14 Jan.

Vom Bau des Simplontunnels

Von Ruedi Wanner

Im 19. und 20. Jahrhundert gab es im Tunnelbau weder Laser noch Satelliten noch Computer. Für die Alpendurchstiche mussten zur Absteckung der Axen aufwendige Triangulationsnetze über das Gebirge hinweg berechnet werden. Dabei ist höchst erstaunlich, dass beim Durchstich in Tunnelmitte jeweils nur wenige Zentimeter Differenz auftraten. Das bei einer Distanz von 16 (Gotthard) oder gar 20 km (Simplon).

Für jene Tunnels, die nicht schnurgerade verlaufen, waren im Bogen des Portalbereichs jeweils eigene, kurze Visierstollen notwendig (Gotthard, Simplon, Weissenstein), welche nach dem Durchstich überflüssig wurden. Jener in Airolo wurde für militärische Zwecke der Gotthardfestung verwendet und kann heute durch unterirdischen Zugang ab Fort Airolo besichtigt werden. In Göschenen besteht ein öffentlich zugänglicher Visierstollen auf dem Bahnhofplatz. Da dieser im Zusammenhang mit der NEAT-Eröffnung am 1. Juni 2016 immer wieder erwähnt wurde, habe ich mich für eine ähnliche Einrichtung aus der Bauzeit des Simplontunnels interessiert.

Ein Besuch in Naters beweist, dass in der (aus der Landeskarte errechneten) geraden Verlängerung der Tunnelaxe ein Messstein von 1898 erhalten blieb. Er steht in einer Wiese zwischen der Weinberg- und der Furkastrasse.

Der Axpunkt der Vermessung auf der Nordseite bleibt hoffentlich weiter erhalten.

Der Geometer brauchte direkte Sichtverbindung, einerseits zum Tunnelportal (oben links) und gleichzeitig auf die Vermessung auf den Bergspitzen.

Nördlich davon steht sogar noch ein rundes Messhäuschen, wohl zur Aufnahme der Instrumente und zum Schutz der Ingenieure. Auf den Stein wurden der Theodolit zentral aufgesetzt und damit die Winkel bis hinauf zum Monte Leone (3557 m ü.M.) ausgemessen.

Das (nicht zugängliche) Messhäuschen nördlich der Weinbergstrasse in Naters.

Der Simplontunnel wurde zunächst nur eingleisig ausgebaut (1898-1905). Im Hinblick auf die erwarteten hohen Temperaturen von 40 Grad im Innern[1] – die Gebirgsüberlagerung beträgt immerhin 2135 m – wurde parallel dazu (in 17 m Abstand nach Westen) ein Lüftungsstollen vorangetrieben, womit 30 m3 Frischluft pro Sekunde zur Tunnelbrust geführt wurden. Dieser Stollen war rund 2 m hoch und 3 m breit. Alle 200 m war dazu ein Querstollen vorhanden; nur der vorderste war offen und erlaubte den Luftaustritt zu den Arbeitsstellen im Haupttunnel. Dieser Stollen wurde später zur 2. Röhre erweitert.

 

Anreise: ab Brig Ortsbus Linie 1, Haltestelle Sportplatz

Text und Bilder. Ruedi Wanner, 9.6.2016

 

[1] Während der Ausführung wurde sogar ein Spitzenwert von 55,2 Grad gemessen.

14 Jan.

Fast vergessen: Der Gibraltar-Tunnel in Luzern

Von Ruedi Wanner

Bei jeder Bahnfahrt nach Luzern hat mich jener unbenützte Tunneleingang fasziniert, der nach Einmündung der Gotthardlinie links sichtbar ist. Somit galt es, nach kurzem Blick nach rechts auf die nach jahrelangem Unterbruch wieder erstandene Gütschbahn (heute 2 getrennte Schräglifte) wieder links zu sitzen…

Leider mit Parkplätzen verstellt: Das Nordportal. Rechts wäre die heutige SBB-Zufahrt nach Luzern.

Lokale Nachforschungen zum Gibraltar-Tunnel, so der offizielle Name (wohl wegen der Gibraltarstrasse), brachten folgende Resultate:

In Betrieb genommen 1859 durch die Schweizerische Centralbahn (SCB), Länge 317 m. Zunächst nur für den Verkehr Richtung Olten, ab 1864 auch nach Zug-Zürich (via Affoltern a.A.). Nach Eröffnung der Linie nach Wolhusen (1875) und erst recht mit dem direkten Zubringer zur Gotthardbahn nach Immensee (1897) wurde die Kapazität allgemein zu klein, was zur völligen Neugestaltung des Bahnhofes und seiner Zufahrt führte. Bis dahin fuhr die Bahn auf dem Areal der heutigen Pilatusstrasse zum alten Bahnhof, den wir uns um 45 o gedreht vorstellen müssen.

