02 Jan

Neubaustrecke der Appenzeller Bahnen (Teil 1)

AB 2086 als S21 nach Trogen in der 35kmh-Kurve vor der Einfahrt in St.Gallen (18.12.2020)

von Armand Wilhelmi, EMF St.Gallen

Nach der Aufhebung der 940m langen Zahnradstrecke mit bis zu 100‰ Steigung zwischen dem SBB-Güterbahnhof St.Gallen über die Ruckhalde bis Riethüsli und der Inbetriebnahme, bzw mit der Einweihung des 725m langen Ruckhaldetunnels (80‰) am 5. Oktober 2018, steht bei den Appenzeller Bahnen (AB) ein weiteres Grossprojekt an.

Bereits vor gut 10 Jahren planten die Appenzeller Bahnen die südlich vom SBB-Güterbahnhof verlaufende Strecke auf die Nordseite des Güterbahnhofgebäudes zu verlegen. In dieser Zeit folgten umfangreiche Abklärungen und Vereinbarungen mit den SBB. Nachdem vom Bundesamt für Verkehr (BAV) grünes Licht gegeben wurde, konnte das 40-Millionen-Projekt im April 2020 gestartet werden.

Die folgende Grafik zeigt den aktuellen Streckenverlauf auf der Südseite des Güterbahnhofareals und den zukünftigen Verlauf auf der Nordseite mit der neuen Haltestelle „Güterbahnhof“.

Quelle: Google Maps / sbu / St.Galler Tagblatt
Foto: Benjamin Manser / St.Galler Tagblatt

So präsentierte sich die Gleisanlage noch am 25.02.2020

von links nach rechts:

  • Gleis 93-83 von und nach St.Gallen Haggen (321)
  • Gleis 82 von St.Gallen Bruggen (280)
  • Gleis 81 nach St.Gallen Bruggen (180)
  • Gleis 90-80-70 Verbindungsgleis zwischen St.Gallen PB und GB
  • Geleise 700, 702 und 703. Diese Gleise werden vom Umbau nicht tangiert.
  • Geleise 704 – 708 werden verkürzt, ungefähr auf der Höhe, wo die Eem 923 005 „Oberberg“ im Gleis 703 steht.
  • Gleis 704 wird im Endzustand wieder verlängert und bei der Weiche 69 ins Gleis 503 eingebunden (neuer Standort LRZ).

Im Hintergrund AB 2082 als S21 nach St.Gallen-Trogen

Visualisierung: PD / St.Galler Tagblatt

Diese Visualisierung zeigt die zukünftige Haltestelle „Güterbahnhof“ mit den Gleisen 1 & 2 mit je einem Aussenperron. Hinter diesen beiden Gleisen befindet sich der neue,  gedeckte Unterstand für den LRZ (Gleis 503).

Im April 2020 war es dann soweit und die ersten Vorbereitungsarbeiten für den Rückbau der bestehenden SBB-Gleise 84, 85, 503 und 504 konnten beginnen.

Die Abstellgleise 704-707 im Güterbahnhof St.Gallen werden gekürzt und die ersten Baumaschinen fahren auf (15.04.2020).

Der Freiverladeplatz dient ab jetzt als Installationsplatz für die bevorstehenden Bauarbeiten: erste Lieferung von Armierungseisen für Betonsockel und Eisenstangen für Mikropfählungen.

Die Gleisanlage wie sich kurz vor der Ausserbetriebnahme am 18.04.2020 präsentierte.
von links nach rechts:

Gleis 84 mit Signal E84

Gleis 85 mit Signal E85

Gleis 503 (überdachtes Gleis an der Rampe)

Gleis 504 (überdachtes Kurzgleis an der Rampe). Bisheriger Standplatz für den Lösch- und Rettungszug (LRZ)

Mit Blick Richtung Westen von links nach rechts:

die Gleise 708 und 707, anschliessend die Gleise 504, 503, 85 und 84

In der vergangenen Nacht wurden Fahrleitungen, Fahrleitungsjoche, Gleislampen etc abgebaut.

Ein Teil vom Gleis 85 – zwischen den Gleisen 503 und 84 – wurde bereits zurückgebaut. Die Rampe in der Bildmitte (dunkler Belag) ist bereits komplett geräumt und wird abgebrochen.

Links das Gleis der Appenzeller Bahnen mit der Links- und der anschliessenden Rechtskurve. Gegen Ende 2021 wird davon nichts mehr zu sehen sein.

In der Bildmitte eine Treppe welche vor allem dem Lokpersonal diente, wenn es vom Personenbahnhof St.Gallen aus einen – in den Gleisen 84 oder 85 – abgestellten Zug im Güterbahnhof übernehmen mussten. Dieser begrünte Hügel wird bis auf das Niveau der nördlich davon liegenden Gleise abgetragen. Der Hauptschaltposten rechts wird abgebrochen. Dazu mehr weiter unten.

Der Geländeabbau erfolgt von Osten nach Westen und nimmt sukzessive in der Höhe ab. Im Gleis 84 steht ein Bauzug für den Gleisrückbau.

Links das ehemalige mechanische Stellwerk „St.Gallen HB III“. Zwischen den Gleisen liegen bereits neue Masten und Fahrleitungsjoche.

Hier entstehen die ersten Betonsockel für Masten, Abspannungen etc.

Die verkürzten Gleise 704-707 erhalten je einen Prellbock. Links und rechts davon sind bereits erstellte Betonsockel zu sehen.

Die Gleise 503 & 504 wurden bereits vollständig entfernt.

Links die verkürzten Gleise 704-707 von rechts nach links. Das Gleis 708 wird im Moment noch in seiner vollen Länge belassen, damit auf diesem noch Bauzüge verkehren können und die Zufahrt zum Freiverlad weiterhin gewährleistet ist.

Ein neues Fahrleitungsjoch wurde aufgestellt. Hier enden vorläufig Schienen und Fahrleitungen der Gleise 704-708. Das Gleis 708 bleibt vorläufig noch bestehen, allerdings fahrdrahtlos. Die Weiche im Vordergrund ist verkeilt und ohne Bedeutung. Das Gleis neben der gelben Mulde wurde schon vor längerer Zeit entfernt.

Diese Fotos vom 30.04.2020 zeigen das vollständig zurückgebaute Areal. Der nächste Schritt ist der Abbruch des Daches mit den entsprechenden Stützen.

Das Gleis 707 ist der vorläufige Standort vom LRZ. Dieser ersetzt den  im Gleis 706 im Hintergrund abgestellten älteren LRZ. Zwischen diesen beiden  Gleisen wurde eine provisorische Ladestation für die Stromversorgung für den LRZ erstellt.

Das Bild zeigt die vom Umbau direkt betroffenen Gleise 704-708. Die Gleise 702 und 703 ganz rechts werden vom Umbau nicht tangiert und sichern weiterhin die direkte Zufahrt zu den westlichen Abstellgleisen. Über diese Gleise führt die Vonwilbrücke. Sie ist eine wichtige Verbindung zwischen dem nördlichen und dem südlichen Stadtteil im Westen der Stadt St.Gallen. Links das Paketzentrum der Post.

Die früher verbreiterte Rampe wurde, inkl Vordach, unterdessen abgebrochen und schafft Platz für die zukünftige Böschung und Gleise der AB.

Die Abtragung des Geländes hat auf der Ostseite begonnen (Stand am 02.07.2020). Eine S21 nach Trogen biegt in die 25kmh-Kurve nach St.Gallen ein.

Die Re 620 089 mit einem leeren Kieszug von St.Gallen Haggen via St.Gallen-Romanshorn nach Hüntwangen-Wil. Links die enge 25-kmh Kurve der AB.

Verschiedene Bagger sind für die Abtragung des Hügels im Einsatz. Laufend werden neue Betonsockel erstellt.

