18 Dez

Mit dem «Tren de Felipe II» nach El Escorial

von José Banaudo

Als weitere Folge über unseren Aufenthalts in Madrid kommen wir nun zum Ausflug vom Samstag, 6. März 2020. Erneut geht es in den Norden von Madrid. Wir fahren mit der Metro von der Puerta del Sol zur Station Opera und steigen dann auf die Linie R (= Ramal, Abzweigung, Seitenstrecke) um. Dies ist eine knapp 1,1 km lange Strecke auf der eine einzige Zugskomposition hin und her fährt. Die Linie R bedient das Quartier Príncipe Pío und la Estación del Norte, einen der früheren grossen Madrider Kopfbahnhöfe. Bemerkenswert ist am Hauptgiebel der Stern, der als Unternehmenssymbol auf den meisten Gebäuden der Norte zu sehen ist. 

Dieser Bahnhof wurde 1882 von der «Compañía de los Caminos de Hierro del Norte de España» (CCHNE) als Endbahnhof in Madrid eingeweiht. Die Hauptstrecke dieser Gesellschaft verband Madrid mit der französischen Grenze über Avila, Valladolid, Burgos, Venta de Baños, Miranda de Ebro und Irún. Französische Investoren waren massgeblich an der Spanischen Nordbahn beteiligt, insbesondere die Gebrüder Emile et Isaac Péreire, Gründer der französischen «Compagnie des Chemins de fer du Midi». Dies könnte auch der Grund sein, warum im Namen – ähnlich wie auf französisch – der Ausdruck «Caminos de Hierro» statt des spanisch gebräuchlicheren «Ferrocarril» steht? Seit der Umstrukturierung heisst der Bahnhof Madrid Estación de Príncipe Pío.

Im Príncipe Pío Bahnhof nehmen wir den Touristenzug «Tren de Felipe II», ins Leben gerufen 2017 von der Autocargesellschaft ALSA, welche bei dieser Gelegenheit eine Eisenbahnbetreiberlizenz auf dem spanischen Eisenbahnnetz der ADIF (Administrador de Infraestructuras Ferroviarias) erhielt. Der Zug besteht aus Fahrzeugen, die von der Fundación de los Ferrocarriles Españoles zur Verfügung gestellt wurden und verkehrt als Tagesausflug zum Besuch von Palast und Klosteranlage El Escorial, dem unter UNESCO-Schutz stehenden grössten Renaissancebau der Welt.

Die sechsachsige Diesellokomotive 2148, früher nummeriert als 321.048, wurde 1966 von der Sociedad Española de Construcción Naval (SECN) unter Lizenz von American Locomotive Company (ALCO) gebaut. Sie ist Teil einer Lieferung von 80 Lokomotiven von 1965 bis 1971. Ursprünglich verfügten die Lokomotiven über eine ölgefeuerte Dampfheizung, die aber ausgebaut wurde, als die Maschinen vor allem für den Güterverkehr eingesetzt wurden. Deshalb wurde am Extrazug ein Heizwagen mitgeführt, was in der kalten Jahreszeit kein Luxus ist. Bei meiner ersten Reise im Januar 2018 verteilte das Begleitpersonal des Zugs Decken an die frierenden Fahrgäste, und es reichte nicht für alle!

Bei unserer Fahrt bestand der «Tren de Felipe II» aus drei Wagen der Serien 5000 und 6000, bestellt 1946 von der damals erst 5 Jahre alten RENFE, um den von den Vorgängerbahnen übernommenen Wagenpark zu verjüngen. Die ersteren wurden von der französischen Industrie geliefert, die zweiten von spanischen Firmen gebaut. Neben unserem Zug steht ein Dieselzug der Reihe 599 für Verbindungen «Media Distancia». 50 Exemplare dieser dreiteiligen Züge mit 1900 PS und Höchstgeschwindigkeit 160 km/h wurden 2008–2009 von CAF geliefert.

Nach einer angenehmen Fahrt mit typischem Alco-Motorengeräusch und amerikanischem Hupenklang erreichen wir El Escorial. Auf unserer 50 Min. dauernden Fahrt durch das Vorortsgebiet im Nordwesten von Madrid haben wir 50 km zurückgelegt, die Flüsse Rio Manzarenes und Guadarrama überquert und 200 m Höhendifferenz überwunden. Hier sehen wir unsere 2148 neben einem Triebwagenzug des Typs «Civia» der Serie 465, im Einsatz auf der Madrider Vorortslinie C 3.

Ein Bus führt uns vom Bahnhof zum Ort de San Lorenzo del Escorial. Dort kann während mehreren Stunden die riesige Anlage des Klosterpalasts besucht werden. Das Escorial wurde im 16. Jahrhundert durch König Philipp II. erbaut, Sohn von Karl V. und Isabella von Portugal. Es beeindruckt durch seine Gebäude mit ihren Innenräumen, aber auch durch seine karge Umgebung nahe der Sierra de Guadarrama.

Schon wird es Zeit, zum Bahnhof zurückzukehren, wo der Zug auf uns wartet. Wir werfen ein Auge auf den «Calderin», den zweiachsigen Heizwagen, der aus einem gedeckten Güterwagen der Serie J 300000 der 1950er Jahre entstand. Die elektrisch beleuchteten Zugschlusslaternen wirken sehr stimmungsvoll.

Nach dem Aussteigen der Fahrgäste in Madrid Príncipe Pío fährt der Zug leer zum Bahnhof Madrid Delicias weiter, wo er zwischen den Verkehrstagen in den Anlagen des dortigen Eisenbahnmuseums abgestellt ist. Über der Lok erkennt man die Fahrleitungs-Stromschiene auf der unterirdischen Strecke zwischen den beiden Bahnhöfen.

Nun als kleiner Verstoss gegen den chronologischen Reisebericht: Am Freitag, 5. März, auf der Rückfahrt aus Cercedilla und am Sonntagnachmittag 7. März besuchten wir den Bahnhof Pinar, 20 km nördlich von Madrid, gelegen an der gemeinsamen Strecke der Linien nach Irún und Segovia. Dort zweigt auch die Verbindung zu den RENFE- und Talgo-Werkstätten von Las Matas ab. Auf der Rückfahrt aus El Escorial kommt am Sonntagnachmittag auch der «Tren de Felipe II» vorbei und…

… begegnete einem doppelt geführten « Civia »-Zug der Serie 465, der auf der Linie C 3 der «Cercanias» nach El Escorial unterwegs war.

Ein Zug «Media Distancia» der Serie 449 überholt im Bahnhof Pinar einen Vororts- und einen Güterzug. Diese Serie 449 ist die elektrische Version der Dieseltriebwagenzüge der Serie 599, wie wir sie in Príncipe Pío angetroffen haben. Sie wurden von 2008 bis 2011 in 57 Exemplaren von CAF gebaut. Einige sind auch für das CAF-Spurwechselsystem BRAVA vorbereitet, was ihren Einsatz ausserhalb des iberischen Breitspurnetz von 1668 mm auch auf den normalspurigen AVE-Strecken ermöglichen würde.

Nun folgt auf Blockdistanz hinter dem «Media Distancia» ein Containerzug des privaten Betreibers Continental Rail. Die sechsachsige 333.380 ist eine der beiden Lokomotiven, die 2005 von Vossloh an diese Firma geliefert wurden, einer Tochtergesellschaft des Bauunternehmens Vias y Construcciones. Sie sind im Südwesten von Madrid in Fuenlabrada stationiert. 

Ein «Civia»-Zug der Serie 465, im Einsatz auf der C 3 El Escorial–Aranjuez fährt an den RENFE-Werkstätten von Las Matas vorbei. Im Hintergrund erkennt man die verschneiten Berge der Sierra de Guadarrama mit den Antennen von «Bola del Mundo», die wir auf unserer Fahrt nach Cotos entdeckt haben.

Nach unserer Rückkehr nach Madrid folgt nun eine letzte Sonntagsexkursion, auf dem Programm: Dampf und Meterspur!

