150 Jahre Eisenbahnen in Vorarlberg
Gespannt warteten wir an unserer ersten Fotostelle auf den Extrazug zum 150-jährigen Jubiläum der Eisenbahn in Vorarlberg. Nach ein paar Minuten senkten sich die beiden Schranken an der Landstrasse. Nach kurzer Zeit wurde ein Summen unten im Tal immer lauter. In flottem Tempo kam das Krokodil 1020.18 mit seinen vier Schlierenwagen um die Kurve gefahren. Die Kameras klickten im richtigen Moment. Wir waren glücklich. Das erste Traummotiv des Tages war auf dem Chip. Zufrieden verabschiedeten wir uns von den Mitfotografen.
Dieses Jahr feiert Österreichs westliches Bundesland Vorarlberg ein rundes Bahnjubiläum. Werfen wir einen Blick zurück in die Geschichte:
Das „Ländle“, wie Vorarlberg auch genannt wird, war im 19. Jahrhundert ein Anhängsel der grossen K. und K. Donau Monarchie. Das Arlbergmassiv trennte das Ländle von den weiter östlich gelegenen Bundesländern. Die sozialen wie wirtschaftlichen Kontakte der Bewohner orientierten sich eher in Richtung Ostschweiz, an das nördliche Bodenseeufer und das Allgäu. Erste Handelswege der Augsburger Fugger Dynastie in Richtung Mailand und Oberitalien führten durch das Vorarlberger Rheintal.
Anfangs der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erreichten die Schienenstränge den Bodensee. 1850 wurde das württembergische Friedrichshafen von Ulm aus erreicht. 1853 nahm die bayerische Süd-Nordbahn von Lindau über Kempten nach Augsburg ihren Betrieb auf. 1858 wurde Rheineck von Chur aus angebunden. 1863 das badische Konstanz von Mannheim.
Keine zehn Jahre später wurde am 1. Juli 1872 die Talstrecke der K. und K. Vorarlberger Bahn von Bregenz über Feldkirch nach Bludenz eröffnet. Was nun noch fehlte, war der Anschluss in Richtung Osten. So musste der gesamte Bahnverkehr vom Rheintal in Richtung Salzburg und weiter über Lindau – Kempten – München geführt werden.
Einflussreiche Politiker und Ingenieure forderten eindringlich den baldigen Bau der Arlbergbahn, denn in Tirol wurde das Projekt Innsbruck – Mittenwald – München priorisiert. Es gab Studien mit verschieden langen Tunnels durch das Arlbergmassiv. Ein kürzerer Tunnel hätte bedingt, die Linienführung in den engen Tälern mittels Schleifen und Kehrtunnel auf eine bestimmte Seehöhe zu bringen. Die Gefahr von Lawinenabgängen und längeren Verkehrsunterbrüchen wäre die Folge gewesen. Klugerweise entschieden sich die Planer für eine Ost- und Westrampe zwischen Landeck und Bludenz mit maximal 29 o/oo Steigung. Herzstück war der 10.250 m lange Arlbergtunnel zwischen St. Anton und Langen. Am 21. September 1884 wurde die gesamte Strecke in Betrieb genommen.
Ein Jahr später fuhr bereits ein Arlberg-Express von Wien nach Bregenz und Zürich. Dieser führte auch Kurswagen und einen Schlafwagen nach Paris. Bald entwickelte sich ein reger Gütertransitverkehr in Richtung Ungarn, in die Balkanstaaten und an den Seehafen von Triest.
Anfangs wurden vierachsige Schlepptenderloks auf der Bergstrecke eingesetzt. 1894 rüsteten die Werkstätten 38 Dampfloks von Kohle- auf Ölfeuerung um, da die Entlüftung der Rauchgase im Tunnel nur unzureichend funktionierte und die Streckengeher und Lokpersonale manchmal durch das Kohlenmonoxid ohnmächtig wurden.
Bis heute kämpfen die Eisenbahner immer wieder gegen die Naturgewalten. Es gab Lawinenabgänge, Bergstürze und Muren. Sie unterbrachen öfters den Bahnbetrieb. So wurden im Laufe der Jahre manche gefährdeten Stellen durch Tunnels ersetzt.
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die ersten leistungsfähigen Fünfkuppler Dampfloks auf den Rampenstrecken eingesetzt. Schwere Personen- und Frachtenzüge wurden von einer zweiten Dampflok auf der Bergfahrt nachgeschoben.
Bereits vor dem ersten Weltkrieg wurde die Elektrifizierung der Tal- und Bergstrecke in Erwägung gezogen. Durch den kriegsbedingten Zerfall der Donaumonarchie verlor Österreich grosse Kohlegruben an das Ausland. Wie in der Schweiz wurde der Ausbau und die Nutzung der Wasserkraft forciert. 1924-25 wurde die Arlbergstrecke elektrifiziert. 1927 erreichte der Fahrdraht Bregenz. Die Dampfloks verschwanden in die Reserve.
Danach wechselten wir wieder nach Wald am Arlberg. Mehrere Mitfotografen standen bereits in Position. Das aus Stein gemauerte Bahnhofsgebäude war unser Motiv. Auf einmal hetzten die Fotografen zu ihren Autos, da sie Angst hatten, dass das Motiv durch aufziehende Wolken Schaden nimmt. Plötzlich waren wir fast alleine. Da alle Railjets wenige Minuten Verspätung hatten, wurde die Kreuzung eines RJ mit dem Extrazug nach Wald verlegt. Jetzt waren wir gespannt, wie das Ganze ablief. Im schönsten Sonnenlicht rollte das Krokodil auf Gleis 1 ein. Vor dem Ausfahrtsignal kam der Zug zum stehen. Das war unsere zweite Chance. Hinter der Ausfahrtweiche stand noch ein altertümliches Postenhäuschen. So konnten wir die Ausfahrt des Sonderzuges quasi als „Zugabe“ bildlich festhalten.
Bis jetzt hatte doch alles gut geklappt. Zum Abschluss unseres Fototages fuhren wir an den Bahnhof von Braz. Gegen 17.30 müsste der EC 164 von Graz nach Zürich dort durchfahren. Es war Zeit, die Schranke ging herunter, was kam war allerdings ein Entlastungsschnellzug nach Bregenz. So warteten wir noch eine weitere halbe Stunde auf den EC. Die Sonne leuchtete den Zug und das Bahnhofsgebäude perfekt aus. Zufrieden packten wir zusammen und mit vielen tollen Eindrücken fuhren wir wieder gen Heimat.
Weitere Informationen:
Am 27. und 28.8. sowie am 3.9.22 gibt es mit dem Krokodil weitere Fahrten zwischen Bregenz und Bludenz. Am 3.9.22 ist in Bludenz eine grosse Leistungsschau und Fahrzeugparade der ÖBB.
Weitere Infos auf der Website: probahn-vlb.at
Textquellen: Bahnen in Vorarlberg, Band 1 und 2 von Lothar Beer, 1995
Alle Fotos vom 13.8.22, Fotos Berthold Halves