Das etwas versteckte Südportal, rechts liegt das Gebäude der Kantonspolizei LU. Näher dran, geht es sogar ohne Autos. Sieht nach Lagerraum aus, ist aber abgeschlossen.

Der alte Gibraltar-Tunnel wurde auf Anfang 1896 durch den heutigen, mit 326 m unwesentlich längeren Gütschtunnel ersetzt, die prekäre Situation in der Stadt mit vielen Bahnübergängen durch den 199 m langen Schönheim-Tunnel entschärft und die Zufahrt mit weit grösserem Radius von Süden her eingeführt.

Das vom Zug aus kurz sichtbare Nordportal liegt ganz in der Nähe der Gütschbahn, hinter der Senti-Kirche, das Südportal an der Vonmattstrasse hinter dem Gebäude der Luzerner Kantonspolizei. Beide sind zugänglich, aber durch parkierte Fahrzeuge belegt. Ein Käsehändler nützt die dunkle, feuchte Ambiance des Tunnels für die Lagerung und sogar für Höhlen-Events aus (Gibraltarstrasse 25a, www.chaes-chaeller.ch). Das Südportal liegt etwa auf der Höhe des Spurwechsels Heimbach zwischen den erwähnten beiden heutigen Tunnels.

Kurioser Tunnelname: Auf der Ostseite der Stadt Luzern, am Ende der heutigen Station Luzern Verkehrshaus, ex Dienststation Würzenbach, schliesst der 166 m lange Tunnel «Schiltennüni» an. Der heute ganz offizielle Name geht auf ein früheres Wohnhaus zurück, das beim Tunnelbau 1897 noch bestand und durch Anzahl und Anordnung der Fenster ziemlich genau der Jasskarte entsprach. Ein Tunnelportal wie viele andere, aber der exotische Name dürfte doch stark auffallen.

 

Text und Fotos: Ruedi Wanner, 9. März 2017

12 Jan.

Ruckhaldenkurve – letzte Fahrt am Ostermontag, 2. April 2018

Der Fahrplan 2018 belegt es mit Fahrplanfeld 855, gültig bis 2. April 2018 und dem Busfahrplan St. Gallen – Teufen vom 3. April – 6. Oktober 2018: Die Aufhebung der Zahnradstrecke rückt näher.

Am Ostermontag 2. April ist der letzte Betriebstag auf der Ruckhaldenkurve zwischen St.Gallen und Riethüsli. Wenn am 7. Oktober 2018 der Bahnbetrieb zwischen St. Gallen und Teufen wieder aufgenommen wird, geht die Fahrt durch den neuen Ruckhaldetunnel (EA 10/16, 1/17, 8/17).

So sah es noch 1975 aus. Damals war die gesamte SGA im Weiterbestand bedroht, aber auch schon ein Tunnel geplant.

Strassenbauarbeiten in der Teufenerstrasse, 4. 4. 1981

Am Ostermontag verschwindet somit für immer die pittoreske Streckenführung mit Panoramablick auf Güterbahnhof und St.Otmarskirche und im Riethüsli entlang der Teufenerstrasse. Die nachfolgenden Fotos vom 11. Januar 2018 zeigen ein paar Eindrücke vom derzeitigen Stand der Dinge. Mit schönen Aufnahmen an der Ruckhalde ist es aber trotz der Aussichtsplattform vorbei, denn das Gelände ist völlig umgepflügt und zur Winterzeit meist im Schatten oder Gegenlicht. Die Fahrt lohnt sich aber noch immer.

Hinter dem Erdhaufen rechts beginnt die Zufahrt zum Tunnel-Südportal

Zug nach St. Gallen an der heutigen Haltestelle Riethüsli, rechts ist die künftige Strecke erkennbar.

Blick von der Aussichtsplattform auf die Zahnradstrecke, links die Rückseite des Tunnelnordportals.

Die 1980 neu gebaute Brücke der Zahnradrampe wird durch eine weniger steile Zufahrt zum Nordportal ersetzt. Eine neue Stützmauer links steht bereits.

 

09 Jan.

Badens Spanischbrötlibahn am Ende?

Farbfotos oben und unten: Badenfahrt  16. 8. 1987, Foto R. Wanner

Wird die Spanischbrötlibahn bald verschrottet? So titelten Aargauer Medien kurz vor Weihnachten 2017. Die nähere Lektüre gab glücklicherweise rasch Entwarnung für aufgeschreckte Eisenbahn-Amateure: Thema ist nicht der Nachbau des Spanischbrötlibahnzugs von 1947. Es geht um eine noch 10 Jahre ältere Nachbildung, als Strassenfahrzeug, die kaum je im EA Erwähnung fand und finden dürfte, oder dann höchstens unter „Modellbahn“.  