Alle Fotos: J. Banaudo

Übersetzung: C. Ammann

29 Okt

Herbst-Impressionen auf der Chemin de fer de la Provence

Von José Banaudo, Nizza,

Seit Ende Juli 2020 hat der «Syndicat mixte pour les Inondations, l’Aménagement et la Gestion de l’Eau maralpin» SMIAGE mit grossen Bauarbeiten westlich von Puget-Théniers begonnen, um den Damm auf der linken Seite des Var im Quartier de La Trinité zu verstärken, unterhalb der Brücke gleichen Namens.

Nach dem Streckenunterbruch in der Schlucht von Mescla beim Unwetter vom 2. Oktober konnte der Betrieb nach Freiräumen der Gleise am 21. Oktober wieder aufgenommen werden. Schon am Vorabend war der in St-André blockierte, später bis Annot verbrachte Triebwagenzug AMP 803 / 804 als Probefahrt bis nach Nizza gefahren, um am 21. Oktober als Zug 12 bis Annot zu verkehren. Ich fotografierte ihn in Puget-Théniers. Denn er ist der letzte im Originalanstrich und wird demnächst mit blauen «Zou»- Folien beklebt. Schade um den schönen Anstrich…

Der nur provisorisch wiederaufgenommene Betrieb mit abschnittweisem Umsteigen auf Autobus endet, sobald die Gleise auf allen, von der Überschwemmung beschädigten Abschnitten vollständig gereinigt, frisch geschottert und gerichtet sind. Am Sonntag, 25. Oktober, dem ersten Tag der Winterzeit, stand als Zug 41 der Triebwagen X 306 im Einsatz. Er endete in Annot. Die Reisenden nach Digne mussten auf den Autobus umsteigen, der X 306 fuhr als Zug 42 nach Nizza zurück.

Am gleichen Sonntag, 25. Oktober verursachte ein technischer Defekt bei Zug 43 eine grosse Verspätung ab Nizza, noch verschlimmert durch Langsamfahrstellen von 10 km/h, 20 km/h oder 30 km/h auf noch beschädigten und zu reparierenden Abschnitten zwischen La Mescla und Malaussène. Oben sehen wir Zug 43 auf dem Damm von La Trinité mit einer Verspätung von etwa 40 Minuten, was den Fahrplan des auf Blockdistanz verkehrenden Dampfzugs beeinträchtigte.

Hier der Kunstbau Nr. 363, die 112 m lange Eisenbrücke mit zwei Öffnungen über dem Var im Ortsteil von La Trinité.

Eine Viertelstunde nach Vorbeifahrt von Zug 46, der die Strecke in Entrevaux frei machte, folgte der Dampfzug des GECP. Trotz Corona waren noch viele Teilnehmer unterwegs, und um die Distanzvorschriften zu gewähren, fuhr der Zug in seiner maximalen Länge von sieben Wagen. Unser Lokführer und die beiden Heizerinnen brachten den schweren Zug trotz schwieriger Adhäsionsverhältnisse tapfer nach Annot, ohne die bereits bestehende Abgangsverspätung zu vergrössern. Doch Pech für den Fotografen: Eine Wolke verfolgte den Zug, und kaum ist er vorbeigefahren, scheint wieder die Sonne!

Am Ende des Zugs ist der ehemalige RhB-Steuerwagen B 2303 erkennbar (sh. EA 8/18 und Blog vom 1. Mai 2019)

Auf der Rückfahrt war die Sonne kein Thema mehr. Bereits zeigte sich der Himmel vor einem herannahenden Regenschauer wolkenverhangen und die Dämmerung begann. Wenn die Aufschüttungen beendet sind und die Vegetation wieder das Gebiet zurückerobert hat, (ein wenig, nicht zuviel!) wird diese Kurve ein idealer Fotostandort sein für längere Züge.

Alle Fotos: J. Banaudo, GECP.

Übersetzung: C. Ammann

02 Sep

« Roll-Out » de l’automotrice O-C centenaire à Müncheberg–Buckow (D)

Samedi 22 août 2020 à 13 h s’est déroulé à Buckow (Märkische Schweiz), le « Roll-Out » de l’automotrice BDe 4/4 13 ex-Orbe–Chavornay dans sa nouvelle livrée classique qui s’approche de celle du matériel roulant de la Buckower Kleinbahn, livrée beaucoup plus adaptée que la précédente que portait cette automotrice auparavant. Elle fut construite en 1920 chez SWS Schlieren et équipée électriquement par MFO Oerlikon. En 2013, elle avait passé au musée privé à Kallnach, puis en février 2017 elle avait retrouvé sa nouvelle patrie à Buckow, où l’association Buckower Kleinbahn était à la recherche d’un engin historique intéressant, rappelant un peu le passé de cette petite ligne de 4,7 km, reliée à l’ancienne Ostbahn Berlin–Königsberg, à Müncheberg. (article EA 10/18, pages 434–435), site https://buckower-kleinbahn.de/

Buckow, 22.8.2020
Terminus Müncheberg (Mark) du chemin de fer touristique, 22.8.2020
Autorail Berlin Lichtenberg – Küstrin Kiez (-Kostrzyn) en gare de Müncheberg (Mark), 22.8.2020

L’automotrice suisse dans la « Märkische Schweiz » circulera encore les 3 et 17 octobre (sous réserve). L’association cherche des dons pour construire une remise pour la garer et, ainsi, la protéger en hiver.

Photos: Mario Constabel (2,3,5) et Christian Ammann

01 Sep

Litauen (3)

Von José Banaudo, Nizza

Ein Jahr nach unserer Baltikumreise vom September 2019 schliesse ich nun endlich meinen Reisebericht mit einem Blick auf den schweren Güterverkehr in Litauen ab. Wie bereits berichtet, hat inzwischen die Staatsbahn Lietuvos Geležinkeliai (neu LTG) drei Sparten Personenverkehr, Güterverkehr und Infrastruktur gebildet. Der Güterverkehr firmiert unter der Marke LTG Cargo. Ähnlich wie in Estland und Lettland bildet der Ost-West-Gütertransit den Hauptverkehr, im Fall von Litauen der Austausch zwischen Russland und Weissrussland einerseits sowie den Häfen Kaliningrad (russische Exklave) und Klaipėda andererseits.

Basis des für den Güterverkehr eingesetzten Triebfahrzeugparks in Litauen sind die dieselelektrischen, 12-achsigen Doppelloks der Reihe 2M62, die zwischen 1976 und 1987 in der sowjetischen Lokomotivfabrik «Oktoberrevolution» in Woroschilowgrad, heute Luhansk, gebaut wurden. Von den dort produzierten 1261 Einheiten besitzt LTG Cargo rund 60 Maschinen. Ihr Neuanstrich in Rot und Grau wirkt weniger streng als die ursprünglich dunkelgrüne Lackierung.

Die Unterserien K und U verfügen über zwei russische Dieselmotoren aus dem Werk Kolomna, während die Serie M mit solchen von Caterpillar ausgerüstet ist und über 4000 PS verfügt. Dies ist auch der Fall der 2M62 M 0670, der wir auf dem oberen Bild zwischen zwei Zugsleistungen im Rangierbahnhof von Radviliškis im Norden des Landes begegnen.

Die 2M2 M 0569 fährt mit einem Zug Richtung Vilnius durch den Bahnhof Lentvaris, unter der Fahrleitung der Hauptstrecke, welche von der heutigen Hauptstadt Vilnius nach Kaunas führt, der Hauptstadt von Litauen in der Zwischenkriegszeit.

Auf der Hauptstrecke, die Vilnius mit Klaipėda und Rīga verbindet, folgen sich die schweren Güterzüge Richtung Norden auf Blockdistanz. Dieser Zug in der Nähe von Žeimiai wird von der 2M62 K 0488 gezogen, noch mit russischen Kolomna-Motoren und nicht klimatisierten Führerständen.

