08 Mai

St. Gallen St. Fiden: Spurensuche nach einem Anschlussgleis

Vor vielen Jahren entdeckte ich unter der Fussgängerpasserelle, die über die Gleisanlage des Bahnhofs St. Gallen St. Fiden führt, zwei Fragmente von einer Auflaufkurve, die damals wie heute noch teils frei, teils unter Asphalt verborgen liegen. Diese Auflaufkurve, allgemein auch „Deutschlandkurve“ genannt, war Teil des Gleisbogens im Anschlussgleis zum damaligen Standort der Betriebszentrale der Genossenschaft Migros Ostschweiz an der Bachstrasse – deren Ansiedelung auf das Jahr 1933 zurückgeht – und eine bahnbetriebstechnische Notwendigkeit aufgrund der örtlichen Raumverhältnisse. Dieses Anschlussgleis bestand seit Anbeginn – gemäss historischem Stadtplan aus dem Jahr 1934 – und dürfte schätzungsweise in der ersten Hälfte der 1950er-Jahre erneuert worden sein (siehe Produktionsjahr im Walzzeichen). Ungefähr im Jahr 1967 wurden Betriebszentrale und Anschlussgleis aufgegeben; die Zentrale bezog ihren Neubau am heutigen Standort im Industriegebiet von Gossau SG. An der Bachstrasse selbst wurde das Gebäude zur Filiale Migros Bach, die 1968 eröffnete, umgebaut. Im Zuge der geplanten städtebaulichen Entwicklung – die Stadt St. Gallen hat das Güterbahnhofareal von den SBB käuflich erworben – und Neugestaltung rund um das Einkaufszentrum der heutigen Migros St. Fiden ist absehbar, dass die Tage dieses letzten, vom „Normalbürger“ kaum wahrgenommenen Zeitzeugnisses aus dem vergangenen Jahrhundert endgültig gezählt sind. Die umfangreiche Gleisanlage zwischen Güterschuppen und Bachstrasse, die zuletzt nur noch dem National-Circus Knie für seine zahlreichen SBB-Flachwagen Kps als Abstellfläche diente, wurde vor Jahren bereits rückgebaut.

Gleisplan St. Gallen St. Fiden, erstellt im Dezember 1935 (1).
Detailansicht vom Anschlussgleis zur Betriebszentrale der Migros an der Bachstrasse (2).
Oben die Fussgängerpasserelle, darunter liegen die beiden erwähnten Fragmente. Im Hintergrund die damalige Betriebszentrale, welche zur Migros Bach (heute St. Fiden) umgebaut wurde (und aktuell wiederum modernisiert wird). Die Fussgängerpasserelle existiert gemäss historischen Stadtplänen seit mindestens 1915.
Es handelt sich dabei zum einen hier um die kurveninnere, mit zweitem Profil ergänzten Schiene zwecks Führung des Spurkranzes des einen Rades, …
… zum andern hier um die äussere Schiene mit breiter Auflauffläche, auf welcher der Spurkranz des anderen Rades darüberrollt.
Beide genannten Schienen, deren Kurvenverlauf …
… unter der Asphaltierung verdeutlicht wird. Selbst auf der Asphaltoberfläche wird die kurveninnere, doppelt geführte Schiene optisch als solche wahrnehmbar.
Hier zeigt sich die innere Spurkranzführung infolge beschädigter Asphaltoberfläche.
Verschleissspuren auf der Auflauffläche der äusseren Schiene.
Detailaufnahme von Schienennagel, Grundplatte und morscher Holzschwelle.
Schienenlasche der damaligen Bauart.
Walzzeichen mit Namen des Herstellers und mit Produktionsjahr.
Das Anschlussgleis über die Bachstrasse, wie es ungefähr bis ins Jahr 1967 als Verbindung zwischen Güterbahnhof und damaliger Betriebszentrale der Genossenschaft Migros Ostschweiz Bestand hatte.
10 Saurer SV2C in Reih‘ und Glied für die damalige Betriebszentrale der Genossenschaft Migros Ostschweiz – links am Bildrand – an der Bachstrasse in St. Gallen. An der Laderampe, hinter dem Lastwagen, steht ein zweiachsiger, gedeckter Güterwagen.
Sie standen von 1959 bis 1969 im Einsatz. Nostalgie der 60er-Jahre – beim Anblick wird einem der Wandel der Zeit bewusst.

Quellenangaben:

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Auflaufkurve

https://www.gleisplaene-schweiz.ch/(1+2): mit freundlicher Genehmigung zur Publikation durch den Betreiber, Stefan Niklaus

Alle schwarz-weissen Bilddokumente: mit freundlicher Genehmigung zur Publikation durch die Genossenschaft Migros Ostschweiz, Kommunikation, 9201 Gossau SG

Alle Bildaufnahmen (ausser schwarz-weisse): © Daniel Widmer

Alle schwarz-weissen Bildaufnahmen: © Genossenschaft Migros Ostschweiz, 9201 Gossau SG

Gleispläne: © Stefan Niklaus