80 Jahre vor der letztjährigen „Badenfahrt“ 2017, also zum 90-jährigen Jubiläum der Eröffnung der „Schweizerischen Nordbahn“ Zürich –Baden 1847 fand die erste «Grosse Badenfahrt» vom 6. – 15. August 1937 statt. Dazu baute die Technische Gesellschaft Baden einen Fordson-Traktor für den Verkehr auf der Strasse um. Die Karosserie für die Wagen konstruierten die Badener Firmen Demuth und Bölsterli. Bau und Betrieb kosteten damals 6142 Franken. Im Gegensatz zur „Bahnreplika“ Limmat (im Verkehrshaus) trägt die „Strassenreplika“ den Namen „Aare“.

Etwas säuerlich berichtete allerdings das SBB-Nachrichtenblatt 8/1937: „Im prächtigen historischen Festzug der Grossen Badenerfahrt fuhr eine getreue Nachahmung der Spanisch-Brötli Bahn mit. Aber, oh Ironie des Schicksals, was mussten wir sehen. Die „Seele“ der neu erstandenen Lokomotive „Aare* war ein Traktor! Möge die seit langem dahingegangene, ehrwürdige „Aare“ sich ob dieser Schmach in ihrem Grabe nicht umdrehen!“

Fortan fuhr die „Aare“ mit ihrem Anhänger als Prunkstück der Verkehrsgeschichte bei so manchem Volksfest grosse und kleine Passagiere durch Baden und stand natürlich auch bei den alle 10 Jahre stattfindenden Badenfahrten im Einsatz. Alte Fotos zeigen sie sogar am 28. Mai 1960 ausserkantonal beim Volksfest in Dielsdorf zur Elektrifizierung der Strecke Oberglatt–Niederweningen!

Spanischbrötlibahn 1960 in Dielsdorf, Fotos R.Marquart

Mehr Fotos von René Marquart zum Volksfest der Elektrifizierung Oberglatt -Niederweningen: http://www.fea-frauenfeld.ch/wehntalbahn-reminiszenzen.html

2002 übernahm sie die Stadt vom Badenfahrtkomitee, investierte 75 000 Franken in die Restaurierung und schloss mit dem Stadtturnverein (STV) einen Vertrag ab. Seither ist die Stadt für Wartung und Unterbringung des über 10 m langen und 3 ½ m hohen Vehikels zuständig, der STV für den Betrieb. 

2017 fuhr die Spanischbrötlibahn auf neuer Route „exklusiv durch den neuen Bustunnel und „vorbei an wunderschönen Gegenden mit Blick auf die Stadt Baden und das Festgebiet“. Anschliessend wurde wird ein Cüpli/Softdrink kredenzt, und es konnten „Spanisch-Brödli“ nach überliefertem Rezept probiert werden. 

Nun aber will der Stadtrat die „Bahn“ bis Ende 2018 loswerden, zur Enttäuschung des STV, der sie bis jetzt mit viel Herzblut betreut hatte. Ausschlaggebend für den Entscheid ist offenbar das rückläufige Publikumsinteresse. Die Bahn werde immer seltener vermietet, und die Betriebskosten der Bahn würden die Einnahmen um ein Vielfaches übersteigen.  

Auch wenn die Badener Spanischbrötlibahn nur ein Strassenfahrzeug ist: Vielleicht gelingt es gerade deshalb eher, doch noch eine Lösung zu finden?

 

09 Jan.

Wiener Schienenverkehrsbummel 1984

Im SVEA-Bildarchiv schlummern seit Jahrzehnten auch „ anonyme“ Dias von 1984 aus Wien. Sie zeigen nichts Ausserordentliches, sondern einfach – im Vergleich zu heute – die Veränderungen einer Grossstadt und ihres Schienenverkehrs. Im EA-Heft wird wohl kaum für sie Bedarf sein. Doch es wäre schade, sie einfach verstauben zu lassen. Viele Leser, die damals auch in Wien waren, werden sich erinnern. Klar, anderswo im Internet kann heutzutage noch viel Aufregenderes zu diesem Thema gefunden werden. Dank dem Internet konnte aber auch relativ leicht etwas zu den legendenlosen Dias zusammengestellt werden.

Die Linie 9 gibt es noch immer. Die Walkürengasse liegt im 15. Stadtbezirk westlich der Stadthalle. Der E-Wagen 4615 von 1962 (bis 1964: 4455) wurde am 30. 4.  1999 ausrangiert. Der planmässige Einsatz der Type E endete im Oktober 2007.

Auch der 5er fährt heute immer noch zwischen Westbahnhof und Praterstern (Bild).

Auch die Linie O (O nicht „Null“) fährt heute noch zur Raxstrasse. Doch den Südbahnhof (rechts) gibt es nicht mehr, ersetzt durch den Hauptbahnhof. Und der E-Wagen 4418 von 1962 wurde am 16. 12.  2000 ausgemustert.