Hier begegnen wir am Bahnübergäng von Žeimiai der 2M62 M 0537 vor einem Blockzug mit hochwandigen Güterwagen Richtung Šiauliai und Klaipėda. Man beachte das Klimaanlagengerät auf dem Dach des Führerstandes.

Nach den beiden andern Zügen beweist die 2M62 M 1161 vor einem weissrussischen Silowagenzug ihre Kraft in der Steigung vor Gudžiūnai.

In Šilėnai, an der Verbindung zwischen den beiden wichtigen Abzweigbahnhöfen Radviliškis und Šiauliai, kommt uns die 2M62 M 0671 mit einem Tankwagenzug Richtung Vilnius entgegen.

Die modernsten litauischen Lokomotiven sind die sechsachsigen dieselelektrischen Maschinen des Typs «Euro Runner» von Siemens, ausgerüstet mit einem V16 MTU Motor von 3700 PS. Sie wurden zwischen 2007 und 2009 in 44 Exemplaren geliefert. Wir trafen in Šiauliai die ER20 037 in der ursprünglichen roten Lackierung mit dem „Weissen Ritter“ « Vytis » an, aber im Frühling 2020 präsentierte LTG Cargo die ER20 029 in der neuen Hausfarbe Gelb!

Die ER20 011 verlässt den Rangierbahnhof Palemonas bei Kaunas, im Vordergrund die elektrifizierte Strecke aus Vilnius, und erreicht Richtung Gaižiūnai die Hauptachse nach Norden nach Šiauliai, Klaipėda oder Rīga.

Radviliškis verdankt seinen Rangierbahnhof dem Umstand, dass hier vier Strecken zusammentreffen und hier auch verschiedene Industriebetriebe angesiedelt sind, Getreidesilos, eine Torfverarbeitungsfabrik und ein Güterwagen-Reparaturwerk. Die ER20 015 fährt hier mit ihrem Güterzug Richtung Šiauliai aus.

Die ER20 021 und 036 fahren an der Spitze eines weissrussischen Silowagenzugs langsam durch den Bahnhof Šilėnai, unterwegs Richtung Vilnius und Grenzbahnhof Kena.

Die ER20 009 mit einem endlos erscheinenden Güterzug Richtung Radviliškis und Vilnius im Bahnhof Šiauliai.

Und schon fährt in der Gegenrichtung die ER20 015 mit einem Güterzug Richtung Hafen Klaipėda durch Šiauliai.

Im kleinen Bahnhof Giruliai, nahe an der Ostsee, legt die sechsachsige Siemenslok ER20 020 die letzten km ihrer Reise zum Hafen Klaipėda (dem früheren Memel) zurück.

Unter strömendem Regen fährt die sechsachsige TEM-TMH 054 mit zwei Wagen als Nahgüterzug Klaipėda–Kretinga durch den Bahnhof Giruliai. Diesen dieselelektrischen Maschinen für Rangier- und leichten Zugdienst sind wir schon im vorherigen Blog begegnet. Sie wurden zwischen 2009 und 2015 durch die russische Gruppe Transmaschholding in Briansk nach Plänen der tschechischen Gesellschaft CZ Loko gebaut, mit einem 1200 PS-Motor von Caterpillar de 1200 ch und einem elektrischen Antrieb von Siemens. Die Endmontage erfolgte in Litauen in den VLRD-Werkstätten des Depots Vilnius (Vilniaus lokomotyvų remonto depas). Es sind also sehr internationale Lokomotiven!

International… das ist auch unser Bild von den Baltischen Republiken, einer wichtigen europäischen Verkehrsdrehscheibe. Damit endet mein lange gewordener Reisebericht, der Ihnen hoffentlich den Schienenverkehr in Estland, Lettland und Litauen etwas näher gebracht hat.

Alle Fotos: J. Banaudo

Übersetzung: C. Ammann

11 Aug

Beirut: Stationsgebäude von Mar Mikhaël auch beschädigt

Von Lorenz Degen

Die gewaltige Explosion vom 4. August 2020 im Hafen von Beirut hat auch Schäden am stillgelegten Bahnhof Mar Mikhaël angerichtet. Der Fotograf Eddy Choueiry, Mitglied der Gruppe «TrainTrain», die sich für eine Wiederinbetriebnahme der Eisenbahn im Libanon einsetzt, hat sich am Tag danach auf dem Gelände umgesehen. Die vorgelagerte Remise, derzeit als Disko und Nachtklub verwendet, hat die Wucht der Druckwelle aufgefangen, ihr Dach ist auf der Seite des Hafens weitgehend zerstört. Am Bahnhofsgebäude selbst wurde ebenfalls das Dach in Mitleidenschaft gezogen, zudem sind die Fenster und Türen eingedrückt worden. Das Gebäude selbst sei von seiner Struktur her intakt, schrieb Choueiry. Verletzte habe es keine gegeben.

Wenige Tage zuvor hielt die Schweizer Botschafterin im Libanon, Monika Schmutz Kirgöz, vor dem Bahnhof ihre 1. August-Ansprache. Im Video, das unter https://vimeo.com/438192745 zu sehen ist, werden auch die vor sich hin rostenden SLM-Lokomotiven gezeigt. «Die alten Züge sind ein Symbol für Libanons Vergangenheit und, wenn ich so sagen darf, für einige der verpassten Chancen dieses Landes», so Schmutz Kirgöz wörtlich. Weiter ist im gut 5-minütigen Film die Remise zu sehen und Schmutz Kirgöz weist darauf hin, dass die darin installierte Bar auf einer Liste der besten Bars der Welt geführt werde.

Fotos: Eddi Choueiry, Text: Lorenz Degen

Im EA 8/20 ist der Artikel 125 Jahre Libanonbahn Beirut – Damaskus von Lorenz Degen auf S. 346–350 publiziert.

23 Jul

Litauen (2)

Von José Banaudo, Nizza

In dieser vorletzten Folge über die Baltikumreise im September 2019 widmen wir uns den internationalen Verbindungen von Litauen Richtung Russland und Weissrussland, ferner noch kleineren Diesel- und Rangierfahrzeugen, bevor wir uns dann in der letzten Folge dem schweren Güterverkehr zuwenden werden.

Auf dem Dachgiebel des Bahnhofs von Vilnius steht der «Geležinis Vilkas», der eiserne Wolf, der dem Grossfürsten Gediminas in einem Traum erschienen war und ihn dazu bewog, im 14. Jahrhundert Vilnius als Hauptstadt Litauens zu gründen.

Auf äusseren Nebengleisen des Bahnhofs Vilnius sehen wir verschiedene historische Fahrzeuge der Staatsbahn Lietuvos Geležinkeliai (LG, neu LTG, EA 8/20), unter anderem diesen Dieseltriebwagen ER9m 380, aus einer ab 1976 von RVR Rīga gebaute Serie aus sowjetischer Zeit.

Hier sehen wir im Bahnhof Vilnius einen doppelstöckigen Triebwagen von Škoda, EJ 575 der LTG, einen Stadler-«Flirt» EPr der weissrussischen Belaruskaja tschyhunka ( (BTsch) und die zwölfachsige 2M62-0003, Doppellokversion der berühmten sowjetischen Taigatrommeln.

Der hinterste Perron des Bahnhofs Vilnius ist eingezäunt und kann nur nach erfolgter Pass-und Zollkontrolle betreten werden. Er ist für die internationalen Verbindungen Richtung Russland und Weissrussland über den Grenzbahnhof Kena bestimmt. Drei tägliche Zugpaare verbinden Vilnius und Minsk. Die Hauptstädte Litauens und Weissrusslands liegen etwa 175 km weit auseinander.