Das Gelände wurde bereits zu einem grossen Teil abgetragen. Gut erkennbar die bereits erstellten neuen Betonsockel für Fahrleitungsmasten (Stand 20.07.2020). Hinter der Sicherheitsabschrankung befindet sich der Hauptschaltposten. Dieser wird ebenfalls abgebrochen, sobald der neue, 1km westlich in Betrieb genommen werden kann.

Das Gelände ist bald vollständig abgetragen. Neue Fahrleitungsmasten sind bereits aufgestellt. Rechts dieser Masten werden später die SBB-Gleise 84 & 85 wieder verlegt. Links der Masten kommen die neuen Gleise 61 & 62 der Appenzeller Bahnen zu liegen. Hier entsteht im Zusammenhang mit der neuen Haltestelle „Güterbahnhof“ eine 350m lange Doppelspurinsel. Hinter der Sicherheitsabschrankung fährt am 28.07.2020 der IR13 3262 nach Zürich HB vorbei.

Das Gelände rund um den Hauptschaltposten ist freigelegt. Der vollständige Abbruch des Schaltpostens, inkl Stützmauer beginnt ca Mitte Juni 2021. Ganz rechts erkennt man das Einfahrsignal F239 der AB.

1km in westlicher Richtung beim Tunnelweg wird der neue Hauptschaltposten erstellt. Er entsteht bei km 82.025 zwischen dem SBB-Gleis 280 aus Richtung St. Gallen Bruggen und dem SOB-Gleis 321von und nach St.Gallen Haggen (rechts  oben).

Für den LRZ muss ein neuer, überdachter Standort geschaffen werden. Dieser wird im zukünftigen Gleis 503 erstellt. Um der Interventionsmannschaft im Ereignisfall einen sicheren, direkten Zugang von ihren Räumlichkeiten im Güterexpeditionsgebäude zum LRZ zu ermöglichen, wird ein unterirdischer Tunnel – unter den beiden AB-Gleisen 61 & 62 hindurch –  mit anschliessender Rampe erstellt. Weitere Details dazu folgen in einem nächsten Blog.

Im Vordergrund rechts entstehen die beiden AB-Gleise 61(nördliches Gleis) und  62. Sie kommen dort zu liegen, wo früher die Gleise 85 und 503 verlegt waren. Links der Masten die abgesenkten SBB-Abstellgleise 84 und 85.

Nach der Fertigstellung des Unterbaus (links) findet die Vorschotterung für das Gleis 84 statt.

Die Erdarbeiten im Bereich der zukünftigen AB-Gleise 61 und 62 (Stand 25.10.2020) werden anfangs Februar 2021 fortgesetzt. Weiter westlich entstehen die beiden Gleise 1 und 2 der AB-Haltestelle „Güterbahnhof“.

Die Einschotterung von Gleis 84 ist fast beendet. Die Vorschotterung von Gleis 85 startet am 11.01.2021. Gleis 85 erhält – wie schon Gleis 84 – einen provisorischen Prellbock. Die beiden Gleise 84 und 85 werden – sobald der bisherige Hauptschaltposten abgebrochen ist (Mitte Juni 2021) – in östlicher Richtung verlängert.

Das Gleis 84 wird später neu zum Durchgangsgleis. Die Einbindung ins Gleis 70 erfolgt bei der Weiche 48 (neu). Die bestehende Weichenverbindung mit Weiche 47 (Gleis 70) und 46 (Gleis 61) muss dadurch etwas Richtung Osten verschoben werden. Dazu mehr im nächsten Blog.

Bei diesem provisorisch aufgestellten Prellbock (links im Bild) endet vorläufig das Gleis 84. Dieses kann bereits – wie das Foto zeigt – als vorübergehendes Abstellgleis mit dem Signal E84 benützt werden (abgestellt im Gleis 84 der RABDe 502 008 „Lausanne Capitale Olympique“). Hinter der Sicherheitsabschrankung finden Vorarbeiten für das Gleis 85 statt.

Gleiche Stelle mit IR 2016 Voralpenexpress nach Luzern. Ausfahrt in St.Gallen ausnahmsweise über Gleis 72 statt 73-973 wegen Verspätung der S2 11235.

Fortsetzung folgt im nächsten Blog (Teil 2).

Text und alle Fotos: Armand Wilhelmi, drei Ausnahmen sind bezeichnet.

Ein Dank geht an die Redaktion vom St.Galler Tagblatt, welche unentgeltlich Bildmaterial zur Verfügung gestellt hat.

01 Jan

Dampf in Bulgarien 1976 (1)

von José Banaudo

Diesmal sind hier keine farbigen Digitalbilder zu sehen, sondern jahrzehntealte Schwarzweissbilder: Es war im August 1976. Mit dem Interrail sind wir 1 Monat lang durch Europa gereist, sogar in die Türkei, mit einem Abstecher in den Iran nach Teheran. Die nachfolgenden Bilder stammen von der Rückreise. Wir wollten durch Bulgarien fahren, um die letzte Schmalspurbahn im Balkan zu besuchen, die noch regelmässigen Dampfbetrieb hatte.

Nach drei Wochen Reise gingen langsam unsere Vorräte an Francs, Dollars und Fotofilmen zur Neige, und wir mussten gut auf unser Budget für den Rest des Monats achten. In jener Zeit konnte man die Länder des damaligen kommunistischen Ostblocks nicht einfach frei bereisen, sondern es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder man blieb ein paar Tage im Land und hatte pro Tag einen Zwangsumtausch von 10 Dollars zu leisten, was bei unseren angespannter Finanzlage eine zu grosse Summe war. Oder man löste am Grenzübergang ein Transitvisum für 48 Std. , ohne Zwangsumtausch. Diese letzte Variante war für uns finanziell die einzig mögliche. Am 21. August abends begann die Reise am Bahnhof Istanbul-Sirkeci und wir fuhren im Nachtzug über die bulgarische Grenze von Swilengrad, um dann über Dimitrowgrad und Plowdiw am Morgen des 22. August in Sofia anzukommen. Der Hauptbahnhof war 1974 nach Plänen des Architekten Milko Bechew im typischen Stil des Sozialismus erbaut worden. Wir hatten nun Zeit, in der unterirdischen Galerie beim Bahnhof das Frühstück zu nehmen und dann ein Tram zu fotografieren. Der Triebwagen 874 des Typs « Sofia 65 » wurde zwischen 1968 und 1977 in 175 Exemplaren vom bulgarischen Hersteller Tramkar gebaut.

Nun ging es weiter auf der Magistrale Sofia–Varna, von der auch die Verbindung nach Rumänien abzweigt, die über Gorna-Oryahovitsa, Ruse führt, wo sie die Donau über die « Brücke der Freundschaft » überquert. Der erste,damals noch nicht elektrifizierte Abschnitt führte die Iskar-Schlucht hinunter. In Eliseina überholen wir einen Güterzug, bespannt mit der «Kriegslok» 15.130. An der Rauchkammertür trägt sie den roten Stern und das Flügelrad der bulgarischen BDŽ (Bălgarski Dăržavni Železnici). Es ist die frühere, von der Maschinenfabrik Esslingen gebaute 52.1468, 1961 von der DR übernommen.

Eingangs Mezdra steht eine weitere «Kriegslok», die 15.67 vor dem Depot. Sie gehört zu einer Anzahl sowjetischer Beuteloks, die 1946 direkt an Bulgarien abgegeben worden sind. Die Umlaufgeländer sind typisch für russische Dampflokomotiven.

Immer noch in Mezdra sehen wir eine fünfachsige Güterzugdampflok der Serie 28, geliefert von1909 bis 1925 in 87 Exemplaren von verschiedenen deutschen und tschechoslowakischen Herstellern: Maffei, Hohenzollern, Hanomag et Škoda. Dahinter eine Lok der Serie 35, geliefert von 1910 bis 1921 in 45 Exemplaren von Hanomag und BMAG Schwartzkopff.

Ab Mezdra, Abzweigbahnhof Richtung Vidin, fahren wir unter einer Fahrleitung von Einphasen-Wechselstrom 25 kV. Die « Kriegslok » 15.60, ebenfalls eine frühere sowjetische Beutelok, wird mit einem Güterzug ostwärts abfahren. Die meisten bulgarischen Dampflokomotiven sind mit  einer gemischten Kohle- und Oelfeuerung und entsprechenden Tendern ausgerüstet.