Dank Hilfe aus Wien identifiziert. Die „grüne“ U 4 an der Station Friedensbrücke, als die U6 bzw. Stadtbahn G auch noch dorthin fuhr (Fahrleitung!). Heute hält dort nur mehr die U4.

Wer aus der Schweiz nach Wien fuhr, bemerkte gleich vor der Einfahrt im Westbahnhof die vor dem Technischen Museum aufgestellten Dampflokomotiven. Etwa seit 1993 wurde dieses Aussengelände geräumt und 1999 das neu konzipierte Museum wieder eröffnet. Die Heissdampf-Schlepptenderlok 156.3423 (1920) im Vordergrund (kKStB-Reihe 270) ist heute in Strasshof.

Die damalige Linie G an der Stadtbahnstation Währingerstrasse Volksoper. Die 48 sechsachsigen Gelenktriebwagen E6 4901–4948 und 46 passende Gelenkbeiwagen c6 1901–1946 kamen planmäßig ab 29. November 1980 auf den Linien G und GD zum Einsatz. Die längsten Züge bestanden aus fünf Einheiten, normalerweise Triebwagen–Beiwagen–Triebwagen–Beiwagen–Triebwagen war. 1989 wurde die Linie G zur U6. Die Stadtbahnzüge blieben aber noch bis 2008 in Betrieb, um dann vollständig von der Type T1 abgelöst zu werden.

Was ist aus den E6– Zügen geworden? Einige kamen nach Utrecht, während in Krakau 40 Züge als HL 401 – 440 mit neu eingefügtem Niederflur-Mittelteil  in Betrieb stehen. Auch der 4936 am Zugeschluss auf dem Bild oben kam im Dezember 2011 in Krakau wieder als 3036 in Betrieb, seit 2015 HL 425.

Damit verlassen wir 1984 und kommen ins Jahr 2015 nach KrakauHL 433 (ex 4916) am 1. 10. 2015 am Allerheiligenplatz – Plac Wszystkich Świętych in Krakau. Foto: Chr. Ammann

08 Jan.

Die einstigen Pachtstrecken der SBB

SBB NPZ mit Bt 50 85 29-35 931-9 und RBDe 560 131-5.  Vevey, 13.04.2006.   Blickrichtung nach Lausanne, anschliessend an den Zug ist noch das kurze Perrondach des damaligen Gleises 4 zu sehen (beides abgebrochen). Foto: R.Wanner

Von Ruedi Wanner

Die juristische Auflösung der Bahngesellschaft Vevey-Chexbres (VCh) mit Übergang an die SBB 2013 (EA 6/13) bietet Gelegenheit für einen Rückblick über diese einstige Pachtstrecke. Sie wurde auf Wunsch und unter starker finanzieller Beteiligung des Kantons und der Stadt Vevey gebaut, um die Anschlüsse Richtung Bern zu verbessern und den Umweg über Lausanne zu vermeiden. Die Eröffnung wurde 1904 gefeiert. Damals war Puidoux-Chexbres noch Schnellzugs-Halteort, ebenso wie Palézieux oder Romont. Von Anfang an wurde der Betrieb an die SBB verpachtet, VCh hatte weder Rollmaterial noch Personal. Die einzige Zwischenstation Chexbres-Village verlor 1981 ihre Nebengleise. Früher war talseitig eine Schutzweiche vorhanden, wohl mit Rücksicht auf das anschliessende starke Gefälle (44‰).

Bedarfsweise gab es bis Dezember 2014 noch die Haltestelle Le Verney (bei der Abzweigung des gleichnamigen Anschlussgleises). Diese Haltestelle diente nur dem Berufsverkehr. Die 8 Zugshalte täglich waren nicht publiziert, aber durch Abweichungen im Fahrplan um eine Minute erkennbar. (Bild von der Haltestelle EA 1/15)

Ferner besteht ein Halt bei Les Faverges, mitten in den gleichnamigen Rebbergen (Halt nur bei Bedarf für besondere Anlässe). Diese Infrastruktur ist noch schlichter und beschränkt sich auf einige Meter Mini-Perron und eine Halteort-Tafel H, immerhin.

Ein- und Ausfahrt der S7 erfolgen in Vevey über Gleis 5, dem früheren Gleis 6 am gemischten SBB-MVR-Perron. Früher stand dafür auch noch Gleis 4 zur Verfügung. Es lag jedoch etwas ausserhalb der übrigen Anlageteile (Seite Lausanne) und verschwand allerspätestens per Fahrplan 2013, als der Mittelperron für die RE Genève – Vevey angepasst wurde, allenfalls aber bereits früher?

