutschen Streit um die alte Provisoriumsbaracke.
Schon vor dem 1. Weltkrieg hatte die Schweizer Seite die Verhältnisse als unzumutbar kritisiert. Doch die badischen Pläne für einen neuen Konstanzer Bahnhof (nicht weniger als sieben Varianten), die mögliche Verlegung ins Paradies, später sogar der Plan eines Zentralbahnhofs Konstanz-Kreuzlingen im Tägermoos, liessen das Barackenprovisorium jahrzehntelang zum Definitivum werden. Zwei Weltkriege, mangelnde Finanzen und die Uneinigkeit über den Standort der Bahnhöfe in Konstanz wie auch in Kreuzlingen trugen das ihre dazu bei.
Schon in der alten Baracke entfaltete nach dem 2. Weltkrieg der SBB-Reisedienst Konstanz seine heute vergessenen Aktivitäten und brachte in wöchentlichen Extrazügen deutsche Gäste nach Schweizer Ausflugszielen, nach Graubünden, ins Tessin, die Ost- und Zentralschweiz.
Gemäss SBB-Nachrichtenblatt 8/1957 beherbergte das neue, crèmefarben verkleidete Gebäude nun auf einer Fläche von 750 m2 „alle für die bahn- und zollseitige Abfertigung der Reisenden nötigen Anlagen“: Damals drei Schalter für den Billettverkauf, Geldwechsel und Gepäckverkehr, die Zollabfertigungsräume und Büroräume des schweizerischen und deutschen Zolldiensts, Gepäckraum, Wartsaal, Aufenthaltsräume für das Personal, Toiletten und einen kleinen Verpflegungskiosk. Gegen die Platzseite bestand im Büro die „Auskunft“ mit offener Beratungstheke, geschmückt mit einem hübschen Wandbild mit dem Blick von Meersburg auf den Säntis.
Die Redner rühmten die die hell, freundlich und zweckmässig eingerichteten Räume als ein in jeder Beziehung gelungenes Bauwerk, ein Gemeinschaftswerk als Symbol freundnachbarlicher Beziehungen zwischen freien Völkern und eines wiedererstandenen freien Reiseverkehrs über die Grenzen. Erst am 1. September 1950 war der Personenverkehr zwischen Konstanz und Kreuzlingen wieder definitiv aufgenommen worden.
Das Gebäude gehört der DB und wurde an die SBB verpachtet. Am 22. Mai 2010 beendete die neue Mobilitätszentrale am Konstanzer Bahnhof seine Rolle als „Schweizer Bahnhof“. Nun rückten DB, SBB, SBB Deutschland GmbH (“Seehas“) und Tourist-Information im historischen badischen Bahnhofgebäude von 1866 zusammen.
Am 27.Mai 2010 ist der Schweizer Bahnhof schon fast leer geräumt.
Der einstige Weg in die Schweiz…Heute ist der Zollrevisionssaal Sport Outlet.
Doch auch die Rolle des SBB-Verkaufs änderte sich: Vorübergehend war der Verkaufsdienst Konstanz mit der Seelinie an die MThB übergegangen, danach an Thurbo, später zurück an die SBB. Den SBB-Reisedienst hatte inzwischen längst RailAway abgelöst. Dafür bedrängten oder verdrängten neue SBB-Dienstleistungen die Reiseberatung, an prominenter Stelle Global Blue, die Rückerstattung der Mehrwertsteuer am SBB-Billettschalter, mit bis zu 300 Geschäften täglich. Doch auch „Global blue“ ist seit Ende 2015 bereits wieder Geschichte, eine winzige Episode in bald 150 Jahren Präsenz der Schweizer Bahnen in Konstanz.
Erst 5 Tage in Betrieb waren damals die beiden Verkaufsschalter in der Mobilitätszentrale.
Fotos vom Autor, E. Maurer und G.Hipp.