Auf der Rauchkammertüre der 15.60 prangt nebst dem Stern und dem Bahnsignet der Kopf einer Persönlichkeit, eventuell des Genossen Georgi Dimitroff, der als bulgarischer Ministerpräsident von 1946–1949 nach seinem Tode mit grossem Personenkult verehrt  wurde.

Bald erreichen wir den Endbahnhof Tscherwen Brjag. Es ist schon im späteren Nachmittag, und wir haben noch nichts gegessen. So gehen wir zu einem Kiosk auf dem Bahnhofplatz. Das Angebot ist nicht gross, aber wir kaufen ein paar Biscuits und Schokolade. Doch wo wir gehen und unsere karge Mahlzeit einnehmen wollen: Überraschung! Links und rechts steht ein Polizist. Barsch wird nach «Pasport? Dokument?» gefragt. Dann werden wir aufgefordert, mitzukommen, und schon befinden wir uns auf dem Kommissariat in einem düstern, grün gestrichenen Raum unter den Porträts des bulgarischen Staatschefs Todor Schiwkow und des Generalsekretärs der KPdSU, Leonid Breschnew! Während einer Stunde telefonieren nun die beiden Polizisten, in den Händen unsere Pässe, geschmückt mit Dutzenden von Stempeln, die sie zu entziffern versuchen. In einem benachbarten Büro klappert eine Schreibmaschine. Dann kommt der Chef und sagt uns: « Ah, Frantsuski… Giscard d’Estaing… Ami Bulgarie ! ». Nachdem unsere Identität geprüft worden ist sind wir frei von Verdacht. Man gibt uns die Pässe zurück und weist uns zur Tür… Wir sollten nie erfahren, warum man auf uns aufmerksam wurde, wohl einfach weil wir sofort als Ausländer auffielen, in einer kleinen Stadt, wohin sich sonst kein Tourist verirrte.

Rasch ging es zum Bahnhof zurück und möglichst ohne weiter die Aufmerksamkeit der Polizei auf uns zu lenken. Auf der andern Seite der Hauptgleise beginnt die Gleisgruppe der 760 mm-spurigen Strecke Tscherwen Brjag–Orjachowo, die nach 103 km den kleinen Hafen am rechten Ufer der Donau erreicht, von wo die Fährschiffe nach Rumänien fahren. Die Fünfkupplerlok 503.76 (E h2t) rangiert mit einem Güterzug. Sie wurde von Českomoravská-Kolben-Daněk (ČKD) im Prag gebaut und gehört zu einer Serie von 6 Maschinen ; die ersten vier wurden 1927 von ČKD, die letzten beiden 1931 von BMAG Schwartzkopff gebaut.

Am Anfang ihrer Karriere fuhren diese Lokomotiven auf der gebirgigen Rhodopenbahn Septemwri–Dobrinischte. Als dort 1942 stärkere Loks eintrafen, wurden sie auf die weniger steigungsreiche Strecke Tscherwen Brjag–Orjachowo versetzt. Als auf der Rhodopenbahn Mitte der 1960er Jahre die Dieseltraktion die 1’E1′ h2t verdrängte, kamen auch diese nach Tscherwen Brjag. So blieb nur die 503.76 in Betrieb und mühte sich mit dem lebhaften Güterverkehr auf der Strecke ab, der in den Bahnhöfen viele Rangieraufgaben erforderte. Das Führerhaus ist mit dem bulgarischen Löwen, Kornähren und dem roten Stern geschmückt

Der Lokführer bemerkt uns und winkt, wir sollen auf die Maschine kommen und beim Manöver mitzufahren. Und wir versuchen einen Dialog: « Ah Frantsuski ! Russki… Amerikanski… Bombatomik ! » Wir sind im «Kalten Krieg», die bulgarischen Eisenbahner haben nicht oft die Gelegenheit, Westeuropäern zu begegnen, und als Franzosen geniessen wir meist eine gewisse Sympathie.

Heute sind noch drei Dampfloks des Typs E h2t erhalten, also die Hälfte der einstigen Serie. Die 503.76, die wir hier rangieren sahen, steht als Denkmal in Tscherwen Brjag. Die 504.76 ist in Bansko auf der Strecke Septemwri–Dobrinischte abgestellt und die 506.76 steht im bulgarischen Eisenbahnmuseum in Ruse. Hier zum Vergleich ein Bild 43 Jahre später: Die 504.76 im Februar 2019 in Bansko (sh. auch Blog vom 1. November 2019)

Der Tag geht zu Ende und die Nacht bricht ein. Wir breiten unsere Schlafsäcke in einem Gebäude aus, das zwischen den Normal- und Schmalspurgleisen gebaut wird. Am nächsten Tag geht die Reise weiter auf der Schmalspurbahn, die übrigens seit 2002 nicht mehr existiert. Fortsetzung folgt!

Alle Fotos: J. Banaudo

Übersetzung: C. Ammann

19 Dez

Schmalspurdampf im Südosten von Madrid

von José Banaudo

In der letzten Folge unseres Reiseberichts fahren wir nach drei Reisen in den Norden und Nordwesten nun in den Süden von Madrid. Am Sonntag, 8. März steigen wir wieder in Puerta del Sol in die Metro ein. Nach einmal Umsteigen sind wir in Puerta de Arganda. Es geht nun zwar weiter auf der Linie 9, aber wir müssen umsteigen. Es soll uns nicht nochmals das Gleiche passieren, wie vor drei Tagen in Tres Olivos, wo wir die Durchsage verpassten und schliesslich wieder in die Richtung fuhren, woher wir gekommen waren !

Der Zug 6101 aus zwei Triebwagen und einem Mittelwagen ist eine der 7 Einheiten, die 1998–1999 von CAF für diese Strecke geliefert wurden.

Der Endabschnitt der Linie 9 Puerta de Arganda–Arganda del Rey hat die gleiche Tarifierung, Beschilderung und das gleiche Erscheinungsbild wie die übrige Metro von Madrid, wurde aber an eine andere Betriebsgesellschaft vergeben, die Transportes Ferroviarios de Madrid (TFM). Sie wurde 1999 in einem noch kaum urbanisierten Bereich der spanischen Hauptstadt eröffnet, teilweise auf dem Trassee der früheren Meterspurbahn Ferrocarril del Tajuña, also eine richtige «Überlandmetro».

Wir steigen in la Poveda, an der zweitletzten Station aus. Hier ist der Sitz des Centro de Iniciativas Ferroviarias Vapor Madrid (CIFVM), einer 1987 gegründeten Gesellschaft, die sich für den Dampfbahn-Modellbau und den Erhalt des historischen Eisenbahnerbes einsetzt. 1994 organisierte sie die ersten Dampffahrten auf der meterspurigen Ferrocarril del Tajuna, die damals noch für Kalktransporte der Zementfabrik von Vicálvaro genutzt wurde. Nach Schliessung der Strecke Vicálvaro–Morata de Tajuña 1997, wurde ein Grossteil des Trassees zur Verlängerung der Metrolinie 9 übernommen, mit Ausnahme des Abschnitts zwischen La Poveda und Arganda del Rey, der den Neubau einer Brücke über den Rio Jarama nötig gemacht hätte. Die CIFVM konnte 2001 diesen Streckenabschnitt übernehmen und begann mit dem Betrieb des Dampfzugs «Tren de Arganda». Unter der herrlichen, originalen RENFE-Signalbrücke fährt die Lokomotive Nr. 1 vom Depot aus an den ersten Zug des Tages. Die Fahrt kann losgehen!