Als Bedarfshalte gelten auch – weiter unten – Corseaux-Cornalles und Vevey-Funi. Beide wurden 1996 eröffnet. Dazu musste der bis 2012 ausschliesslich hier verkehrende, hübsch bemalte «Train de Vignes» (ein zweiteiliger NPZ, 560 131) als damals einziger SBB-Zug Tasten für Haltanforderung erhalten. Die eher schwach frequentierte Steilstrecke diente immer wieder für eigenartige Kompositionen: Einmal waren es die beiden, mit 12 und 14 t speziell leichten Pneuwagen Ap und Bp der SBB (Mitteleinstieg), um 1960 die Versuchswagen AB 3741 und B 5527 (Leichtstahl) mit dem Vorgängermodell der automatischen +GF+ – Kupplung, zusammen mit dem Fe 4/4 Nr. 1671. Bedingung war, wie bei den später eingesetzten Pendelzügen mit BDe 4/4, eine elektrische Bremse. Seither verkehrt hier ein dreiteiliger NPZ als S7 im Stundentakt (seit dem aktuellen Fahrplan 2018 allerdings unterschiedlich Mo-Fr und Sa/So) und so wird in diesen Zügen auch wieder die 1. Klasse angeboten, welche jahrelang fehlte.

Die Bahnbezeichnung VCh geht auf die Bahnhofnamen der Gründerzeit zurück; das heutige Puidoux-Chexbres hiess bis 1908 nämlich Chexbres-Puidoux. Beide Endpunkte erhielten Drehscheiben und Vevey ein eingleisiges Depot. Es war nur über die Drehscheibe zu erreichen und wurde 2016 abgebrochen. Die Drehscheibe in Vevey war 16 m lang und gehörte damit zu den kleineren, genügte aber offenbar den damaligen Verhältnissen. Sie war für Normal- und Schmalspur eingerichtet; das Schmalspurgleis befand sich zentriert in der Mitte, weshalb hier vier und nicht drei Schienen gelegt werden mussten. Die Linie wurde erst 1940 elektrifiziert. Die Verwaltung der rechtlich autonomen Bahn wurde während Jahrzehnten durch die MOB (später MVR) besorgt, zum Teil in Personalunion mit dem MOB-Direktor. Das juristische Ende der Pachtstrecke kam 2013 durch Rückkauf aller Aktien durch die SBB, nachdem letztere bereits vorher die überwältigende Aktienmehrheit hatten. Zuletzt gab es nur noch eine Postadresse im Bahnhof Vevey.

Das Einfahrsignal von Puidoux-Chexbres war bis 1997 eine elektrisch angetriebene Klappscheibe, nicht zu verwechseln mit der Hipp’schen Wendescheibe. Aufnahme vom 21.6.1991. Foto: R.Wanner

Die Strecke ist 7,8 km lang und hat ein starkes Gefälle von massgebenden 38‰, stellenweise sogar 44‰[1]. Deshalb sind spezielle Bremsvorschriften einzuhalten. In der Kategorie A «Starke Gefälle» sind Triebfahrzeuge ohne elektrische Bremse nicht zulässig. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt auf der Talfahrt 60 km/h und wird durch ZUB überwacht. Die Aussicht auf das Lavaux ist prächtig (seeseitig sitzen). Gelegentlich kamen auch Sonderzüge auf diese Linie; vor dem Bau des Lötschberg-Basistunnels konnten hier sogar internationale Schnellzüge umgeleitet werden. Die ehemalige VCh wird nach wie vor von Güterzügen befahren, in den Fahrplanjahren 2017 und 2018 waren/sind es je ein Zug Zürich Mülligen – Sion – Brig und RBL – Charrat-Fully, allerdings nicht täglich.

Weitere Pachtstrecken bestanden:

  • Wattwil-Ebnat-Kappel, mit der BT, 1910 -2005 bestehend und aufgelöst durch Übergabe an die SOB
  • Nyon -Crassier (-Divonne SNCF), Kanton Waadt, 1905-1962, beendet durch Bau der Autobahn. Das nie elektrifizierte Gleis blieb bis Eysins für Güterverkehr erhalten.
  • Wohlen-Bremgarten West, Dreischienengleis mit BD (später BDWM), 1912-2016, durch Abbruch der 3. Schiene (Normalspur) beendet.