Diese Verbindungen werden mit den litauischen Škoda-Triebwagen EJ 575 und den weissrussischen Stadler «Flirt» abgewickelt, wie hier der EPr 008, den wir bei unserem Besuch antrafen. 18 Triebwagen mit wahlweise 4 bis 7 Elementen waren zwischen 2011 und 2015 von Stadler Polska im polnischen Siedlce, später im neuen, 2014 eröffneten Stadler-Werk in Fanipal (Weissrussland) gebaut worden. 10 weitere Züge werden  zwischen 2020 und 2021 geliefert.

Ganz im Hintergrund rechts erkennt man die Denkmal-Dampflokomotive 150 L 0236, links verschiedene Fahrzeuge des Eisenbahnmuseums. Wie in Rīga war es uns wegen der sehr eingeschränkten Öffnungszeiten nicht möglich, das Eisenbahnmuseum zu besuchen.

Das tägliche Hauptereignis im Bahnhof Vilnius ist die Ankunft des «Moskauer Zugs»! Der Express 029 Moskau–Kaliningrad via Minsk und Vilnius ist sozusagen die Nabelschnur zwischen der russischen Exklave an der Ostsee und dem Mutterland. Wir hofften, an der Spitze dieses Zugs eine weissrussische E-Lok zu sehen. Es wäre die einzige elektrische Lokomotive gewesen, die wir in zwei Wochen zu Gesicht bekommen hätten. Aber nein: Die sechsachsige, litauische Diesellok TEP70-0235 hatte den Zug in Kena übernommen.

Die LTG besitzt 4 Exemplare dieser 1987 in der sowjetischen Lokomotivfabrik Kolomna gebauten Serie. Wir sind diesen dieselelektrischen 4000 PS-Lokomotiven in anderer Farbgebung bereits in Estland und Lettland begegnet, immer vor den Moskauer Zügen.

Auch von der modernisierten Version TEP70BS, gebaut ab 2006 in Kolomna, verfügen die LTG 4 Fahrzeuge. Der roten 001 begegneten wir hier zufällig an der Spitze des Expresszugs 425 Tscheliabinsk–Kaliningrad. Wir hatten ihn nicht am Montag erwartet, denn normalerweise verkehrt er in Vilnius sonntags. Zweifellos waren die Verkehrstage dieses wöchentlichen Zuges zwischen dem Ural und dem Baltikum seit jener Zeit geändert, als wir die Reise vorbereitet hatten!

Kaliningrad ist mit Moskau mit dem täglichen, wie auch mit einem dreimal wöchentlichen Expresszug verbunden, ferner wöchentlich einmal mit Tscheliabinsk im Ural, mit Adler (bei Sotschi am Schwarzen Meer) und etwa alle zwei Tage an im Fahrplan festgelegten Daten mit Kiew.

Hier sind wir im Westen von Vilnius im Bahnhof Lentvaris, wo sich die Strecken nach Kaunas und nach Marcinkonys verzweigen. Pünktlich durchfährt der Express Kaliningrad–Moskau hinter zwei sechsachsigen TEP70BS, den Bahnhof.

Im Westen des Bahnhofs Vilnius bietet eine Strassenbrücke einen weiten Panoramablick auf die Depots der Dieselloks und Dieseltriebwagen. Die Gleise der Rotunde beherbergen eine schöne Auswahl von Diesellokomotiven aus Woroschilowgrad in der sechsachsigen Version M62 oder als Doppellokomotiven 2M62.

Links sehen wir die schweren, sechsachsigen Rangierlokomotiven TEM2-148, eine sowjetische, dieselelektrische Serie mit 1200 PS,  die zwischen  1960 und 2000 in über 6200 Exemplaren in den Werken von Briansk und Woroschilowgrad/Luhansk gebaut worden ist. Die hier abgebildete Lok steht im Dienst der litauischen Filiale der deutschen Firma CTL Logistics in Berlin. Diese Lokmotiven bringen auch die Weltraumraketen zu den Abschussanlagen des Kosmodroms Baikonur in Kazachstan!

Von der erwähnten Strassenüberführung sehen wir die sechsachsige, dieselelektrische TEM-TMH 021, die einen Hilfszug im Vorbahnhof von Vilnius rangiert. Sie gehört zu einer Serie von 71 Lokomotiven, gebaut zwischen 2009 und 2015 durch die russische Gruppe Transmaschholding in Briansk nach Plänen der tschechischen Gesellschaft CZ Loko, mit einem 1200 PS-Motor von Caterpillar de 1200 ch und einem elektrischen Antrieb von Siemens. Die Endmontage erfolgte in Litauen in den VLRD-Werkstätten des Depots Vilnius (Vilniaus lokomotyvų remonto depas).

In der Umgebung von Kaunas verlässt ein langer Güterzug den Rangierbahnhof Palemonas Richtung Vilnius. Die Bespannung ist ungewöhnlich, eine sechsachsige Transmaschholding TEM-TMH 025, gefolgt von einer 12-achsigen Woroschilowgrader 2M62-386.

Auf der Suche nach dem Weg in ein Torfwerk treffen wir zufällig auf  diesen Dieseltraktor TGM23-1712 des Getreide-Anschlussgleises von Linas Agro in Rėkyva. Dieses dreiachsige, dieselhydraulisch Fahrzeug mit Stangenantrieb hat einen 750 PS-Motor. Es wurde in einigen hundert Exemplaren ab 1963 durch das Lokomotivwerk Murom produziert und in die ganze Sowjetunion geliefert.

Auf der Gemeinschaftsstrecke Šiauliai–Radviliškis im Zentrum  Litauens rangiert eine Kran-Draisine DGKu 242 einen Zug mit Aushubwagen im Bahnhof Šilėnai, wo ein grosses Oberbaumateriallager besteht.

Wie in den andern baltischen Staaten trifft man in Litauen in einigen grossen Bahnhöfen auf Dampflokdenkmäler, so auch in Vilnius die L 0236 als Vertreter der meistgebauten Dampflokserie in der Sowjetunion der Nachkriegszeit. Zwischen 1945 und 1955 wurden fast 4200 Lokomotiven in Woroschilowgrad, Kolomna und Briansk gebaut.

In der nächsten, letzten Serie über die Baltikumreise im September 2019 entdecken wir noch den schweren Güterverkehr in Litauen.

Alle Fotos: J. Banaudo

Übersetzung: C. Ammann

22 Jul

Litauen (1)

Von José Banaudo, Nizza

Auf unserer Reise im September 2019 folgt nun Litauen, die südlichste der drei baltischen Republiken. Litauen grenzt an Weissrussland, Polen und als geopolitische Besonderheit an die russische Exklave Kaliningrad. Hier handelt es sich um die einst deutsche Stadt Königsberg im nördlichen Ostpreussen, die am Ende des Zweiten Weltkriegs von der Sowjetunion annektiert und als eisfreie Marinebasis an der Ostsee ausgebaut wurde. Seit Auflösung der Sowjetunion ist Kaliningrad ein für Russland strategisch sehr wichtiges Gebiet, vollständig umgeben von NATO-Staaten. In der nächsten Folge zeigen wir den für das Kaliningrader Gebiet lebenswichtigen Transitverkehr durch Litauen.

Litauen besitzt ein Eisenbahnnetz von 1749 km Länge in der russischen Breitspur 1520 mm. Davon sind nur 122 km mit 22 kV 50 Hz Wechselstrom elektrifiziert. Die litauische Staatsbahn LIETUVOS GELEŽINKELIAI (LG) hat seit 10 Juli 2020 die neue Abkürzung LTG und ihre drei Sparten tragen die Farben der Nationalflagge: LTG Link (Personenverkehr,  rot),  LTG Cargo (Güterverkehr, gelb) und LTG Infra (grün), sh. EA 8/20. In unserem Reisebericht begegnen wir aber noch dem Zustand von September 2019..

Wie bereits früher festgestellt, herrscht unter den baltischen Staaten kein sonderlich reger internationaler Reiseverkehr, und auch in Litauen ist die elektrische Traktion nur um die Hauptstadt Vilnius anzutreffen, auf den Strecken nach Kaunas (zweitgrösste Stadt Litauens), nach Kena (Grenzbahnhof nach Weissrussland) und auf der Vorortsstrecke nach Trakai.