Auf uns wartet eine Reise von 3,437 km durchs Tal des Rio Jarama, vorbei an Teichen, ehemaligen Kiesgruben und hohen Gipsgesteinfelsen, bis der Zug die Endstation Laguna del Campillo in der Gemeinde Rivas-Vaciamadrid, 15 km südöstlich von Madrid erreicht. Rasch umfährt die Dampflokomotive den Zug…

… Dann geht es wieder zurück nach La Poveda, allerdings ohne uns, denn wir haben uns dafür entschieden, zu Fuss zurückzukehren, um an den reizvollsten Stellen der Strecke Fotos machen zu können. Es fehlt nicht an schönen Motiven, denn der Frühling hat begonnen. Welch ein Unterschied zum kalten Wind und dem Schnee in der Sierra de Guadarrama vor zwei Tagen, nur rund 50 km nördlich ! Die Dreikupplerlokomotive Nr. 1 heisst «Arganda» und wurde 1925 von Henschel für ein Bauunternehmen gebaut. Zuletzt stand sie bei der Hafenerweiterung von El Musel (Gijón) in Asturien im Einsatz. 2017 erhielt sie in den Werkstätten RSC in Valladolid einen neuen Kessel.

Der zweite Zug des Tages fährt unterhalb der eindrücklichen Felsen der rechten Seite des Jarama-Tals vorbei. Die Wagen C 1 und C 2 entstanden 2006 und 2009 in einer Arbeits-Integrationswerkstätte, der AB 201 (Carde y Escoriaza, 1916) in Zugmitte stammt von der Tajuna-, später La Robla-Bahn, der offene F 5 am Zugschluss ist ein ehemaliger Gepäckwagen der Minenbahn Ponferrada–Villablino.

Die prächtige Frühlingsvegetation lockt viele Wanderer und Velofahrer auf den Weg parallel zum Eisenbahntrassee. Allerdings war diese idyllische Gegend nicht immer ein Ort von Ruhe und Frieden. Während des spanischen Bürgerkriegs versuchten die nationalistischen Putschisten im Februar 1937 den Durchbruch am Rio Jarama, wurden aber nach drei Wochen schwerer Kämpfe von der regulären republikanischen Armee zurückgeworfen, unterstützt von internationalen Brigaden, worauf sich die Front um Madrid während zweier Jahre stabilisierte.

Der dritte und letzte Zug des Tages kommt, Tender voraus. Weil die Maschine als Industrielokomotive gebaut wurde, ist ihr Lichtraumprofil kleiner als jenes der Wagen. Obwohl die Zweiachswagen in der Integrationswerkstätte «Ramon Aparicio» in Arganda del Rey neu gebaut worden sind, fügen sich trotzdem gut ins Bild des historischen Zugs ein.

Hier sind wir an der berühmten grünen Brücke von Arganda. Sie wurde während den Kämpfen des Bürgerkriegs zerstört und 1940 wieder aufgebaut unter Verwendung von Jochen einer breitspurigen Brücke der Ferrocarriles del Oeste. Mit 169 m Länge ist sie in diesem Bereich der einzige Übergang über den Rio Jarama und dient zwischen den Zügen einem intensiven Fussgänger- und Velofahrerverkehr. Hier wollte gerade eine Mountainbikefahrergruppe die Brücke überqueren, als sich mit lautem Pfeifen der letzte Zug des Tages ankündigte und sie rasch von den Gleise vertrieb. A propos Pfeifen: Aus der Zeit des Normalbetriebs ist eine Redensart erhalten geblieben, die auch von den Freiwilligen der Touristenbahn weiter überliefert wird: « El tren de Arganda, que pita mas que anda » (Der Zug von Arganda pfeift lauter als er vorankommt!)»

Wir kehren zum Bahnhof La Poveda zurück. Die Anlagen wurden vorzüglich restauriert, natürlich mit einem Museum im Bahnhofgebäude. Der Schienentraktor von Orenstein & Koppel, 1956, stammt von der Solvay-Chemiefabrik Torrelavega in Kantabrien und wird den Zug rangieren. Die Vereinigung besitzt auch einen weiteren Schienentraktor deutscher Herkunft, einen DIEMA von 1972.

Die Dampflok manövriert mit dem Gepäckwagen, um in die Remise zu fahren, die in der Industriezone in der früheren Zuckerfabrik eingerichtet wurde. Als Spanien am Ende des 19. Jahrhunderts seine Kolonien in Kuba und auf den Philippinen verlor, wurden im Raum Madrid Zuckerrüben angebaut und in La Poveda eine grosse Zuckerfabrik mit Bahnanschluss gebaut. In der Remise des Vereins stehen auch noch zwei weitere Dampflokomotiven, eine betriebsfähige Dreikuppler-Maschine von Orenstein & Koppel von 1926 und eine Lok von Blanc-Misseron / Tubize von 1896, die noch zu restaurieren ist.

Damit verlassen wir aber diesen faszinierenden Touristenzug und kehren nach Madrid zurück. Wie in der letzten Folge über den Extrazug nach El Escorial erzählt, fahren wir noch zum Bahnhof von Pinar um ein paar Fotos zu machen, dann geht’s zum zweiten grossen Bahnhof von Madrid: Chamartin.

Der Bahnhof Chamartin im Norden der spanischen Hauptstadt entstand 1967, um jenen von Atocha zu entlasten. Chamartin und Atocha sind mit einer etwa 8 km langen unterirdischen Linie verbunden. Ein elektrischer Zug «Media Distancia» der Serie 449 von CAF steht inmitten der für die damalige Zeit typischen Architektur

Mit diesem Bild verabschieden wir uns von der spanischen Hauptstadt. Es zeigt einen Vorortszug «Civia» und einen der drei täglichen «Altaria»-Züge, die Madrid-Chamartin mit Albacete, Murcia und Cartagena über die klassische Breitspurstrecke verbinden. Die vierachsige Lokomotive 334.020 an der Spitze eines Talgo IV-Zugs gehört zu einer Serie von 28 Maschinen, die zwischen 2006 und 2008 von Vossloh geliefert wurden. Sie fahren 200 km/h schnell und haben 3256 PS.

Vor unserer Rückreise nach Frankreich haben wir am 9. März nochmals das Eisenbahnmuseum von Madrid-Delicias besucht, wo an den Perrons des 140jährigen Bahnhofs die Zeugen aus der Vergangenheit der spanischen Eisenbahnen stehen. Gegenüber unserem Besuch von 2018 hat sich bei den ausgestellten Fahrzeugen aber kaum etwas verändert.

Alle Fotos: J. Banaudo

Übersetzung: C. Ammann

18 Dez

Mit dem «Tren de Felipe II» nach El Escorial

von José Banaudo

Als weitere Folge über unseren Aufenthalts in Madrid kommen wir nun zum Ausflug vom Samstag, 6. März 2020. Erneut geht es in den Norden von Madrid. Wir fahren mit der Metro von der Puerta del Sol zur Station Opera und steigen dann auf die Linie R (= Ramal, Abzweigung, Seitenstrecke) um. Dies ist eine knapp 1,1 km lange Strecke auf der eine einzige Zugskomposition hin und her fährt. Die Linie R bedient das Quartier Príncipe Pío und la Estación del Norte, einen der früheren grossen Madrider Kopfbahnhöfe. Bemerkenswert ist am Hauptgiebel der Stern, der als Unternehmenssymbol auf den meisten Gebäuden der Norte zu sehen ist. 

Dieser Bahnhof wurde 1882 von der «Compañía de los Caminos de Hierro del Norte de España» (CCHNE) als Endbahnhof in Madrid eingeweiht. Die Hauptstrecke dieser Gesellschaft verband Madrid mit der französischen Grenze über Avila, Valladolid, Burgos, Venta de Baños, Miranda de Ebro und Irún. Französische Investoren waren massgeblich an der Spanischen Nordbahn beteiligt, insbesondere die Gebrüder Emile et Isaac Péreire, Gründer der französischen «Compagnie des Chemins de fer du Midi». Dies könnte auch der Grund sein, warum im Namen – ähnlich wie auf französisch – der Ausdruck «Caminos de Hierro» statt des spanisch gebräuchlicheren «Ferrocarril» steht? Seit der Umstrukturierung heisst der Bahnhof Madrid Estación de Príncipe Pío.