[1] Dieses Maximalgefälle ist nicht angeschrieben

Probefahrt mit RBDe 4/4 75 am 12. 11. 1982 Ebnat-Kappel – Wattwil. Foto Chr. Ammann

Der ehemalige Bahnhof Crassier, fotografiert 1976, also 14 Jahre nach der Aufhebung der Bahn. 2015 sollte er zugunsten einer Neuüberbauung verschwinden. Foto Chr. Ammann 

 

07 Jan.

Vom Chäsitöbeli zum Stampfbeton

Buchtobelviadukt bei Kehlhof am 11. 6. 2017 mit IR Zürich HB -Konstanz

Der Artikel zum Doppelspurausbau im Raum Kehlhof–Berg auf der ehem. MThB im EA 1/2018 hat ein Echo von Johannes Läubli, EMF St. Gallen,ausgelöst. Es zeigt die enge Verknüpfung zwischen Bahn-, Lokalgeschichte und Jugenderinnerungen:  

„Als alter Berger habe ich erst im Zusammenhang mit der Baustelle den Namen „Buchtobel-Viadukt“ gelesen. Bei uns hiess er Chäsitöbeli-Viadukt: Nach der Chäsi rechts runter und ab ins versteckte Grün. Zwischen 1956 und 1958 war das der normale Tatort der samstäglichen Pfadiübung. In der Fasnachtszeit gab’s dann unzählige Chracher, die unter dem Brückengewölbe so herrlich hallten. Nur zum Bach hinunter wollten wir nicht, denn wenig oberhalb mündete von Andhausen her der Gerbibach – und der kam meist rotbraun (Lederfärbung), selten bläulich (Abwasser der Chromgerbung) daher. (Ich war später Ferienarbeiter in der Gerbi – kenne also die Sachen.) Die Chäsi (Andhauserstrasse 17) gibt es längst nicht mehr. Der letzte Käser Ueli Lauper ist unterdessen 87, die Milch ist 1995 an andere Käsereien gegangen, und die ganze Anlage ist einem Neubau gewichen; an der Stelle des Schweinestalls liegt eine Schulsportplatzerweiterung.“

Alter und neuer Buchtobelviadukt am 3. 6. 2017 noch nebeneinander. 

Doch nun zur technischen Seite: „Wie man deinem Bild entnehmen kann, war der Abbruch eine relativ harmlose Sache – hast du Eisen gesehen? Der Viadukt wurde in damaliger Tradition ohne Armierung in Stampfbeton erstellt.“

Abbruch des alten Buchtobelviadukts am 25. 9. 2017 – es ist kein Eisen zu sehen…

Zum Thema Stampfbeton, eine ursprünglich in Frankreich entwickelte Methode, kann man heute bequem „googlen“: „Stampfbeton entsteht aus einem Gemisch von Kies, Sand, Zement und Wasser. Mit den entsprechenden Schalungen kann man den Kunststein in jeder beliebigen Form herstellen. Der Beton gehört zu den Betonen, die durch Stampfen verdichtet werden, weshalb hierfür nur Betongemische mit einer steifen Konsistenz zum Einsatz kommen. Er wurde meist für Bauwerke oder Bauwerksteile aus unbewehrtem Beton verwendet, vor der Erfindung des Flaschenrüttlers aber auch für Bauwerke aus Eisenbeton.“

Dampfzug der Schorndorf – Welzheim auf dem Laufenmühle-Viadukt, 4. 9. 2016.(Foto: M. Landthaller)

Blick aus dem Zug auf den sanierten und restaurierten Laufenmühle-Viadukt, 4. 9. 2016 .

Stampfbetonbrücken haben ihren eigenen Stil. Auf der ehemaligen MThB sind nun noch die Viadukte von Bernrain (Sauloch), Jakobshöhe und natürlich der berühmte Bussnanger Viadukt erhalten geblieben, nebst all den hübsch geschwungenen Strassen- und Wegüberführungen. Bekannt und sogar unter Schutz stehen in Baden-Württemberg beispielsweise die drei Viadukte der 1911 eröffneten Schwäbischen Waldbahn (Schorndorf– ) Rudersberg–Welzheim (NiK EA 7/16). Die „Oberen Illerbrücken“ in Kempten neben der ehem. König-Ludwig-Holzbrücke (NiK EA 10/17) gelten als die grössten Stampfbetonbrücken der Welt (gebaut 1904/06).

Und im belgischen Venngebiet haben sich die teilweise kriegszerstörten Brücken der ehem. Strecke Vielsalm– Born erhalten, vollendet 1917 (Artikel EA 9/85).

Freiherr-Von-Korff-Brücke der ehem. Strecke Vielsalm – Born über das heute längst abgebrochene Gleis des Vennbahn-Strecke Waismes – St-Vith, 17. 3. 1984

Fast wie in Bussnang beherrscht der 285 m lange, bis zu 18 m hohe Freiherr-Von-Korff-Viadukt mit seinen elf Bogen das Dorf Born. Einst sollte er gesprengt werden, heute ist er Attraktion, und Born feierte 2016 seinen 100jährigen Geburtstag. 17. 3. 1984

Seit Sprengung des benachbarten Viadukts von Hermanmont (sh. unten) am 10. Mai 1940 durch das belgische Militär fahren keine Züge über den doppelspurig gebauten Viadukt in Born. 17. 3. 1984