Der «Weisse Ritter», «Vytis» (=der Verfolger), Symbol des Grossfürstentums Litauen seit dem 13. Jahrhundert, prangt auch auf verschiedenen Triebwagen und Lokomotiven der Staatsbahn.

Die einzigen elektrischen Triebfahrzeuge der LTG (wir benützen nun doch die neue Abkürzung) sind heute 13 zwei- oder dreiteilige Doppelstock-Triebwagenzüge der Serie EJ 575, gebaut von Škoda zwischen 2008 und 2016. Im Bahnhof Vilnius, wo eine grosse Passerelle einen herrlichen Fotostandort abgibt, sehen wir den EJ 575 012 neben dem Dieseltriebzug DR1AMv 5002 988, der mit dem Steuerwagen an der Spitze unterwegs ist.

Etwas anders ist die Lackierung des Škoda EJ 575 002, der hier im Bahnhof Palemonas als Regionalzug nach Vilnius abfährt. Dieser Bahnhof im Vorortsbereich von Kaunas war im Zeitpunkt unseres Besuchs Endstation der Züge aus Vilnius, weil im Raum Kaunas wegen des Baus der normalspurigen «Rail Baltica»-Verbindung die Bahnanlagen durchgreifend umgebaut werden.

Die Vollendung dieses von der EU unterstützten Projekts ist für 2026 vorgesehen. Es umfasst eine doppelspurige, elektrifizierte Neubaustrecke von Białystok (Polen) über Kaunas (Litauen), Rīga (Lettland) nach Tallinn (Estland) mit Abzweigungen nach Vilnius und zum Flughafen von Rīga. Ein weiteres Projekt betrifft die Verlängerung durch einen Tunnel unter dem Finnischen Meerbusen nach Helsinki.

Im Depot von Vilnius sind 5 Dieseltriebwagenserien vertreten: Von links nach rechts: ein einteiliger 620M, zweiteilige 630MIL, Triebzüge DR1A und DR1AM, sowie ein dreiteiliger 730ML.

Zwischen Vilnius und Daugavpils in Lettland fahren die Züge nur samstags und sonntags über die Grenze ! Unter der Woche enden die litauischen Züge im litauischen Grenzbahnhof Turmantas oder in Ignalina. In diesem letzteren Bahnhof kreuzt Zug 667 Turmantas–Vilnius mit dem Dieseltriebzug DR1AM 9003 003 den Zug 668 der Gegenrichtung mit dem DR1AMv 9002 831. Diese Züge, von welchen wir in früheren Folgen auch die lettische Version gezeigt habe, wurden ab 1973 von Rīgas Vagonbūves Rūpnīca RVR gebaut.

Der Dieseltriebzug RVR DR1AM 9004 511 mit seinem sehr kantig-klobigen Führerstand steht hier im fast leeren Bahnhof Kaunas, wo der Bahnbetrieb wegen der Bauarbeiten für «Rail Baltica» weitgehend ruhte.

2008 hat die Litauische Staatsbahn 4 Dieseltriebwagen des Typs RA2 erhalten, die in Russland von Metrovagonmasch in Mytischtschi gebaut wurden, nach dem Vorbild von an Russland und die Mongolei gelieferten Fahrzeugen. Ausgerüstet mit zwei 470 PS-Motoren und einem hydraulischen Voith-Antrieb, sind zwei der Fahrzeuge zweiteilig, wie hier der 9003 401 im Bahnhof Šilėnai zwischen Siauliai und Radviliškis.

Die zwei andern russischen Metrovagonmasch RA2-Dieseltriebwagen der LTG sind dreiteilig, wie hier der 9003 301 als Zug Klaipėda–Radviliškis bei der Abfahrt in Tryškiai.

Die 2009 mit 12 Exemplaren von der polnischen PESA aus Bydgoszcz gelieferten, einteiligen 620M haben einen 430 PS-Motor. Hier der 620M 022 bei einer Kreuzung mit einem RA2 im Bahnhof Šilėnai.

Der Dieseltriebwagen PESA 620M 020 fährt in Klaipėda (dem früheren Memel) Richtung Radviliškis ab. Links im Bild, wie in verschiedenen Bahnhöfen im Baltikum, eine Denkmallok, eine sowjetische Dampflok der Serie L, hier die 1160. 

Der zweiteilige Dieseltriebwagen 630MIL 005 rangiert hier in der Ausfahrt des Depots Vilnius. Er gehört zu einer Serie von drei Fahrzeugen, die 2013 von der polnischen PESA geliefert wurden.

Der dreiteilige PESA-Triebwagen 730ML 005 eilt als Schnellzug Vilnius–Klaipėda durch den Bahnhof Lentvaris im Vorortsgebiet von Vilnius. Sieben Fahrzeuge dieses Typs wurden 2016 geliefert. Man beachte die verstärkte Führerkabine im Vergleich zur zweiteiligen Version 630MIL. 

Im Gegensatz zu seinen Nachbarn hat Litauen seit der Aufhebung des Betriebs in Klaipėda 1967 keine Strassenbahn mehr. Aber in Litauen gibt es drei Standseilbahnen : Einen modernen, 2003 in Vilnius eröffneten Schrägaufzug und zwei konventionelle Betriebe in Kaunas. Diese Stadt war von 1920–1940 die provisorische Hauptstadt des unabhängigen Litauens, nachdem Polen das damals mehrheitlich polnisch besiedelte Vilnius, Wilno, annektiert hatte.

Die Standseilbahn von Aleksotas im Süden der Stadt fährt auf einen Hügel am linken Ufer des Flusses Nemunas (deutsch Memel). Die meterspurige, 133 m lange Bahn wurde 1935 eröffnet. Die elektrische Ausrüstung lieferte die deutsche AEG, die Antriebsmotoren und die beiden Wagen die im Standseilbahnbau bekannte Schweizer Firma Theodor Bell in Kriens.

Die Standseilbahn von Žaliakalnis (deutsch: Kaunas–Grüner Baum) fährt auf einen Hügel im Norden der Altstadt von Kaunas, wurde 1931 eröffnet, ist 142 m lang, hat die eher seltene Spurweite von 1200 mm und wurde ebenfalls von der Firma Theodor Bell gebaut. Die beiden Bahnen sind übrigens auch im Standartwerk «Schienenseilbahnen in aller Welt» von Walter Hefti, 1975 zu finden, allerdings mit etwas abweichenden Daten und mit dem Vermerk: «Schicksal unbekannt»… Die Spurweite 1200 mm kam bspw. in der Schweiz bei früheren Standseilbahnen in St. Gallen (Mühlegg), Rheineck–Walzenhausen und in Frankreich (Le Havre, Rouen) zur Anwendung, um gegenüber der Meterspur bei engen Kurven mehr Platz für Seilrollen und Bremszahnstangen zu haben.

In den zwei letzten Folgen geht es um den internationalen Reise- und den Güterverkehr in Litauen.

Alle Fotos: J. Banaudo

Übersetzung: C. Ammann

04 Jun

Lettland (5) – Güterverkehr

Von José Banaudo, Nizza,

Nachdem wir in der Folge 4 den Güterverkehr auf den lettischen Bahnen kennengelernt haben, folgen nun einige Bilder aus dem Südosten des Landes. Die 12-achsigen dieselelektrischen Lokomotivriesen, die zu Zeiten der Sowjetunion in der Lokomotivfabrik Oktoberrevolution in Woroschilowgrad, später von der ukrainischen «Luhanskteplowos» in Luhansk gebaut wurden, begegnen uns hier in all ihren Versionen vor internationalen Transitgüterzügen.