Im Príncipe Pío Bahnhof nehmen wir den Touristenzug «Tren de Felipe II», ins Leben gerufen 2017 von der Autocargesellschaft ALSA, welche bei dieser Gelegenheit eine Eisenbahnbetreiberlizenz auf dem spanischen Eisenbahnnetz der ADIF (Administrador de Infraestructuras Ferroviarias) erhielt. Der Zug besteht aus Fahrzeugen, die von der Fundación de los Ferrocarriles Españoles zur Verfügung gestellt wurden und verkehrt als Tagesausflug zum Besuch von Palast und Klosteranlage El Escorial, dem unter UNESCO-Schutz stehenden grössten Renaissancebau der Welt.

Die sechsachsige Diesellokomotive 2148, früher nummeriert als 321.048, wurde 1966 von der Sociedad Española de Construcción Naval (SECN) unter Lizenz von American Locomotive Company (ALCO) gebaut. Sie ist Teil einer Lieferung von 80 Lokomotiven von 1965 bis 1971. Ursprünglich verfügten die Lokomotiven über eine ölgefeuerte Dampfheizung, die aber ausgebaut wurde, als die Maschinen vor allem für den Güterverkehr eingesetzt wurden. Deshalb wurde am Extrazug ein Heizwagen mitgeführt, was in der kalten Jahreszeit kein Luxus ist. Bei meiner ersten Reise im Januar 2018 verteilte das Begleitpersonal des Zugs Decken an die frierenden Fahrgäste, und es reichte nicht für alle!

Bei unserer Fahrt bestand der «Tren de Felipe II» aus drei Wagen der Serien 5000 und 6000, bestellt 1946 von der damals erst 5 Jahre alten RENFE, um den von den Vorgängerbahnen übernommenen Wagenpark zu verjüngen. Die ersteren wurden von der französischen Industrie geliefert, die zweiten von spanischen Firmen gebaut. Neben unserem Zug steht ein Dieselzug der Reihe 599 für Verbindungen «Media Distancia». 50 Exemplare dieser dreiteiligen Züge mit 1900 PS und Höchstgeschwindigkeit 160 km/h wurden 2008–2009 von CAF geliefert.

Nach einer angenehmen Fahrt mit typischem Alco-Motorengeräusch und amerikanischem Hupenklang erreichen wir El Escorial. Auf unserer 50 Min. dauernden Fahrt durch das Vorortsgebiet im Nordwesten von Madrid haben wir 50 km zurückgelegt, die Flüsse Rio Manzarenes und Guadarrama überquert und 200 m Höhendifferenz überwunden. Hier sehen wir unsere 2148 neben einem Triebwagenzug des Typs «Civia» der Serie 465, im Einsatz auf der Madrider Vorortslinie C 3.

Ein Bus führt uns vom Bahnhof zum Ort de San Lorenzo del Escorial. Dort kann während mehreren Stunden die riesige Anlage des Klosterpalasts besucht werden. Das Escorial wurde im 16. Jahrhundert durch König Philipp II. erbaut, Sohn von Karl V. und Isabella von Portugal. Es beeindruckt durch seine Gebäude mit ihren Innenräumen, aber auch durch seine karge Umgebung nahe der Sierra de Guadarrama.

Schon wird es Zeit, zum Bahnhof zurückzukehren, wo der Zug auf uns wartet. Wir werfen ein Auge auf den «Calderin», den zweiachsigen Heizwagen, der aus einem gedeckten Güterwagen der Serie J 300000 der 1950er Jahre entstand. Die elektrisch beleuchteten Zugschlusslaternen wirken sehr stimmungsvoll.

Nach dem Aussteigen der Fahrgäste in Madrid Príncipe Pío fährt der Zug leer zum Bahnhof Madrid Delicias weiter, wo er zwischen den Verkehrstagen in den Anlagen des dortigen Eisenbahnmuseums abgestellt ist. Über der Lok erkennt man die Fahrleitungs-Stromschiene auf der unterirdischen Strecke zwischen den beiden Bahnhöfen.

Nun als kleiner Verstoss gegen den chronologischen Reisebericht: Am Freitag, 5. März, auf der Rückfahrt aus Cercedilla und am Sonntagnachmittag 7. März besuchten wir den Bahnhof Pinar, 20 km nördlich von Madrid, gelegen an der gemeinsamen Strecke der Linien nach Irún und Segovia. Dort zweigt auch die Verbindung zu den RENFE- und Talgo-Werkstätten von Las Matas ab. Auf der Rückfahrt aus El Escorial kommt am Sonntagnachmittag auch der «Tren de Felipe II» vorbei und…

… begegnete einem doppelt geführten « Civia »-Zug der Serie 465, der auf der Linie C 3 der «Cercanias» nach El Escorial unterwegs war.

Ein Zug «Media Distancia» der Serie 449 überholt im Bahnhof Pinar einen Vororts- und einen Güterzug. Diese Serie 449 ist die elektrische Version der Dieseltriebwagenzüge der Serie 599, wie wir sie in Príncipe Pío angetroffen haben. Sie wurden von 2008 bis 2011 in 57 Exemplaren von CAF gebaut. Einige sind auch für das CAF-Spurwechselsystem BRAVA vorbereitet, was ihren Einsatz ausserhalb des iberischen Breitspurnetz von 1668 mm auch auf den normalspurigen AVE-Strecken ermöglichen würde.

Nun folgt auf Blockdistanz hinter dem «Media Distancia» ein Containerzug des privaten Betreibers Continental Rail. Die sechsachsige 333.380 ist eine der beiden Lokomotiven, die 2005 von Vossloh an diese Firma geliefert wurden, einer Tochtergesellschaft des Bauunternehmens Vias y Construcciones. Sie sind im Südwesten von Madrid in Fuenlabrada stationiert. 

Ein «Civia»-Zug der Serie 465, im Einsatz auf der C 3 El Escorial–Aranjuez fährt an den RENFE-Werkstätten von Las Matas vorbei. Im Hintergrund erkennt man die verschneiten Berge der Sierra de Guadarrama mit den Antennen von «Bola del Mundo», die wir auf unserer Fahrt nach Cotos entdeckt haben.

Nach unserer Rückkehr nach Madrid folgt nun eine letzte Sonntagsexkursion, auf dem Programm: Dampf und Meterspur!

Alle Fotos: J. Banaudo

Übersetzung: C. Ammann

15 Dez

Verschwundenes in Castione-Arbedo

Die Fotos vom Wochenende 4./5. Juli 2009 sind eine kleine Bestandesaufnahme des damals im Abbruch stehenden Bahnhofgebäudes Castione-Arbedo. Es war 1874 von der Gotthardbahn-als Aufnahmegebäude II. Classe für die «Tessiner Thalbahnen» gebaut worden, 8 Jahre vor Eröffnung des Gotthardtunnels. Ein sehr ähnliches Gebäude ist noch in Giubiasco erhalten geblieben. Castione-Arbedo war für das Misox die nächstgelegene Gotthardbahn-, später SBB-Station, ab 1907 Umsteige- und vor allem Umladstation zur Bellinzona–Mesocco Bahn. 1955 wurde eine Rollschemelanlage gebaut.

Der Bahnhof Castione-Arbedo hatte beim Fahrplanwechsel im Juni 1994 sämtliche Regionalzugshalte verloren (Umstellung des RPV Airolo–Bellinzona auf Postautoverkehr), wurde später dann aber zur Entlastung von Bellinzona zu einer regionalen Verkehrsdrehscheibe ausgebaut (EA 5/07). Der Umbau wurde mit einiger Verspätung am 6. September 2010 abgeschlossen.

Damit machen wir einen kleinen Rundgang um das Gebäude.