Die Überreste des 260 m langen, bis zu 33 m hohen Viadukts von Hermanmont oberhalb Vielsalm im Venngebiet. 17. 3. 1984

Stampfbeton pur. Der Viadukt hatte einst zehn Bogen. Die Bogen 2, 3, 8 und 9 sprengte die belgische Armee vor der anrückenden deutschen Wehrmacht . 17. 3. 1984 

Johannes Läubli schliesst: „Heute berühmter wegen der Dampfzüge und vor allem wegen der Harry Potter-Filme ist der schottische Glenfinnan-Viadukt zwischen Ft. William und Mallaig von 1898. Doch der Stahlbetonbau setzte sich mit einem Paukenschlag durch: Langwieserviadukt!“

Nicht gezeichnete Fotos: Chr. Ammann

Interessanter Link  zum Viadukt von Hermanmont https://www.railations.net/viaducthermanmont.html

 

30 Dez.

Winter-Impressionen 2015 im Vallée de Joux

Von Pascal Siegfried

Am 19. Februar 2015 wollte es der Zufall, dass ich bei einem Ausflug ins Vallée de Joux in Vallorbe den Zug erwischte, welcher den Güterwagen für die Abfallcontainer mitnahm. So reichte es zwar nicht für ein Foto auf der Strecke. Dafür stellte ich in Sentier-Orient erfreut fest, dass der dortige Rangiertraktor TemIII 329 (97 85 1220 329-7, gebaut 1957, 2012 von TRAVYS übernommen) mit laufendem Dieselmotor bereitstand, um den Wagen wegzustellen. Kaum ausgestiegen, war der Güterwagen auch schon vom Planzug abgekuppelt, der sogleich nach Le Brassus weiterfuhr.

Von der andern Seite der Gleise versuchte ich mein Fotoglück. Mit den vielen abgestellten Autos, etwas Gegenlicht, dem Bahnübergang und vielen Fahrleitungsmasten war es gar nicht so ein einfaches Unterfangen. Doch das Resultat darf sich durchaus sehen lassen und stellt eine willkommene Bereicherung in der Fotosammlung dar.

Selbstverständlich hat es an dem Tag auch das ein- oder andere Bild der Planzüge gegeben.

25 Dez.

SBB-Rangiertraktor Te I 33 – im Schnee von vorgestern

Im EA 1/18 wird die Serie über die Rangiertraktoren fortgesetzt: Teil 7: Elektrische Rangiertraktoren TeI und Zweikraft-Rangiertraktoren TemI..

Die kleinen Stationstraktoren waren selten als Fotoobjekt gesucht. Erst als sie Mitte der 1990er-Jahre mehr oder weniger verschwunden waren, bedauerte man, die unscheinbaren, aber für den Güterverkehr auf den Stationen so charakteristischen Fahrzeuge nicht öfter fotografiert zu haben.

Ein Ausnahmefall war der TeI 33, dem ich in frisch revidiertem Zustand mit roter SBB-Neulackierung am 9. Januar 1985 bei herrlichstem Winterwetter in der verschneiten Station Siebnen-Wangen begegnete. Er war Fotoobjekt erster Güte und… ist deshalb heute wohl der einzige TeI   in meiner Fotosammlung!

Wie wir aus der Tabelle im EA 1/18 entnehmen können, wurde er 1942 bei SLM und MFO erbaut, ursprünglich als TeI 183 in grüner Lackierung abgeliefert. Und er war einer der wohl einzigen 6 TeI, die vor Abschluss ihrer Karriere noch einen roten statt braunroten Anstrich bekamen.

22 Dez.

1877 – 1882, zweites Gleis Otelfingen-Wettingen

Wettingen: Der Prellbock des heutigen Abstellgleises 12 erinnert an das frühere NOB-Gleis nach Bülach. In einem 2013 genehmigten «Mehrjahresprogramm öffentlicher Verkehr» skizziert der Kanton Aargau nebst anderen Ergänzungen (Haltestelle Tägerhard) einen Doppelspurabschnitt von Wettingen Richtung Würenlos. Dieser käme dann genau auf das frühere NOB-Trassee zu liegen.

Von Ruedi Wanner

Zwischen Otelfingen und Wettingen gab es während 5 Jahren ein zweites Gleis. 1877 fuhr die Nationalbahn [SNB] von (Konstanz/Singen – Winterthur -)Seebach nach Wettingen (-Zofingen), ebenso die Nordostbahn [NOB] von Bülach her. Der Bahnhof Wettingen wurde erst in diesem Zusammenhang erstellt, ebenso die beiden Limmatbrücken. Das alte Trassee der ersten Bahn von 1847 führte südlich davon auf der linken Limmatseite nach Baden. Aber ob die Gleise der beiden Bahnverwaltungen einzeln oder als Doppelspur betrieben wurden, blieb lange ein Rätsel. Die Literatur gibt unterschiedliche Angaben dazu. Was stimmt? Der Vermerk «Parallelstrecke» (HGW, 1980) trifft den Nagel wohl auf den Kopf.