Auf diesen nicht elektrifizierten Strecken sind die häufigen Überführungen herrliche Aussichtstribünen für die Fotografen. Die Passerelle südlich der Abzweigung von Krustpils über die Strecke Rīga–Daugavpils ermöglicht einen freien Blick in beide Richtungen. Die 2M62 UM 0086 ist eine der 14 Doppellokomotiven 2M62 U, die 2016–2017 bei LDZ ritošā sastāva serviss (RSS) in Rīga nach Plänen der tschechischen Firma CZ Loko und mit aus deren Werk in Jihlava gelieferten Bestandteilen modernisiert wurden. Ausgerüstet mit zwei Motoren V16 MTU haben sie eine Zugkraft von 6000 PS, eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h und können Züge von bis zu 5500 t Anhängelast befördern. 

Die 2TE10 U 0218 kommt hier an der Spitze eines Ölzugs aus Daugavpils in Krustpils an. Unter den über 8000 Lokomotiven der Serie 2TE10 umfasst die Unterserie U mit 5500 PS 548 Einheiten und wurde von 1989 bis 1996 gebaut. Die letzten Lokomotiven wurden noch nach der Unabhängigkeit der Ukraine und nachdem die Lokomotivfabrik 1995 in «Luhanskteplowos» umbenannt worden war, abgeliefert.

Die in strahlendem Rot lackierte 2TE10 M 3451 von LDZ ritošā sastāva serviss gehört zur Unterserie M, mit 2444 Einheiten die mengenmässig grösste, die von 1981 bis 1990 kurz vor dem Ende der Sowjetunion noch abgeliefert wurde. Zu jener Zeit konnten in Woroschilowgrad noch monatlich bis zu 100 Lokomotiven produziert werden.

Die blaue 2TE116 959 von AS Baltijas Ekspresis (BE), beheimatet in Ventspils, nähert sich hier vor einem russischen Ölzug dem Bahnhof Krustpils, unterwegs auf der Güterverkehrstransversale über Jelgava, Tukums II nach Ventspils. Diese Ungetüme wurden in 1723 Exemplaren von 1971 bis 2007, gebaut, sind 6000 PS stark und wiegen 276 t !

Hier die umgebaute 2M62 UM 0090 in Fahrtrichtung Rīga–Daugavpils, bei einem Niveauübergang in Silavas.

Kaum hat der vorhergehende Zug auf dem Kreuzungsgleis von Silavas angehalten, kommt aus der Gegenrichtung ein langer Zug mit offenen Güterwagen hinter der 2TE116 948. Es ist Sonntag, aber die Güterzüge folgen sich auf Blockdistanz.

Im Bahnhof Līvāni begegnet die 2TE116 559 an der Spitze eines Kesselwagenzugs dem Dieseltriebwagen DR1A 227 (aus der Produktion von RVR Rīga), unterwegs nach Daugavpils.

Gruppenfoto mit drei Lokomotivserien im Depot von Daugavpils, nördlich des Bahnhofs: Von links nach rechts die ChME3 MB 02, die 2TE10M 3545n sowie die ChME3 5537, 6151 und 4327.

Man kann sich schwer vorstellen, dass diese orange Rangierlok ChME3 MB unter Verwendung des Untergestells einer ChME3 (rechts im Bild) entstanden ist ! Sie wurde in den Werkstätten von RSS in Rīga mit von der tschechischen Industrie gelieferten Bestandteilen gebaut. Bereits in der vorhergehenden Bildserie sind wir einer solchen Umbaumaschine im Rangierbahnhof Daugava begegnet, allerdings einer ChME3 M, welche die ursprüngliche Nummer 6149 behalten hat. Offen bleibt, warum die Lok in Daugavapils eine ChME3 MB ist und eine tiefe, neue Nummer 02 hat?

Während der Personenverkehr im Bahnhof Daugavpils für die zweitgrösste Stadt Lettlands sehr bescheiden ist, macht ihn die Nähe zu Russland, Weissrussland und Litauen zu einer wichtigen Drehscheibe im internationalen Güterverkehr. Während rechts die lettische 2M62 UM 017 rangiert, ist die weissrussische 2TE10 U 0389 abfahrtsbereit nach dem Grenzbahnhof Indra.

Die zwölfachsige 2TE10 U 0389 der weissrussischen Bielaruskaya Tchihunka (BCh), gebaut in Woroschilowgrad, rangiert im Güterbahnhof von Daugavpils. Ihr Heimatdepot ist Gomel / Homiel, das von hier rund 600 km im Südosten von Weissrussland liegt, eine Stadt die im 20. Jahrhundert schwer gelitten hat (Massaker der jüdischen Bevölkerung, schwere Kriegszerstörungen und schlimme Folgen durch die Atomkatastrophe von Tschernobyl).

Auch die 2TE10 U 0145 der weissrussischen BCh ist in Gomel beheimatet. Sie steht abfahrbereit in Daugavpils Richtung Weissrussland vor einem Zug praktisch neuer hochwandiger Güterwagen.

Doch ein anderer Zug hat noch Vorrang vor jenem der 2TE10 U 0145 und verlässt mit Getöse den Bahnhof Daugavpils hinter der weissrussischen 2TE10 MK 3352 aus dem Depot Witebsk. Die neu motorisierte Unterserie MK entstand 1981 mit nur 20 Exemplaren.

Gerne hoffe ich, dass Ihnen die Parade der grossen sowjetischen Diesellokomotiven gefallen hat. Bevor wir aber Lettland verlassen, werden wir noch dem faszinierenden Tramnetz von Daugavpils einen Besuch abstatten.

Alle Fotos: J.Banaudo

Übersetzung: C. Ammann

02 Jun

Lettland (4) – Güterverkehr

Von José Banaudo, Nizza,

Wir fahren weiter mit unserem Reisebericht Lettland. In der Folge 1 haben wir den Reiseverkehr vorgestellt, die elektrischen Triebwagen des Vorortsbetriebs von Rīga, die Dieseltriebwagen des Langstrecken-Regionalverkehrs und die mit Dieselloks bespannten Nachtexpresszüge Rīga–Moskau, –Minsk und –Kiev.

Nun folgen einige Eindrücke vom Güterverkehr, der vor allem den Export von Rohstoffen aus Russland umfasst. Die Ganzzüge aus Russland kommen in Zilupe, jene aus Weissrussland in Daugavpils über die Grenze nach Lettland. Beide Strecken vereinigen sich in Krustpils und führen über einen gemeinsamen Güterkorridor nach Jelgava, wo sich die Strecken nach den Ostsee-Häfen Liepāja und Ventspils verzweigen. Im Einsatz stehen 12-achsige, dieselelektrische Doppellokomotiven aus sowjetischer Produktion, gestellt von der Güterverkehrs-Tochtergesellschaft von Latvijas dzelzceļš (LDZ CARGO) oder von zwei privaten Gesellschaften, Baltijas Tranzita Serviss (BTS), gegründet 2001 in Rīga und AS Baltijas Ekspresis (BE), gegründet 1999 und in Ventspils beheimatet.

Die von LDZ Cargo verwendeten Lokomotiven tragen häufig den Namen der Rollmaterialgesellschaft LDZ ritošā sastāva serviss, die über Unterhaltswerkstätten in Rīga, Daugavpils, Jelgava und Rēzekne verfügen.

Wir beginnen unsere Reise in Rīga, wo uns ein Güterzug aus Süden auf der Dünabrücke überraschte. Es reichte nur für einen Schnappschuss, aber es war das einzige Mal, dass wir einer nicht umgebauten Doppellokomotive der Serie 2M62 auf der Strecke begegneten. Diese 12-achsige Doppellokomotiven mit 4000 PS wurden ab 1965 von der Lokomotivfabrik Oktoberrevolution in Woroschilowgrad, heute «Luhanskteplowos» in Luhansk gebaut, das sich seit 2014 in der international nicht anerkannten «Volksrepublik Luhansk» befindet.