Alle Aufnahmen: C. Ammann, 4./5.Juli 2009

14 Dez

Ferrocarril Eléctrico del Guadarrama (2)

von José Banaudo

Bereits am 5. März 2018 erschien ein Blog mit diesem Titel über meinen Ausflug vom 29. Januar 2018. Deshalb folgt hier über unsere Fahrt vom 6. März 2020 auf der Meterspurbahn in der Sierra del Guadarrama Blog Nr. «2» zu diesem Thema. Angaben über die Strecke und ihre Geschichte sind im Blog 1 und werden deshalb hier nicht mehr wiederholt.

Unsere Fahrt vom 6. März 2020 begann frühmorgens mit der Metro von der Station Puerta del Sol zum Bahnhof Atocha. Im Gegensatz zum pulsierenden Leben abends ist Madrid am frühen Morgen fast ausgestorben, kaum wieder zu erkennen. Um 7 Uhr stiegen wir in den Vorortszug der Linie C 8 der «Cercanias» ein. Nach Chamartin leerte sich der Zug, desto weiter wir uns von der Hauptstadt entfernten. In Villalba verliessen wir die Hauptstrecke nach Avila, und es ging weiter auf der altenn Gebirgsstrecke, die nach Eröffnung der normalspurigen Hochgeschwindigkeitsstrecke Madrid–Valladolid 2007 in Segovia endet. Bei Tagesanbruch öffnete sich ein weites Panorama Richtung Westen auf die Hochebene, das riesige Kreuz des monumentalen Gedenkstätte des Valle de los Caidos und in weiter Ferne auch auf den El Escorial-Palast.

Im nun fast leeren Zug erreichten wir die Endstation Cercedilla. Es war kalt, was bei einer Höhe von 1158 m über Meer nicht erstaunte. Nach einem Kaffee im Hotel, welches die Bahnhofumgebung dominiert, kehrten wir auf den Perron 1 zurück, wo die Triebwagen 442.006 und 002 der Meterspurbahn Cercedilla–Cotos warteten. Sie wurden in 6 Exemplaren von MTM in Barcelona gebaut, die ersten drei 1976, die drei weiteren 1982 und 1983. Ihr Schweizer Aussehen sticht in die Augen. Wie wir schon im ersten Blog berichteten, sind sie von den damaligen Fahrzeugen der Lausanne–Echallens–Bercher Bahn (LEB) abgeleitet, mit elektrischen Ausrüstung von Sécheron Genf (damals bereits BBC) und Schlieren-Drehgestellen. Von den 6 Triebwagen fehlt die Nr. 003, die 1998 abgebrochen wurde.

Das Wetter war sehr wechselhaft, die Sonne kam und verschwand wieder. Entgegen unserer Annahme blieben die Triebwagen 006 und 002 im Bahnhof und die Nr. 442.001 rangierte, kam zum Perron und stand zur Abfahrt um 9.35 Uhr bereit. Links auf den Breitspurgleisen ein Triebwagen der Serie 446 der Linie C 8 Richtung Madrid.

Nach 41 Minuten Fahrt durch den Wald erreichten wir die Endstation der 18,2 km langen Linie, Cotos, mit 1819 m über Meer der am höchsten gelegene RENFE-Bahnhof. Im Gegensatz zu meiner ersten Fahrt im Januar 2018 lag fast kein Schnee aber ein eisiger Wind blies vereisten Schnee auf die Perrons.

Nur wenige mutige Wanderer brachen an diesem Morgen zum nahen Cotos-Pass auf. Lieber nahmen wir nach 27 Minuten Aufenthalt zur Rückfahrt im Steuerwagen Platz und genossen die gut funktionierende Heizung.

Dann unterbrachen wir die Fahrt im einzigen, noch von Personal bedienten Zwischenbahnhof, Puerto de Navacerrada auf 1765 m Höhe. Der Pass lag im Nebel, das Ferienzentrum des Armee war geschlossen, die Skipisten leer und die Sessellifte standen still. Wir benützten die zweistündige Fahrplanpause bis zum nächsten Zug zum guten Mittagessen in einem Hotel des oberen Dorfteils.

Nun wurde das Wetter etwas besser und plötzlich beleuchtetet die Sonne die Sendeanlagen für Radio und Fernsehen von La Bola del Mundo auf dem Gipfel des Alto de Guarramillas auf 2257 m Höhe. Mit den spektakulären Antennen erinnerte alles etwas an den Puy-de-Dôme oder den Brocken ? Nur schade, dass kein Zug hochfährt…

Nach unserer Rückkehr nach Cercedilla wurde das Wetter immer besser, und wir machten vor der Rückfahrt unseres Zugs nach Madrid noch einen Bummel durchs Dorf. Das älteste Gebäude ist die romanische Kirche San Sebastian. Ihr Bau begann im 13. Jahrhundert.

Im Dorf folgt das Trassee der Schmalspurbahn in Seitenlage der Calle Ramon y Cajal, benannt zu Ehren eines spanischen Nobelpreisträgers der Medizin. Wie viele Madrider kam auch er jeden Sommer nach Cercedilla in die Sommerferien. Der Zug 442.001 kommt aus Cotos.

Eine Viertelstunde später fuhr der Triebwagen 442.001 den letzten Zug des Tages nach Cotos.

Der Fahrplan umfasst 5 tägliche Zugpaare auf der Schmalspurbahn, die als C 9 zum regionalen Bahnnetz von Madrid gehört. Leider sind die Tage dieser schönen Schweizer Züge gezählt, denn die RENFE hat im Juni 2020 einen Vertrag mit CAF zur Lieferung von 6 neuen Zügen abgeschlossen (sh. EA 8/20).

Im Südosten des Bahnhofs Cerdedilla fährt ein Breitspurzug der RENFE-Serie 446 auf der Linie C 8 nach Madrid.

Vom gleichen Standort gesehen fährt hier ein Meterspurzug der Serie 442 Richtung Puerto-de-Navacerrada und Cotos. 

Im späteren Nachmittag fuhren wir nach Madrid zurück. Der Bahnhof von Cercedilla wird von den Regionalzügen nach Segovia und der Madrider Vorortsstrecke C 8 bedient. Es fahren die Triebwagen der RENFE-Serie 446, die 1989–1993 in 170 Exemplaren gebaut wurden. Sie sind in den Madrider Depots von Fuencarral, Humanes und Cerro Negro stationiert und besorgen einen grossen Teil des Vorortsverkehrs der «Cercanias».

Nach diesem Bahnausflug in die Sierra de Guadarrama folgten nun noch zwei weitere schöne Tage Eisenbahn in der Umgebung von Madrid.

Alle Fotos: J.Banaudo, 6. 3. 2020

Übersetzung: C. Ammann

13 Dez

Tram und Metro Madrid

von José Banaudo

Nachdem mir meine erste Reise in die Region Madrid im Januar 2018 (sh. Blog vom 6. März 2018) sehr gefallen hatte, freute ich mich, im März 2020 nochmals dorthin zurückkehren zu können. Ein Grund dafür war, dass wir für unseren «Train des Pignes» auf den Chemins de fer de la Provence (Verein GECP) in Valencia eine Mallet-Dampflokomotive abholen konnten.

Wir flogen am 3. März 2020 von Nizza nach Madrid. Am dortigen Flughafen Barrajas ist alles vorzüglich organisiert: Im Terminal 4 kann man ein Verbundsbillett für 5 Tage für die Region Madrid (Zug, Metro, Tram und Autobus) kaufen und dann mit der Linie C 10 der Vorortsbahn in etwa einer halben Stunde direkt ins Stadtzentrum fahren.

In Madrid-Atocha fahren im Bahnhofteil Puerta de Atocha die normalspurigen AVE-Hochgeschwindigkeitszüge ab (AVE (Alta Velocidad Española). Das Gepäck kommt auf Rollbänder, man bekommt eine Platznummer und begibt sich erst kurz vor der Abfahrt auf den Perron. Es ist ähnlich wie mit dem Flugzeug, und dieser Ablauf wurde wohl nach den schlimmen Attentaten von 2004 auf das Madrider Bahnnetz eingeführt. Glücklicherweise darf man zum vorderen Perronende gehen, und so mache ich rasch ein Foto. Die kühle Atmosphäre steht im Kontrast zum entspannten Leben in Madrid.