Reisekarte der Schweiz, 1931

Der Vertrag vom 9. Januar 1875, abgeschlossen zwischen der «Eisenbahngesellschaft Winterthur-Zofingen» (spätere SNB) und der NOB liegt in gedruckter Form vor (8 Seiten). Wichtigstes Zitat daraus: «Der Betrieb auf der Bahnstrecke Wettingen-Otelfingen wird doppelspurig ausgeführt. Jede der kontrahierenden Gesellschaften wird ihre Züge technisch selbständig über diese Bahnstrecke fahren lassen». 

Die oft gehörte Version, wonach die Züge das einzeln finanzierte Gleis (SNB das südliche, NOB das nördliche) benützen mussten, ist damit vom Tisch. Die Betriebsverwaltung der NOB war zuständig für Leitung und Überwachung des Fahrdienstes; es galten die NOB-Vorschriften für den Betriebsdienst. Das Personal der 3 gemeinsamen Stationen (Otelfingen/Würenlos/Wettingen) wurde ebenfalls durch die NOB gestellt, wie ja überhaupt die Übermacht von Eschers NOB gegenüber dem ungeliebten, finanziell schmalbrüstigen Unternehmen SNB allgegenwärtig war. Die Abrechnung der Stationen musste (wegen der Kostenanteile) getrennt erfolgen.  Für den Bau der unteren Limmatbrücke, des Bahnhofes Wettingen und der Strecke bis Otelfingen wurde ein Kostenteiler von 65% NOB und 35% SNB vereinbart. Jede Bahn musste den Oberbau zwar getrennt, aber nach den Normen der NOB, beschaffen und erstellen.

Allerdings: «An die Anlagekosten inklusive Stationen Würenlos und Otelfingen hat die «Eisenbahngesellschaft Winterthur-Zofingen» vorab Fr. 40‘000.- zu leisten und sodann von der nach Abzug dieses Betrages verbleibenden Summe die Hälfte als ihr weiteres Kostenanteil zu übernehmen». 

Tröstlich ist dagegen:  «Die Reisenden samt Gepäck können für diesen Verkehr die Züge der beiden Gesellschaften benützen». Damit ist die etwa gehörte Version, Billette (und Abonnemente, sofern es solche schon gab) seien nur auf den Zügen der entsprechenden Verwaltung gültig, definitiv vom Tisch, auch wenn die Tarife im Vertrag nicht speziell erwähnt sind.

Die einstige Haltestelle Kempfhof (Strecke Würenlos – Otelfingen) diente einem bescheidenen Pendlerverkehr der Badener Grossindustrie. Auf dem frei gewordene Trassee wurde ein einfacher, heute längst mit Gras überwachsener Perron mit etwas Kies planiert. Diese Haltestelle war nicht im Kursbuch publiziert, diente nur wenigen Anwohnern (zuletzt einem einzigen) und bestand bis zum Taktfahrplan 1982.

Das Problem der offenbar im Linksverkehr benützten Doppelspur löste sich von selbst nach dem Konkurs der SNB im Jahre 1878, der Übernahme durch die NOB und erst recht mit dem Abbruch des 2. Gleises zwei Jahre später. Für die wenigen Fahrten beider Strecken (nach Konzession 3 Zugspaare täglich, somit 12 Reisezüge pro Tag) genügte das einzige, ex-SNB-Gleis völlig. Spuren des ex-NOB-Gleises sind dagegen auch im Zeitalter der S-Bahn  immer noch sichtbar: durchgehendes 2. Trassee auf der Nordseite, einige 100 m Abstellgleis in Wettingen sowie 2 Brückenfundamente zwischen Würenlos und Otelfingen.

Bei der kleinen Unterführung (Haselstrasse) sind die Widerlager auf der Nordseite noch deutlich erkennbar, ebenso etwas weiter östlich bei der Passage Dolissensteig. Noch weiter östlich, im Gebiet Aspächer, wurde inzwischen eine neue, eingleisige Unterführung erstellt.

Zwischen Winterthur und Effretikon dürfte es mit dem 3. Gleis anders gelaufen sein, da beherrschte die NOB die bereits bestehende Doppelspur und liess die SNB gnädigst ihr eigenes Gleis auf der Nordseite anbauen. Auch hier sind noch Spuren zu sehen; lange standen die Fahrleitungsjoche vorsorglich über das (nicht mehr vorhandene und somit nie elektrifizierte) 3. Gleis.

Text und Fotos: Ruedi Wanner

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