Ein Dienstzug fährt am Triebwagendepot Rīga Vagonu Parks vorbei, wo modernisierte Dieseltriebwagenzüge der Reihen DR1AC 185 und 187 stehen. Die sechsachsige, dieselelektrische Lokomotive ChME3 4640 mit 1350 PS wurde in der Tschechoslowakei von Českomoravská-Kolben-Daněk (ČKD) gebaut. Etwa 8200 Exemplare wurden von 1963 bis 1994 als Serie T 669 an die tschechoslowakische Staatsbahn, aber auch nach Polen, Albanien, Syrien, den Irak, an die Breitspurbahnen in Indien und in die Sowjetunion geliefert. LDZ Cargo besitzt davon 55 Fahrzeuge, eingesetzt im Rangierbetrieb, zur Bedienung von Anschlussgleisen und für Bauzüge. Wir begegneten ihnen überall in Lettland.

Das Dieseldepot Rīga befindet sich im südöstlichen Vorstadtgebiet in Daugmale. Eine öffentlich zugängliche Passerelle führt über die Gleise des Bahnhofs, des Depots und des Rangierbahnhofs, also ein herrlicher Fotostandort. Man kann hier die vier wichtigsten Streckenlokomotiven in Lettland bewundern, von links nach rechts die TEP70 0267, eingesetzt im Personenverkehr von und nach Russland, die 2M62U 0126, die 2TE10U 0220 und die umgebaute 2M62UM 0093. Wir begegneten den letzten beiden Serien vor schweren Güterzügen während unserer ganzen Reise.

Die sechsachsige M62 1615 vor der Rotunde des Depots Daugmale. Diese Lokomotiven wurden 1965–1996 in über 3000 Exemplaren in der Lokomotivfabrik von Woroschilowgrad/Luhansk gebaut, für Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, die DDR (wo man sie Taigatrommeln nannte), Kuba, Nordkorea, die Mongolei und natürlich die Sowjetunion. Etwa 30 der 917 an die UdSSR gelieferten Loks sind noch im Bestand von LDZ Cargo. Ursprünglich waren sie mit Dieselmotoren vom Typ 14 D 40 ausgerüstet, ein Zwölfzylinder-Zweitaktmotor, der Lokomotivfabrik Kolomna, abgeleitet von einem Vorkriegsmodell von General Motors.

Dieseltraktoren sind in den baltischen Staaten selten. Der dieselhydraulische dreiachsige TGM23 BV 2601 mit Stangenantrieb, hier in Daugmale, gehört zu einer Serie, die in rund 9000 Exemplaren von 1962 bis 2006 in der russischen Lokomotivfabrik Murom gebaut worden ist. Die Version BV wurde ab 2011 in den RSS-Werkstätten von Rīga modernisiert und mit einem 540 PS-Motor von Volvo ausgerüstet.

Die sechsachsigen ChME3 3967 und 3614, gebaut von der tschechoslowakischen ČKD, hier im Depot Daugmale, werden im Raum Rīga für Rangieraufgaben und Zustellfahrten benützt.

Wir betraten das Depot über einen öffentlichen Weg, begrüssten einen Eisenbahner, der uns ebenfalls grüsste und begannen Fotos zu machen. Doch plötzlich kam dieser Eisenbahner, brachte uns in ein Dienstlokal und sagte « polis, polis ». Sein Kollege telefonierte und wir warteten nun über eine Stunde auf das Eintreffen der Bahn- und der örtlichen Polizei, die sich erstaunt über den Übereifer des Eisenbahners zeigte. Wir wurden sehr höflich behandelt, der Form halber wollte man unsere Ausweise sehen. Dann verabschiedeten wir uns mit englischen und russischen Sprachbrocken in gutem Einvernehmen. Wie um sich zu entschuldigen meinte ein Eisenbahnpolizist: Wir sind hier zwischen Europa und Russland. Das ist nicht so wie bei Ihnen!

Die Lokomotive ChME3M 6149 rangiert 3 Güterwagen zum Ablaufberg des Rangierbahnhofs von Daugmale. Es handelt sich ursprünglich um eine vierachsige, dieselelektrische ČKD-Lok, wie auf den vorherigen Bildern, aber nach einem Totalumbau ab 2011 in den RSS-Werkstätten von Rīga mit einem Caterpillar-Motor von 1550 PS umgebaut.

Hier nochmals eine vierachsige ChME3 aus tschechoslowakischer ČKD-Produktion, die 4847, hier im Bahnhof Pavinas an der Hauptachse Rīga–Daugavpils. Vor dem Einsatz im lokalen Güterverkehr auf der Linie nach Gulbene, putzte der Lokführer sorgfältig mit einem Lappen die Stirnseiten. Die meisten Lokomotiven befinden sich in einem sehr gepflegten Zustand.

Im Bahnhof Krustpils verzweigen sich die Strecken Rīga–Daugavpils (welche die beiden grössten Städte Lettlands miteinander verbindet) und Zilupe–Jelgava (als Achse von Russland zu den baltischen Häfen, mit einem intensiven Güterverkehr). An einem Sonntagmorgen fährt ein Güterzug mit gemischtem Wagenpark durch den Bahnhof, an der Spitze die achtachsige Doppellok 2TE116 559, mit 4500 PS, die in 1723 Exemplaren von 1971 bis 2007 von den Lokomotivwerken von Woroschilowgrad/Luhansk gebaut wurde.

Immer noch in Krustpils : Die schweren Züge nach Weissrussland und Litauen folgen sich auf Blockdistanz. Hier ist die 2TE10U 0221 an der Spitze, eine achtachsige Doppellok mit 4400 PS, die in 548 Exemplaren von 1989 et 1996 an die Bahnen der Sowjetunion bzw. Russlands geliefert wurde.

Hier sind wir in Ventspils an der Ostsee, wichtiger Exporthafen für Erdöl und Kohle aus Russland. Die ČKD-Lokomotive ChME3 3488 formiert einen langen Kesselwagenzug, der leer zurück nach Russland fahren wird.

Immer noch im Rangierbahnhof Ventspils. Die Doppellok 2TE116 1494 steht abfahrtsbereit vor dem Kesselwagenzug, und wir wollen sie etwas weiter von der Strasse aus, ausserhalb des Bahngeländes, fotografieren. Doch nun kommt ein Eisenbahner per Auto angefahren, zeigt uns einen LDZ-Ausweis und spricht von « Dokument » und « Polis »… Gleiches Szenario wie in Daugmale : Telefonanruf, ein Eisenbahnpolizist kommt, prüft unsere Ausweise ohne grosse Begeisterung, denn auch er teilt den Übereifer der Eisenbahner nicht. Offenbar haben gewisse Eisenbahner in Lettland noch immer die alten Reflexe der sowjetischen Zeit bewahrt, ganz im Gegensatz zu Estland und Litauen, wo uns solches nie passiert ist.

Mit dieser nicht so erfreulichen Episode endet diese Folge. Doch bevor wir Lettland verlassen, erwarten uns noch sehr schöne Entdeckungen !

Alle Fotos: J. Banaudo

Übersetzung: C. Ammann

18 Apr

Torfbahnen im Baltikum

Von José Banaudo, Nizza

In der 6. Folge unseres Reiseberichts über die Bahnen im Baltikum geht es nun um eine regionale Besonderheit, den Torfabbau. Gleich wie im benachbarten Russland und Weissrussland existiert auch in den drei baltischen Staaten ein industrieller Torfabbau, um Torfbriketts zum Heizen oder Torf für Blumenerde zu gewinnen. Zur sowjetischen Zeit waren all diese Torfabbaugebiete mit 750 mm-spurigen Bahnen erschlossen, die innerhalb der Torfmoore geeigneter waren als die Anlage von Strassen und Pisten. Die damals gelieferten, standardisierten Fahrzeuge der sowjetischen Industrie wurden im Lauf der Jahrzehnte mit viel Improvisationsgeist an die örtlichen Bedürfnisse angepasst und umgebaut.