Unser Zug ist ein «S 112» der RENFE aus einer Serie von 30 Zügen mit einer v-max von 330 km/h, die 2010 für die Hochgeschwindigkeitsstrecke Madrid–Valencia geliefert wurden. Die beiden Triebköpfe mit dem charakteristischen Entenschnabel («pico de pato») wurden von Bombardier gebaut. Zwischen ihnen sind 12 Talgo-Wagen gereiht.

Nach einer Reise von 1 Std. 45 Min. durch eine häufig wüstenartige Landschaft kamen wir im Endbahnhof Joaquin-Sorolla in Valencia, auch hier ein eher unbehaglicher Bahnhof, den wir rasch Richtung Station Jesus der meterspurigen Metro von Valencia verlassen.

Damit machen wir einen kleinen fotografischen Abstecher nach Valencia oder gar zu den portugiesischen Schmalspurbahnen.

Denn der 4. März ist der grosse Tag: Um 8 Uhr sind wir im ehemaligen Depot Torrent  der Ferrocarrils de la Generalitat Valenciana (FGV), welche das Metronetz und die meterspurigen Bahnen der Agglomeration von Valencia betreiben. Wir sind mit dem Besitzer der portugiesischen Mallet-Lokomotive E 182 verabredet, einer (1’B)C2 von Henschel, 1923, «fast» identisch mit unserer E 211 und doch verschieden, weil sie ihre Karriere auf der damals noch 900 mm-spurigen Linha do Porto à Póvoa e Famalicão (PPF) begann. Ein ehrwürdiger Dodge-Transporter zieht die Lokomotive aus der Remise, wo sie seit 5 Jahren stand. Nun beginnen die Verladearbeiten zum Transport nach Puget-Théniers (EA NiK 5/20). Aus Profilgründen wurde das Kamin wegen des Lichtraumprofils demontiert.

Nach allen Abklärungen und Vorbereitungen für den Transports geht es am späteren Nachmittags wieder zum Bahnhof Joaquin-Sorolla und mit dem AVE zurück nach Madrid.

Am 5. März scheint in Madrid nicht die Sonne wie in Valencia. Es ist grau und windig, also ein idealer Tag um die städtischen Verkehrsbetriebe zu besuchen, von meinem Hotel an der Puerta del Sol fahre ich nun in den Westen der Hauptstadt. Nach einigem Umsteigen erreiche ich die Tramlinie ML 3, mit der ich bis zur Endstation Puerta de Boadilla fahre. Sie ist 13,7 km lang und die längste der drei «Leichtmetro-Linien» (=Metro Ligero) von Madrid.

Auf der Rückfahrt kann ich an der Haltestelle Boadilla Centro einen «Citadis 302» von Alstom in einer fast winterlichen Regenstimmung fotografieren. Für das neue Tramnetz hat Madrid 2007 70 Fahrzeuge dieses Typs bestellt. Aber weil während der Wirtschaftskrise nicht alle geplanten Linien gebaut wurden, behielt man nur etwa die Hälfte dieser Wagen und verkaufte die überzähligen dem benachbarten Netz von Parla, nach Jaén, Murcia nach Adelaide (Australien), ein Wagen wurde sogar für einen Versuchsbetrieb in Buenos-Aires (Argentinien) ausgeliehen. Die 27 Wagen 101–127 stehen auf den Linien ML 2 und 3 im Westen von Madrid im Einsatz.

Noch immer bei Regen steige ich in Colonia-Jardin in die Metrolinie M 10 Puerta del Sur–Hospital Infanta Sofia Richtung Stadtzentrum um. Auf dieser in Etappen zwischen 1961 und 2002 eröffneten Strecke folgt die Metro während einigen Kilometern dem Waldpark von Casa del Campo, einem traditionellen Erholungsgebiet von Madrid. Zwei Stationen sind hier oberirdisch, mit richtigem Bahnhofgebäude, hier Batan…

… und hier Lago, unweit des Sees von Casa de Campo, mit einem Glockentürmchen auf dem Dach, wie ein richtiger Vorortsbahnhof. Auf der Linie M 10 stehen 30 Züge der Serie 7000 von Ansaldo-Breda im Einsatz, geliefert von 2001 bis 2004. Sie bestehen aus 6 Elementen, d.h. zwei Triebwagen mit Führerstand an den Enden, dazwischen zwei Triebwagen und zwei Wagen.

Mittags geht es dann zur Tramstrecke ML 1 Pinar-de-Chamartin–Las Tablas, 5,4 lang und in Betrieb ebenfalls seit 2007. In der Endstation Las Tablas kann ich endlich bei freundlicherem Wetter einen Alstom «Citadis 302» fotografieren, der das Gleis wechselt. 8 Wagen mit den Nummern 128-135 sind dieser isolierten Strecke im Nordosten der Stadt zugeteilt.

Unterirdisch geht unsere Entdeckungsreise nun weiter. In der Gemeinschaftsstation Pinar de Chamartin des Trams ML 1 und der Metrolinien M 1 und M 4 steht eine Erinnerung an die alten städtischen Trams von Madrid, die 1972 verschwunden sind: Der Wagen 477 wurde 1921 in Belgien gebaut.

Die Metrostation Chamartin, nahe des gleichnamigen Bahnhofs, beherbert einen wahren Schatz. Auf einem nicht mehr benötigten Bereich wurden im letzten Jahr zwei Gleise gelegt, wo seither als permanente Ausstellung alte Züge der 100jährigen Madrider Metro gezeigt werden. Diese war am 17. Oktober 1919 vom spanischen König Alfonso XIII. eingeweiht worden. Sechs verschiedene Züge dokumentieren die verschiedenen Fahrzeuggenerationen und sind an zwei Perrons so aufgestellt, dass sie auch besucht und gut fotografiert werden können. Ein sehr schönes Beispiel auch für andere europäische Grossstädte !

Der herrliche Zug M 9 + R 9, geschmückt mit dem königlichen Wappen, vertritt die älteste Fahrzeuggeneration der Madrider Metro. Diese Züge, genannt «Cuatro-Caminos» wurden 1919 von Carde y Escoriaza zur Eröffnung der Linie 1 Puerta del Sol–Cuatro Caminos geliefert, unter dem Patronat von König Alfonso XIII, der selber Privataktionär der Metrogesellschaft war. Der Zug rechts ist aus zwei Fahrzeugen gebildet, die bei der etappenweisen Verlängerung der Linie 2 geliefert wurden: Der Motorwagen M 122 «Quevedo», gebaut 1927 von der Sociedad Española de Construccion Naval und der Wagen R 103 «Ventas», gebaut 1924 von Euskalduna in Bilbao.

Die M 1121 und 1122 wurden 1965 von CAF gebaut. Mit ihrer typischen grün-crèmefarbenen Lackierung gehören sie zum «vormodernen» Rollmaterial der Madrider Metrolinien des Kleinprofilnetzes (Linien 1–5). Von dieser Serie 1000 standen einige Einheiten noch bis 2002 im Einsatz.  Links erkennt man den Zug «Salamanca» M 65 + R 65, gebaut 1943 von CAF für die Eröffnung Linie 4 im darauffolgenden Jahre

Der Zug links, M 6 + R 6 ist ein ehemaliger «Cuatro-Caminos» von 1919, der modernisiert wurde. Obwohl er ähnlich aussieht, wurde der Zug «Legazpi» M 504 + M 505 in der Mitte 1956 in der Metrowerkstätten gebaut.

Wer sich für die Geschichte der Madrider Metro interessiert, findet dazu auch noch einige Bilder und Infos im erwähnten Blog vom 6. März 2018. Am nächsten Tag (und im nächsten Blog) besuchen wir nochmals die Schmalspurbahn der Cercedillas, wo noch Schweizer Schmalspurbahnzüge fahren.