Wir wussten, dass im Baltikum sehr faszinierende Torfbahnen existieren mussten, doch wie besuchen? Basis bildete eine vor etwa 15 Jahren, natürlich nicht mehr aktuelle Liste eines englischen Eisenbahnfreunds, dann die Suche auf Google View. Danach war die Herausforderung, die Bahnen in den weitab von den Städten gelegenen Torfmooren zu finden. Auch wenn praktisch niemand des Personals Englisch- oder Deutschkenntnisse hatte, war es dann aber relativ einfach, im persönlichen Kontakt vor Ort zu kommunizieren und die Erlaubnis zum Fotografieren zu bekommen. Klar, nur schon die Bezeichnung Torfbahnzug ist in den drei baltischen Sprachen unterschiedlich: «turva rong» (estnisch), « kūdras vilciens » (lettisch) und « durpiu traukinys » (litauisch) ! Fast am Schwierigsten ist aber, auf englischen, deutschen, dänischen, estnischen und russischen Internetseiten Informationen über den kunterbunten Fahrzeugpark zu finden. Ich hoffe deshalb, dass die nachfolgenden Angaben grösstenteils stimmen und nehme gerne Berichtigungen von Spezialisten entgegen.

Es kann losgehen. Aber passen wir auf, wo wir hintreten!

Beginnen wir mit Estland

Das Torfgebiet von Sangla liegt nahe des Dorfes Puhja (Kreis Tartu), wo sich eine Torfverarbeitungsfabrik befindet, betrieben von der englischen Gruppe Peat Mill. Der sehr freundliche, englisch sprechende Leiter dieses Werks informierte uns, dass das rund 8 km lange Torfbahnnetz nicht mehr betrieben werde und das Rollmaterial 2020 verkauft werde. Ein Angestellter führte uns dann im Auto zum kleinen Depot, wo dieses ganz spezielle Fahrzeug steht: Die vierachsige, dieselhydraulische Lokomotive TU6A 1789, (127 PS) gebaut von Kambarka, wurde zwischen 1972 und 1988 in einer Serie von 3915 Fahrzeugen gebaut. Die Führerkabine trägt noch das Signet SSSR auf kyrillisch, CCCP und sogar das Wappen der Sowjetunion! Doch als der Motor den Geist aufgab, verwendete man statt eines Ersatzes aus Russland den Motor eines Volvo-Lastwagens FL12 und baute diesen zusammen mit der Führerkabine an einem Lokende direkt über einem Fahrgestell auf. Ein anderes Fahrzeug wurde auf gleiche Weise mit einem Scania-Motor ausgerüstet.

Besuchen wir nun in Lettland den Torfabbau in Inčukalns. Betrieben wird er von der dänischen Gruppe SIA Pindstrup und das Netz umfasst ungefähr 3 km. Der Vorarbeiter, den wir am Eingang treffen, gibt uns gelbe Warnwesten und weist uns den Weg dorthin, wo demnächst ein Zug ankommen wird. Und bald ist er da. Er wird von einer Art Lieferwagen auf Schienen des sowjetischen Typs MD54-4 mit der Nummer 900073 gezogen. Etwa 7000 Exemplare dieses Typs wurden zwischen 1958 und 1974 von den Maschinenfabriken IstMZ in Istye und der Wagenfabrik von Kalinin (heute Twer) gebaut. Die Leistung übersteigt nicht 54 PS und die Ladelast pro Achse ist auf 2,6 t beschränkt, um auf schlecht unterhaltenen Gleisen fahren zu können. Weil der Gleiszustand in Inčukalns mehr Last erlaubt wurden zwei Wassertanks angebracht, um die Adhäsion zu verbessern.

Am Gleisende angekommen, wird der Zug durch eine Einrichtung geleert, die einen Container nach dem andern hochhebt und den Torf auf einen grossen Haufen zum Abtransport durch Lastwagen schüttet. Auf jedem Wagen sind zwei Container.

Auf Sichtdistanz von einigen hundert Metern hinter dem Torfzug folgt ein weiterer Zug. Aus der Ferne können wir lange nicht erkennen, was sich uns da nähert: Ein kleiner Schienentraktor mit einem Personenwagen (mit Ofenheizung), der zum Personaltransport zum Abbau und zur Lebensmittelversorgung dient.

Der Personenwagen mit seinen gesickten Seitenwänden ist klar ein Fahrzeug aus sowjetischer Zeit, der Schienentraktor Nr. 013 ist aber dänischer Herkunft. Er wurde 1941 durch die Maschinenfabrik Pedershaab produziert und seither öfters umgebaut.

In Litauen trifft man auf die meisten Torfbahnen. Jene von Rėkyva befindet sich am Ufer eines Sees, im Süden des Eisenbahnknotens Šiauliai, wohin sie auch mit einem breitspurigen Anschlussgleis verbunden ist. Die Gesellschaft AB Rėkyva betreibt ein Netz von etwa 8 km, wo verschiedene vierachsige Diesellokomotiven aus sowjetischer Produktion im Einsatz stehen.

Die Nr. 421 0002 dürfte wohl eine TU4 sein, dieselhydraulisch mit 250 PS, die zwischen 1961 und 1972 in 3210 Exemplaren in Kambarka gebaut wurde.

Die Lokomotive 400 1987 gehört zum Typ ESU2A, ausgerüstet mit einer grossen Kabine für den Personaltransport und einem Generator zur Lieferung von Elektrizität im freien Gelände. Von diesem Typ mit einem Dieselmotor von 108 PS wurden zwischen 1972 und 1988 tausend Exemplare von «Gubinskim Mekanicheskim Zavodom»

Die TU8 400 1902 fährt mit leeren Wagen zum Ufer des Rėkyva-See, um Torf zu laden. Diese vierachsige, dieselmechanische Lok mit 180 PS ist das modernste Fahrzeug. Sie wurde ab 1988 in einigen hundert Exemplaren von Kambarka gebaut; vier meterspurige Loks wurden auch nach Vietnam exportiert.

Wir beenden unseren kleinen Bericht über die baltischen Torfbahnen mit der litauischen Bahn in Sulinkiai. Das Netz von über 20 km wird von der Gesellschaft UAB Sulinkiai betrieben und besteht vor allem aus einer langen Strecke, die das Hauptabbaugebiet mit der nördlich gelegenen Torfverarbeitungsfabrik verbindet, unweit des wichtigen Abzweigbahnhofs von Radviliškis. Ein Anwohner des Depots, das wir abends verlassen vorfinden, erzählt uns, dass die Züge normalerweise morgens fahren. So begeben wir uns am nächsten Morgen an die Strecke und treffen bald auf einen angehaltenen Zug. Der Lokführer und ein Begleiter sind damit beschäftigt, eine lockere Schienenschraube anzuziehen. Dann fährt der Zug hinter der vierachsigen Kambarka-Lok TU4 (250 PS) weiter, die auch einen Satz Drahtseilschlingen und eine komplette Schneidbrennausrüstung mitführt, alles, was es im Fall einer Entgleisung braucht.

Als der Zug auf unser Höhe ankommt gibt uns der Lokführer heftig Zeichen Richtung Ende seines Zuges, und wir begreifen, dass er uns auf einen folgenden Zug aufmerksam machen will. Etwa eine Viertelstunde später folgt eine vierachsige Kambarka der Serie TU6A (127 PS) an der Spitze eines Torfzugs, hier am Niveauübergang beim Dorf Batkūnai.

Nach Ablad der beiden Züge an der Torfverarbeitungsfabrik kehren die beiden Lokomotiven TU4 et TU6A ins Depot Radviliškis zurück, wo ein Lokführer kurz Unterhaltsarbeiten ausführt, danach die Türen schliesst und zum Mittagessen geht. Für uns Zeit zum Verabschieden.

Damit schliessen wir diesen kleinen Bericht, und ich hoffe, die Fahrzeuge weitgehend richtig identifiziert zu haben. Im Baltikum sollte noch etwa ein Dutzend Torfbahnen existieren, deren Besuch ein ganzes Reiseprogramm ausfüllen würde.

Alle Fotos: J. Banaudo

Übersetzung: C. Ammann

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