Alle Fotos: J. Banaudo, März 2020

Übersetzung: C. Ammann

05 Dez

Erster Schnee an der CP

von José Banaudo, Puget-Théniers

Heute morgen, 4. Dezember 2020, fällt der erste Schnee in Puget-Théniers. Und schon erfahre ich von Freunden, dass die neue SOCOFER-Lokomotive (sh. EA 4/20) auf Rückmeldedistanz von Zug 1 nach Annot fahren wird. Noch rechtzeitig komme ich bei ihrer Ankunft an den Bahnhof Puget-Théniers, wo sie etwa 20 Min. bis zur Kreuzung mit Zug 2 warten muss.

Ich bleibe mit diesem Morgenspaziergang innerhalb der bei Corona erlaubten 3 Std. innerhalb von 20 km Entfernung!

Alle Fotos: J. Banaudo, 4.12.2020

Übersetzung: C. Ammann

01 Dez

Erinnerungen an die «Gais»

Im EA 12/20 zeigt der Artikel «Nächster Halt Aarau» (S. 532 – 540) den Bahnhof Aarau und seine Umgebung im Wandel der Zeit. Vieles hatte nicht Platz, hätte zu weit geführt, auch das Verschwinden der «Wirtschaft zur Gais» im November/Dezember 2004. Deshalb hier ein paar Erinnerungsfotos an diese einst beliebte «Quartierbeiz» und an die alte Streckenführung der WSB nach Suhr, deren Überreste demnächst auch verschwinden werden.

Schon im August 2004 zeichnete sich das Ende der zuvor längere Zeit geschlossenen «Wirtschaft zur Gais» ab, in der einst auch die Betriebswehr des benachbarten SBB-Bahnhofs Aarau nach der Übung ein «Gnagi» genehmigte.

Über das Gebäude steht im INSA (Inventar Neuerer Schweizer Architektur): «Restaurant zur Gais der Brauerei Feldschlösschen, erbaut 1907 von Adolf Schäfer in Formen der deutschen Neurenaissance.»

Am gleichen Tag der obigen Fotos zeigte sich auch noch der acht Jahre später ausrangierte Salonwagen Bse 4/4 116 im WSB-Bahnhof, dessen Gebäude im Juni 2020 auch abgerissen wurde.

Im November 2004 ging dann der Abbruch der «Wirtschaft zur Gais» los! Hier ein paar Bilder als Dokumentation.

Noch stand das Bahnhofgebäude SBB Aarau. Sein Abbruch begann Mitte Juli 2008.

Alle Fotos: C. Ammann

31 Okt

Verschwundene Bahnhöfe

Nein, natürlich ist kein einziger dieser Ostschweizer SBB-Bahnhöfe «verschwunden»! Aber die fünf nachfolgenden «Aufnahmegebäude» haben sich im Lauf der letzten 20 Jahre für immer verabschiedet.

Oft mehrfach modernisiert und umgebaut, waren sie kaum ein grosser Verlust. Aber sie erzählten viel von der Geschichte und Entwicklung der betreffenden Bahnhöfe, waren charakteristisch für ihre einstige Bauherrschaft und gehörten zur Biographie all jener, die hier ein- und ausstiegen oder gar arbeiteten.

Nachfolgend also fünf Beispiele, ergänzt mit Hinweisen aus «Bahnhöfe der Schweiz», Werner Stutz, 1976 und weitere Quellen, z.B. «100 Jahre Schweizer Bahnen, 1841-1941» von Ernst Mathys und «Hebel, Riegel und Signale», Hans G. Wägli.

Amriswil

Als die Nordostbahn 1855 die Thurtalbahn Winterthur– Romanshorn eröffnete, standen vielerorts erst Bahnhofsprovisorien, auch in Amriswil. Der schon 1862 beschlossene Bau eines definitiven Aufnahmegebäudes verzögerte sich allerdings derart, dass dieses erst im November 1867 bezugsbereit war. Die nachfolgenden Bilder stammen von 2003, ein paar Monate vor dem Abbruch.

Gemäss dem erwähnten Standartwerk über die Bahnhöfe der Schweiz von Werner Stutz stammten die ersten Projektskizzen von Fr. Seitz, die weitere Projektierung nahm der NOB-Chefarchitekt J. F. Wanner vor, dessen prominentestes und grösstes Werk der Zürcher Hauptbahnhof darstellt. Gemäss Stutz war Amriswil eine einfachere Variante des drei Jahre älteren Aufnahmegebäudes Weinfelden, und Amriswil wurde zu einem Muster für viele NOB-Gebäude.

Die moderne Perronanlage hatte das Bahnhofgebäude von 1867 auch optisch ins zweite Glied versetzt, der Stellwerkvorbau mit dem mechanischen Jüdel-Stellwerk längst verschwunden, die frühere, grosse Stationsanlage auf zwei Gleise reduziert.

Noch stand auch der Güterschuppen und war durchaus noch als erstes, provisorisches Aufnahmegebäude von 1855 bis 1867 erkennbar.

Wallisellen

Das hier am 19. 3. 2008, aufgenommene Bahnhofgebäude Wallisellen wurde ebenfalls 1867 von der NOB fertiggestellt und entspricht dem gleichen Muster wie Amriswil. Es musste den Gleisen der neuen Glatttalbahn weichen.

Links ist schon der Verkaufscontainer für den Bahnhofumbau erkennbar.
Bis 1977 befand sich unterhalb des Fensters rechts vom Diensteingang ein mechanisches Kurbel-Freigabewerk Bruchsal 10A. Vor den Zugfahrten kam der Fahrdienstleiter die Treppe herunter und erteilte am «Freiluftstellwerk» die Freigabe für die Zugfahrstrassen, die im gegenüberliegenden Wärterstellwerk hergestellt wurden. Ab 1977 stand ein Domino 67-Stellwerk in Betrieb.

Rüti ZH

1997 entstanden diese zwei Bilder des kurz vor dem Abbruch stehenden Bahnhofgebäudes Rüti im Zürcher Oberland. Es war 1886 anstelle eines Provisoriums entstanden, erst 10 Jahre – notabene -nachdem Rüti mit der Eröffnung der Strecke nach Wald–Bauma zum Abzweigbahnhof geworden war. 1941 wurden Stationsanlage und Aufnahmegebäude nochmals erweitert.

Neuhausen am Rheinfall

Erinnerungen an das Stationsgebäude Neuhausen am Rheinfall vom April 2003; einen Monat später erfolgte der Abbruch. Unverkennbar entstand dieses Gebäude 1897 zur Eröffnung der NOB-Strecke (Zürich–) Eglisau–Neuhausen (–Schaffhausen).

Schmerikon

Jüngstes Beispiel ist das im April 2007 aufgenommene Aufnahmegebäude Schmerikon. Es entstand 1904 (5 Jahre vor dem grösseren, schmuckeren und noch heute erhaltenen Gebäude in Uznach).

Schmerikon war ein erster, eher schlichter Vertreter zahlreicher Massivbauten (Haustein, Bossenmauerwerk), die in jenen Jahren durch die SBB-Kreisdirektion III in Zürich anstelle von langjährigen Provisorien gebaut wurden.

Nebst Schmerikon entstanden zu jener Zeit weitere 15 Gebäude in unterschiedlicher Grösse, mit unterschiedlichen Dachformen, aber mit gleichen Architektur-Elementen. Verschiedene Gebäude sind leider inzwischen ganz oder teilweise verputzt und haben ihr charakteristisches Aussehen verloren.
Nebst dem abgerissenen Gebäude in Schmerikon existieren noch verwandte Gebäude in Mühlehorn, Murg, Schübelbach-Buttikon, Siebnen-Wangen, Unterterzen, Flums, Uznach, Näfels-Mollis, Frick, Wetzikon, Winterthur Töss, Winterthur Wülflingen, Pfungen-Neftenbach, Embrach-Rorbas und Dielsdorf.

Damit beenden wir unseren kleinen Rundgang, der natürlich auch in andern Regionen oder bei den Privatbahnen fortgesetzt werden kann.

Alle Fotos: C. Ammann

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